«Die biologische Uhr tickt»

Darum liess eine Luzernerin 23 ihrer Eizellen einfrieren

Beim Social Freezing werden in den fruchtbarsten Jahren der Frauen Eizellen entnommen und eingefroren. (Bild: Symbolbild: Adobe Stock)

Immer mehr Frauen lassen ihre Eizellen einfrieren. So hoffen sie, ihren Kinderwunsch zu einem späteren Zeitpunkt erfüllen zu können. Eine 34-jährige Luzernerin spricht über ihre Beweggründe.

23 Eizellen von Jennifer liegen in einem Kryotank im Universitätsspital Zürich. Eingefroren bei minus 196 Grad.

Die junge Luzernerin, die anonym bleiben möchte, hat sich vor einigen Monaten für diesen Schritt entschieden – Social Freezing nennt sich das Prozedere. Es war der 34. Geburtstag, durch den die drängende Frage immer mehr aufpoppte: wie weiter? Denn bei Frauen nimmt die Fruchtbarkeit gemäss Expertinnen spätestens ab dem 35. Altersjahr ab.

Und gerade heute kriegen Frauen immer später Kinder. Schweizer Frauen zählen zu den ältesten Müttern Europas: Durchschnittlich ist eine Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes 31,2 Jahre alt. 1971 bekamen Mütter ihr erstes Kind noch mit durchschnittlich 25,3 Jahren.

Wer sich seinen Kinderwunsch erst später erfüllen möchte, kann mit Social Freezing vorsorgen. Dabei entnimmt eine Ärztin von der Frau Eizellen, die daraufhin eingefroren und gelagert werden. Wenn eine Frau später Probleme hat, schwanger zu werden, kann sie auf ihre eingefrorenen Eizellen zurückgreifen (siehe Box).

Kein Partner, kein Kinderwunsch

«Ich war mir immer recht unsicher, ob ich überhaupt Kinder möchte. Lange habe ich gar nicht darüber nachgedacht», erzählt Jennifer. Sie war lange single, da habe sich die Frage nach der Familienplanung gar nicht gestellt. Erst seit kurzem ist sie in einer neuen Beziehung. «Mit dem richtigen Mann an meiner Seite kann ich mir gut vorstellen, eine Familie zu gründen.»

Damit ist Jennifer nicht alleine. Viele Frauen schieben den Kinderwunsch auf, weil sie schlicht nicht in einer Beziehung sind und den richtigen Partner gefunden haben. Andere wollen sich erst auf ihre Ausbildung und ihren Beruf fokussieren – oder frei und unabhängig bleiben und reisen gehen.

«Durch Social Freezing bin ich abgesichert, wenn es auf natürlichem Weg nicht klappt. Ich fühle mich dadurch beruhigter, muss mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.»

Jennifer, 34-jährig

«Auch heute weiss ich nicht, ob ich wirklich eigene Kinder möchte», sagt die 34-Jährige. Aber bei Frauen «tickt nun mal die biologische Uhr», sagt sie. «Und wenn es schon die Möglichkeit gibt, warum sollte ich sie nicht nutzen?»

Sie habe nichts zu verlieren. Und das stimmt auch. «Durch Social Freezing bin ich abgesichert, wenn es auf natürlichem Weg nicht klappt. Ich fühle mich dadurch beruhigter, muss mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.»

Über Social Freezing

Bevor Eizellen eingefroren werden können, müssen Ärztinnen erst per Ultraschall die Anzahl der Eibläschen beurteilen sowie per Bluttest die verschiedenen Hormone testen. Idealerweise lässt sich eine Frau vor dem 35. Geburtstag ihre Eizellen einfrieren. Nach der Fruchtbarkeitsbeurteilung braucht es eine Hormonbehandlung. Die Frau muss während mehrerer Tage Medikamente schlucken und sich dann 10 bis 14 Tage Hormone spritzen. Diese sollen dafür sorgen, dass die Eizellen reifen.

Danach saugt der Arzt mit einer feinen Nadel die Flüssigkeit in den Eibläschen ab. Darin sind die reifen Eizellen, die dann bei minus 196 Grad eingefroren werden.

In der Schweiz dürfen die Eizellen maximal zehn Jahre lang aufbewahrt werden. Danach müssen sie vernichtet werden. Bei einem Kinderwunsch im fruchtbaren Alter müssen Frauen erst versuchen, auf natürlichem Weg schwanger zu werden. Klappt dies nicht, dürfen sie auf ihre eingefrorenen Eizellen zurückgreifen. Per Gesetz ist dies jedoch nur erlaubt, wenn die Frau in einer gefestigten Partnerschaft ist.

Die Eizellen werden dann aufgetaut, das Sperma des Mannes wird in sie injiziert. Wird die Eizelle erfolgreich befruchtet, können Ärztinnen den Embryo in der Gebärmutter der Frau einsetzen.

Beim Social Freezing müssen die Frauen die Kosten selbst tragen. Die Kosten liegen pro Zyklus bei rund 4000 bis 5000 Franken. Dazu kommen Auslagen für das Einfrieren und das Aufbewahren der Eizellen von 700 Franken und die jährliche Aufbewahrungsgebühr von 400 Franken. Liegen medizinische Gründe vor – beispielsweise eine bevorstehende Chemotherapie –, so übernimmt die Krankenkasse die Kosten.

Warum Jennifers eingefrorene Eizellen vielleicht vernichtet werden müssen

Die Hormonbehandlung lief bei ihr ohne grosse Komplikationen ab. «Zu Beginn hatte ich Angst, dass ich viel von den Wirkstoffen spüre und Stimmungsschwankungen kriege – doch es war absolut im Rahmen.»

Allerdings spürte sie schon, dass in ihrem Körper etwas passiert. Wie die Eierstöcke grösser wurden. Jennifer fühlte sich müde und hatte Bauchschmerzen. Der Grund: Bei ihr sei es zu einer leichten Überstimulation gekommen, die Eierstöcke wurden stärker stimuliert als beabsichtigt. «Ich wurde deswegen sehr vorsichtig und verzichtete sogar für rund fünf Wochen auf Sport.»

Die Hormonbehandlung sollte man laut Jennifer nicht unterschätzen. Während dieser sollten Frauen möglichst gesund leben. Also keine Zigarette, kein Alkohol – um möglichst gute Eizellen heranwachsen zu lassen. Ihr habe es geholfen, viel Wasser zu trinken und Proteine zu essen.

Ebenso sollte man die Kosten nicht unterschätzen. Jennifer sei sich insbesondere nicht bewusst gewesen, dass die Medikamente für die Hormonbehandlung noch extra kosten – über 1000 Franken seien es bei ihr gewesen. Auch sollte man flexibel sein, weil die Ärztin mehrere Male Ultraschall- und Blutuntersuchungen durchführen muss. Dies, um beispielsweise die optimale Dosis der Medikamente laufend anpassen oder den idealen Zeitpunkt für den Eisprung bestimmen zu können.

Bei Jennifer konnten die Ärzte 23 Eizellen entnehmen – ein recht gutes Ergebnis. Es kann der Fall eintreffen, dass Jennifer auf natürlichem Wege schwanger wird – und die eingefrorenen Eizellen dann vernichtet werden müssen. «Aber auch dann würde ich es nicht bereuen.» Durch Social Freezing hat sich Jennifer Zeit gekauft – und ein Stück weit auch Unabhängigkeit. Sie hat einen Plan B.

Hinweis: In einem zweiten Artikel von zentralplus geht eine Kinderwunschexpertin des Luzerner Kantonsspitals auf die medizinische Seite des Social Freezings ein.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Roli Greter
    Roli Greter, 21.04.2024, 08:40 Uhr

    Zitat: Erst seit kurzem ist sie in einer neuen Beziehung. «Mit dem richtigen Mann an meiner Seite kann ich mir gut vorstellen, eine Familie zu gründen.»

    Sieht so aus als wäre es nicht der richtige Mann. Tipp; selbst die vermeintlich richtige Frau kann sich MIT Kindern als die nicht richtige Frau entpuppen.

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