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Immer weniger Medien in der Zentralschweiz

Das grosse Zeitungssterben soll an uns vorübergehen!

Ein Bild aus längst vergangenen Tagen. So sah es 1981 beim Luzerner Tagblatt aus. Heute brauchts für all das nur noch einen Laptop. (Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Zeitungen kommen und gehen. zentralplus ist seit rund zehn Jahren eine Konstante in der Medienlandschaft. Und das soll auch so bleiben, findet Gastro-Redaktor und Leseratte Chris Bucher.

Ich erinnere mich gut. Als kleiner Bub bekam ich alle zwei Wochen ein Magazin über Dinosaurier ins Haus geliefert. Die Hefte habe ich gieriger verschlungen als ein T-rex seine Beute. Nach 104 Ausgaben war Schluss. Magazin eingestellt. Ein paar Jahre später abonnierte ich ein Game-Magazin, das monatlich über Spiele berichtete, die ich mir als Teenager nicht leisten konnte. Das Heft gibt's heute nur noch online.

Viele Druckerzeugnisse sind in den vergangenen Jahren eingegangen. Von diesem Trend bleiben auch Zeitungen nicht verschont. Alte Fotos zeigen, wie Pendler ihre Gesichter hinter aufgeklappten Zeitungen verstecken. Heute starren wir auf unsere Smartphones und informieren uns so über das aktuelle Geschehen. Eine moderne Marlene Dietrich würde in diesen Tagen wohl singen: «Sag mir, wo die Zeitungen sind. Wo sind sie geblieben?»

Ein Hoch auf die Digitalisierung

Tja, gute Frage. Die Antwort ist vielschichtig. Vieles lässt sich aber in einem Wort zusammenfassen: Digitalisierung. Zeitungen und Magazine zu drucken, kostet Geld. Lagerung und Vertrieb kosten ebenfalls Geld. Und nicht zu knapp. Darum wählten in den vergangenen Jahren viele den Weg ins papierlose Internet. Ausserdem lebt die Medienwelt vom Kredo: «De Schneller isch de Gschwinder.» Und da haben gedruckte Tageszeitungen oft ein Nachsehen. Warum sollte ich die Nachrichten von heute erst morgen gedruckt lesen, wenn ich sie innert Sekunden online abrufen kann?

Das führt dazu, dass sich das Leseverhalten der Leute grundlegend geändert hat. Statt gemütlich unsere Zeitung beim Morgenkaffee oder im Zug zu lesen, besorgen wir uns die Infos heute aus einer von unzähligen Online-Plattformen. Hier gibt es eine vermeintlich grosse Vielfalt, oft stecken aber hinter verschiedenen Zeitungen und News-Portalen dieselben Medienhäuser wie die TX Group, CH Media oder Ringier. Das war nicht immer so.

Früher war mehr Vielfalt da

Wir werfen einen kurzen Blick in die Zeitungsgeschichte von Luzern. Wo im vergangenen Jahrhundert mit dem «Vaterland» als konservative Zeitung, dem «Luzerner Tagblatt» als liberales Pendant dazu und dem parteiunabhängigen «Luzerner Tages-Anzeiger» (der später «Luzerner Neueste Nachrichten» heissen wird) gleich drei Blätter für Meinungsbildung sorgten, war es ab 1996 nur noch eine. Nachdem sich 1991 erst «Vaterland» und «Tagblatt» notgedrungen zur «Luzerner Zeitung» zusammenschlossen, wurde diese 1996 mit der «Luzerner Neueste Nachrichten» zur «Neuen Luzerner Zeitung» verschmolzen – in Zug mit den «Zuger Nachrichten».

«Es hat sich herausgestellt, dass in einem so kleinen Raum wie Luzern zwei Zeitungen wirtschaftlich nicht überleben können.»

Michael Ringier im Jahr 1995

Das kam nicht überall gut an. Dass von drei Tageszeitungen noch eine übrig blieb, sorgte beispielsweise für massive Kritik seitens des späteren Zuger Nationalrats Josef Lang. «Eine Monopolzeitung in einer grossen Gegend zu haben, ist etwa gleich schlimm, wie nur eine Partei zu haben», sagte er am 19. September 1995 in der SRF-Sendung «Schweiz Aktuell» (zentralplus berichtete).

Der Grund für den Zusammenschluss? Ein zu kleiner Markt. Der damalige LNN-Besitzer Michael Ringier äusserte sich in einem Beitrag von «10 vor 10» vom 14. September 1995: «Es hat sich herausgestellt, was sich in anderen Märkten auf der ganzen Welt auch herausgestellt hat: Dass in einem so kleinen Raum wie Luzern zwei Zeitungen wirtschaftlich nicht überleben können.» Für die Meinungsbildung ist es aber entscheidend, dass es mehrere Player am Markt gibt. Man will ja auch nicht jeden Tag dasselbe Gericht auf dem Teller haben.

Wie der Zusammenschluss der Zeitungen damals beurteilt wurde, siehst du im SRF-Videobeitrag vom 14. September 1995.

Quo vadis Regionalzeitungen?

Der Überlebenskampf ist für Lokalmedien durch die Digitalisierung nicht einfacher geworden. Und Luzern ist kein Einzelfall. Heute ist das Feld in der Zentralschweiz – und darüber hinaus – ziemlich ausgedünnt. Zwar gab es in den umliegenden Kantonen mit der «Zuger Presse», «Luzern heute» und der «Obwalden und Nidwalden Zeitung» ONZ in der Vergangenheit immer wieder Versuche, unabhängige Regionalblätter auf die Beine zu stellen. Bei Versuchen blieb es denn auch, die meisten davon wurden nach relativ kurzer Zeit eingestellt oder von der heutigen CH Media übernommen.

Heute veröffentlicht die LZ Medien AG, die ihrerseits zu CH Media gehört, eine Reihe von Regionalausgaben in den Kantonen Luzern, Zug, Nidwalden, Obwalden, Uri und mit dem «Bote der Urschweiz» auch ein Blatt im Kanton Schwyz. Zum selben Unternehmen gehören «Tele 1» und «Pilatus Today». Pac-Man-artiges Einverleiben oder Wegrationalisieren von Regionalmedien ist üblich geworden. Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Wer nicht bei den Leuten bleibt, geht ebenfalls unter. Und wenn der Geldfluss versiegt… man kann es sich denken.

Danke für nichts, Silicon Valley

Stichwort Geld. Werbung ist der nächste Prüfstein für die Medienbranche. Werbeeinnahmen sind relevant für das Überleben von Zeitungen. Das war schon früher so. Damals haben Unternehmen direkt bei den Zeitungsverlagen inseriert. Die Bäckerei um die Ecke, der Schuhmacher in der Altstadt oder eine Staubsauger-Firma – die Einnahmen gingen an die Zeitung. Heute, wo ein Grossteil der Werbung online angezeigt wird, sahnen vor allem Techgiganten wie Google, Apple, Amazon und Facebook ab. Gemäss dem Medienforschungsunternehmen «Publicom» haben solche Firmen im Jahr 2019 dank Schweizer Werbeeinnahmen rund 1,6 Milliarden Franken generiert – rund 40 Prozent der Werbeerlöse in der Schweiz. Damit nehmen die Konzerne fast gleichviel Werbegelder ein, wie alle Schweizer Presse- und Fernsehanbieter zusammen.

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Verwendete Quellen
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