Neue Systeme im Detailhandel

Luzerner H&M-Filiale setzt neu auf Self-Checkout-Kassen

In der H&M-Filiale am Bahnhof Luzern kann man seinen Einkauf neu selber abschliessen. (Bild: Leserreporter)

In der H&M-Filiale am Luzerner Bahnhof kannst du deine Einkäufe seit Mai selber einscannen und bezahlen. Was bei Migros und Coop bereits gang und gäbe ist, breitet sich auf weitere Segmente im Detailhandel aus. Für das Personal hat das Konsequenzen.

In den meisten Lebensmittelläden sind Self-Checkout-Kassen bereits ein vertrauter Anblick. Schon seit einigen Jahren vertrauen Migros, Coop und Co. das Scannen und Einkassieren der Einkäufe den Konsumentinnen selbst an. Das Konzept scheint zu funktionieren, denn die Zahl der Self-Checkout-Kassen wächst kontinuierlich.

Seit kurzer Zeit setzt auch H&M Schweiz auf Kassen, an denen die Kunden ihre Einkäufe selbst scannen und bezahlen können. Seit Mai dieses Jahres auch in der Filiale im Bahnhof Luzern. Damit will H&M einem Kundenbedürfnis entgegenkommen: «Für H&M ist es wichtig, den Kundinnen ein angenehmes und inspirierendes Einkaufserlebnis zu bieten. Mit der Einführung der Self-Checkout-Kassen geben wir eine zusätzliche Möglichkeit, im Store einen Kauf abzuschliessen», schreibt H&M-Sprecher Micael Teixeira auf Anfrage. Wie Teixeira ergänzt, hätten die Kunden die Neuerung positiv angenommen.

Die Vorstellung, dass nun auch in Kleiderläden ein Einkauf selbstständig abgeschlossen werden kann, irritiert aber. Tatsächlich sind Self-Checkout-Kassen im Detailhandel eine Neuerscheinung, wie David Finken, Doktorand am Institut für Marketing & Analytics der Universität Luzern, auf Anfrage von zentralplus bestätigt. Es gibt aber bereits Pioniere, die auf solche Systeme setzten: «Im Schweizer Detailhandel sind Self-Checkout-Kassen meines Wissens eine neuartigere Entwicklung. In der Schweiz nutzen beispielsweise Ikea oder Hornbach derartige Self-Checkout-Systeme», sagt Finken.

In Lebensmittelläden haben sich Self-Checkout-Kassen in wenigen Jahren weit verbreitet und gehören mittlerweile zur Norm. Im Detailhandel ist eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. «Ich kann mir gut vorstellen, dass Self-Checkout-Kassen zukünftig branchenübergreifend im Einzelhandel auftreten werden», verrät Finken. Eine Anwendung dieser Systeme sei vor allem an jenen Orten realistisch, wo Kunden schnelle Einkäufe tätigen und nicht an einer bedienten Kasse anstehen wollen.

Die H&M-Filiale am Bahnhof Luzern. (Bild: Leserreporter)

Personal soll beraten statt kassieren

Für das Personal dieser Läden hat eine Ausweitung der selbstbedienten Kassen spürbare Konsequenzen. Zwar nicht zwingend in Form von Entlassungen. So betont etwa H&M-Sprecher Teixeira, dass das Ladenpersonal weiterhin an den bedienten Kassen oder in beratender Funktion im Geschäft den Kunden zur Verfügung stehen wird. Auch Finken kann keine Zahlen nennen, ob es im Zusammenhang mit der Einführung von Self-Checkout-Kassen zu Entlassungen gekommen ist.

Doch eine qualitative Studie der Universität Bern zeigt auf, dass die Mitarbeitenden mehr Stress verspüren, weil sie durch die Arbeit und Kontrollen im Self-Checkout-Bereich zusätzliche Aufgaben übernehmen müssen. Die physische Belastung der Arbeit auf das Personal sei mit der Einführung von Self-Checkout-Kassen noch grösser geworden.

«Kassenflächen mit Personal sind ein essentieller Bereich des Einzelhandels, wo pro Quadratmeter Verkaufsfläche ein vergleichsweise hoher Umsatz stattfindet.»

David Finken, Doktorand Institut für Marketing & Analytics, Universität Luzern

Zudem kommt es durch die neuen Kassensysteme zu weniger Interaktionen mit den Kunden, was das in der Studie befragte Ladenpersonal bedauert. Zuletzt stellen die Wissenschaftlerinnen auch eine erhöhte psychische Belastung beim Personal fest, aufgrund der Angst, durch die neuen Kassen den Job zu verlieren.

In der Studie heisst es: «Die Einführung der Self-Checkout-Kassen wird primär als eine Strategie wahrgenommen, die der Wegrationalisierung von Arbeitsstellen dient und Angestellte unter Druck setzt, maximal effizient arbeiten zu müssen, um die Anstellung nicht zu gefährden.» Das führe zu einer Verstärkung des Leistungsdrucks.

Kein Anstieg der Diebstähle wegen Self-Checkout-Kassen

Gemäss Marketing-Spezialist Finken ist es aber unrealistisch, dass bediente Kassen ganz aus dem Einzelhandel verschwinden werden. «Kassenflächen mit Personal sind ein essenzieller Bereich des Einzelhandels, wo pro Quadratmeter Verkaufsfläche ein vergleichsweise hoher Umsatz stattfindet.» Er könne sich daher nur ganz schwer vorstellen, dass die Läden in Zukunft auf bediente Kassen verzichten.

Zuletzt stellt sich die Frage, wie stark Self-Checkout-Kassen die Kunden zum Diebstahl verlocken. Zumal der Warenwert im Detailhandel um einiges grösser ist als in Lebensmittelläden. Wird an den unbedienten Kassen nicht viel mehr gestohlen? «Im Gegenteil», sagt David Finken. «Studien aus Deutschland zeigen, dass bei Unternehmen mit Self-Checkout-Kassen der Verlust im Bestand geringer ist als im Durchschnitt aller Unternehmen.»

Der Grund hierfür sind gemäss der Studie die aufmerksamen Kontrollen des Personals im Kassenbereich. Zudem werde der Entschluss zum Diebstahl häufig bereits im Verkaufsraum und nicht erst an der Kasse gefällt. Der Diebstahl geschehe daher unabhängig davon, ob ein Kunde zur bedienten oder unbedienten Kasse geht.

Studien aus der Schweiz gibt es hierzu nicht. H&M-Sprecher Teixeira ergänzt, dass die Sicherheitsmassnahmen gegen Diebstahl auch an den Self-Checkout-Kassen gewährleistet seien.

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