Rivalität mit Tradition

Warum sich FCL-Fans und FCSG-Fans nicht leiden können

Prominent platziert, hängt dieses symbolträchtige Stück Stoff immer dann in der Luzerner Fankurve, wenn der Gegner FC St. Gallen heisst. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Zwischen den Fans des FC Luzern auf des FC St. Gallen herrscht eine Rivalität, die längst auch die Kabinen der beiden Mannschaften erreicht hat. zentralplus begibt sich auf die Suche nach dem Ursprung der Fehde.

Wer nie Fan war, wird Fussball nie verstehen. Dabei kann es vorkommen, dass man gewisse Dinge nicht einmal als Fan versteht. Etwa, warum die Stimmung so hitzig und aufgeladen ist, wenn immer der FC St. Gallen auf der Allmend zu Gast ist – oder der FCL in die Ostschweiz fahren muss. Seit Jahren gönnen sich die beiden Fanlager rein gar nichts – um die Antipathie nicht mit dem Triggerwort «Hass» zu umschreiben. Doch wann und warum die Rivalität entstanden ist, scheint weitestgehend unbekannt.

«Ein Derby im eigentlichen Sinn ist es sicherlich nicht – aber natürlich haben die Partien gegen den FC St. Gallen einen speziellen Charakter», umschreibt Präsident Stefan Wolf, einst Fussballer beim FCL und später Verwaltungsrat beim FCSG, die Affiche. Wie die Rivalität genau entstanden ist, kann auch er nicht sagen.

Seine Ostschweizer Vergangenheit hat Wolf hinter sich gelassen. «Für mich zählt nur der FC Luzern», versichert der 53-Jährige, «und, dass wir am Sonntag drei Punkte holen.» Attraktiver Fussball und grosse Emotionen – das sei doch die Essenz des Fussballs, findet er.

Alain Wiss schnuppert an der Wahrheit

Ein anderer, der das Duell zwischen den traditionsreichen Fussballvereinen der Innerschweiz und der Ostschweiz sowhol im blau-weissen als auch im grün-weissen Trikot miterlebt hat, ist Alain Wiss. Er ist in Littau aufgewachsen, beim FC Luzern entdeckt und gross geworden, um dann im Alter von knapp 25 Jahren zum FC St. Gallen zu wechseln.

«Die Begegnungen im Trikot des FC St. Gallen gegen meinen Ausbildungsverein waren für mich speziell», erinnert er sich. Doch speziell aufgeladen sei die Stimmung in der Kabine damals nicht gewesen. «Dem Vernehmen nach hat sich dies in den letzten Jahren etwas geändert», sagt Wiss.

Alain Wiss wechselte im Sommer 2015 vom FCL in die Ostschweiz. Heute spielt er für den SC Cham. (Bild: FC St. Gallen)

Er erklärt die Rivalität mit den Gemeinsamkeiten der Vereine. «Grosses Einzugsgebiet, passionierte Fans, stimmungsvolle Atmosphäre im Stadion – und sportlich setzen beide Vereine ähnliche Ziele», so seine Analyse.

FCL-Grosi hat St. Galler «auf der Latte»

Etliche Gespräche hat zentralplus mit Fans aus allen Ecken des Stadions geführt, um herauszufinden, wie es zur Fehde zwischen dem FCL und dem FCSG kam. Während Jüngere die Begegnung ohne unüberseh- und -hörbare Rivalität gar nicht erst kennen, erinnern sich Ältere etwa an ein brutales Foul des St. Gallers Norbert Senn.

Er mähte den Luzerner Spielmacher Eigil Nielsen vor mehr als 40 Jahren derart rücksichtslos um, dass dieser nie wieder Fussball spielen konnte – und die St. Galler nie mehr nach Luzern reisen konnten, ohne mit einer gewissen Feindseligkeit empfangen zu werden.

FCL-Grosi Ursula Hug ist St. Gallerin – aber den FCSG mag auch sie nicht. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

FCL-Grosi Ursula Hug bestätigt, dass die Duelle mit dem FCSG gefühlt seit jeher von Emotionen geprägt waren. «Ich bin zwar St. Gallerin – aber ich hab den FCSG auf der Latte», distanziert sie sich vom Fussballclub aus ihrer Heimat.

Gleich und gleich bekriegt sich gern

Auch FCL-Fanarbeiter Fabian Achermann könnte zwar viele Geschichten von Aufeinandertreffen der beiden Fanlager und Mannschaften wiedergeben, die ihm über die Jahre hinweg zu Ohren kamen. Doch ein auslösendes Ereignis sei ihm nicht bekannt.

Bei der Recherche wurde zentralplus stattdessen im Archiv fündig. In der zweiten, fast 20 Jahre alten Ausgabe des USL-Fanmagazins «Stelzbock» handelt ein Autor das unstimmige Verhältnis der beiden Szenen unter dem Titel «Gleich und gleich bekriegt sich gern» auf drei Seiten ab. Wie Alain Wiss – bei den FCL-Fans nach dem Wechsel zum FC St. Gallen in Ungnade gefallen – verweist der Autor dabei erst auf die vielen Gemeinsamkeiten. «In den 80ern, als die Zürcher Südkurve noch nicht Inbegriff einer hippen und trendigen Fanszene war, und selbst im Basler ‹Joggeli› regelmässig vor weniger als 5000 Zuschauern Fussball gespielt wurde, war die Stimmung in St. Gallen und Luzern durchwegs gut bis berauschend», berichtet er.

Und dann sei da noch der gemeinsame Feind gewesen: «Die noblen, piekfeinen, arroganten und unerträglich erfolgreichen Grasshoppers aus dem verhassten Zürich.» Der GC-Hass habe gegenseitige Sympathien zwischen Inner- und Ostschweizern geweckt. Unter anderem wegen – oder vielleicht auch «dank» – des brutalen Fouls an Nielsen sei daraus aber nie eine echte Fanfreundschaft entstanden.

Hass ist neu

Damals wollte der «Stelzbock»-Autor noch nicht von «abgrundtiefem Hass» reden. Sticheleien, Schlägereien und die konfrontative Art der spätestens seit den 00er-Jahren tonangebenden Ultras liessen den Graben aber über die Jahre immer tiefer werden.

Die letzte Runde der Super League zeigt exemplarisch, wie wichtig den Fans der Match vom Sonntag ist. Beim Heimspiel gegen Servette stimmte der Espenblock sein «Anti Luzern»-Liedchen an, während die FCL-Fans in Lausanne ihrerseits lautstark Hassparolen Richtung Ostschweiz skandierten.

Das Spiel vom Sonntag ist zwar noch nicht ausverkauft. Doch der gesperrte Gästesektor wird die St. Galler nicht davon abhalten, sich im Stadion ein paar Plätze zu sichern (zentralplus berichtete). Es darf davon ausgegangen werden, dass die angeheizte Stimmung aufs Spielfeld überschwappt.

Schulz war der Espenschreck

Im Gespräch mit dem Ex-Luzerner Marvin Schulz wird klar, dass Wiss wohl korrekt liegt, wenn er sagt, dass die Fanfeindschaft längst in den Kabinen der beiden Teams angekommen ist.

Marvin Schulz schoss gegen den FC St. Gallen sein erstes Tor als Profi und seinen ersten Doppelpack. Seine Zeit in Luzern krönte er mit Cupsieg 2021 – wobei der FCSG im Final als Verlierer vom Platz ging. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Gegen St. Gallen hat Schulz regelmässig getroffen. Auch, weil er bei den Begegnungen immer besonders motiviert gewesen sei. «Jeder in der Kabine wusste, dass es ein besonderes Spiel für die Fans ist», erzählt der Deutsche. Er spielt inzwischen bei Holstein Kiel um den Aufstieg in die Bundesliga. Schulz sagt auch: «Man hat immer schon Anfang Woche gemerkt, dass alle Spieler doppelt motiviert sind.»

Unvergessen bleibt und heimlich gefeiert wird die rote Karte, die sich Marvin Schulz in St. Gallen nach einer völlig deplatzierten Blutgrätsche im Mittelfeld holte. Und sein Last-Minute-Treffer im entscheidenden Spiel der Saison 2017/2018, der dem FCL den Sieg und einen europäischen Tabellenplatz sicherte. Der FC St. Gallen hingegen ging in dieser Hinsicht einmal mehr leer aus.

Auf Schulz' Dienste können die Luzerner am Sonntag nicht zählen. Auf diejenigen von FCL-Grätschenkönig Ismajl Beka (zentralplus berichtete) auch nicht. Der Ostschweizer würde am liebsten selber mitspielen, mag die spezielle Atmosphäre im Fast-Derby. «Aber ich muss die Situation akzeptieren, wie sie ist», sagt er gegenüber zentralplus. Seine Botschaft an Mannschaft und Fans: «Kämpfen, alles geben und drei Punkte holen!»

Ismajl Beka verpasst das Spiel gegen St. Gallen verletzungsbedingt. (Bild: jdi)
Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit FCL-Spieler Ismajl Beka
  • Schriftlicher Austausch mit Ex-FCL-Spieler Marvin Schulz
  • Schriftlicher Austausch mit Ex-FCL-Spieler Alain Wiss
  • Schriftlicher Austausch mit FCL-Präsident Stefan Wolf
  • Schriftlicher Austausch mit FCL-Grosi Ursula Hug
  • Austausch mit etlichen FCL-Fans innerhalb und ausserhalb der Kurve
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