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Eine Torte unter Denkmalschutz

Zuger Kirschtorte: Wie es möglich ist, sie zu schützen

Ein Exemplar von Treichler, dem Erfinderhaus der Zuger Kirschtorte. (Bild: Ueli Kleeb)

Die Zuger Kirschtorte ist beliebt und steht sozusagen unter Denkmalschutz: Nur Hersteller, welche die Torte im Kanton Zug gemäss bestimmten Kriterien herstellen, dürfen diese auch «Zuger Kirschtorte» nennen. Doch wie kann eine Torte überhaupt unter Schutz gestellt werden? Es ist kompliziert.

Die alkoholhaltige Süssigkeit erlebt vor über 100 Jahren ihre Geburt. Heiri Höhn erfindet 1915 an der Alpenstrasse 7 in Zug die Kirschtorte. Der Konditor wird von den Kirschwassern und entsprechenden Brennereien in der Nachbarschaft inspiriert. Ein Merkmal ist denn auch nicht nur der süsse Geschmack, sondern auch der Alkoholgehalt. Die Spezialität erlangt über die Jahrzehnte Bekanntheit über die Stadt-, Kantons- und Landesgrenzen hinaus. Um dieses süsse Kulturgut zu bewahren und zu schützen, wird 2010 die Zuger Kirschtorten Gesellschaft (ZKTG) gegründet.

In bester Gesellschaft mit der St. Galler Kalbsbratwurst

Die Gesellschaft reicht beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) ein Gesuch ein, damit die Zuger Spezialität als Geschützte Geografische Angabe (GGA) geschützt wird. Am 24. März 2015 trägt das BLW das Produkt ins Register ein. Dort findet man auch andere Schweizer Produkte wie die St. Galler Kalbsbratwurst oder Appenzeller Mostbröckli. Auch Zuger Kirsch/Rigi ist in der Liste zu finden, jedoch als Geschützte Ursprungsbezeichnung (GUB). Hier sind die Vorgaben sogar noch strenger als bei der GGA.

Beim Eintragungsgesuch für eine GGA müssen folgende Bedingungen erfüllt sein, die vom BLW überprüft werden:

  1. Bei der zu schützenden Bezeichnung muss es sich um ein einzelnes Erzeugnis handeln.
  2. Die zu schützende Bezeichnung muss sich auf ein Produkt mit einer geografischen Herkunft beziehen (also z. B. «Zuger Kirschtorte»).
  3. Die Bezeichnung muss von einer Produzenten- und/oder Verarbeitergruppe benutzt werden.
  4. Sie muss ein Erzeugnis bezeichnen, das sich klar von anderen der gleichen Gruppe unterscheidet.
  5. Die Bezeichnung muss bekannt sein oder ein Erzeugnis bezeichnen, das einen geschichtlichen und/oder traditionellen Charakter hat.

Klare Spielregeln

Was bedeutet der Schutz? Die geschützte geografische Angabe (GGA) bezeichnet Erzeugnisse, die mit ihrem Herkunftsgebiet verbunden sind. «Die Bezeichnung ‹Zuger Kirschtorte› darf nur von Herstellern verwendet werden, welche die im Pflichtenheft festgelegten Bedingungen erfüllen», sagt Oliver Isler vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW (Fachbereich Qualitäts- und Absatzförderung). Der öffentlich-rechtliche Schutz umfasst nicht nur den Namen der Bezeichnung. «Er gilt sowohl in der Schweiz wie in den Ländern, wo der Schutz der geografischen Bezeichnung anerkannt ist, zum Beispiel durch bilaterale Verträge», führt Oliver Isler weiter aus.

Das vierseitige Pflichtenheft beschreibt unter anderem genau die Zutaten, das Aussehen und den Herstellungsprozess. So steht, dass der Alkoholanteil mindestens vier Gewichtsprozente betragen muss. Für die Herstellung dürfen nur Zuger Kirsch oder Rigi Kirsch verwendet werden. Als Seitendekoration werden geröstete Mandelscheiben genannt. Das Zusammensetzen der Torte hat ausschliesslich von Hand zu erfolgen. Ausserdem muss die Torte im Kanton Zug hergestellt werden.

Nur Kirschtorten aus dieser Region dürfen «Zuger Kirschtorte» genannt werden. (Bild: zvg)

Früher war weniger Alkohol drinnen

Bei der Anmeldung ist auch der historische Zusammenhang des Produkts nachzuweisen. Darum kümmert sich nach der Gründung der Zuger Kirschtorten Gesellschaft Bruno Heini, Inhaber der Konditorei «Treichler, Erfinderhaus der Zuger Kirschtorte». Für das Erfindungsjahr 1915 findet er Nachweise in Form von Werbetexten. «Im Frühling warb Konditor Heiri Höhn erstmals für das Produkt, im Herbst dann mit dem Text ‹Zuger Kirschtorte mit Zuger Kirsch›», sagt Heini.

Bei seinen Recherchen kann er die Nichte von Heiri Höhn interviewen. Auch für sie ist das Erfindungsjahr plausibel. Die Historie der Zuger Kirschtorte würdigt schliesslich auch das BLW und weist darauf hin, dass die Torte mit ihrem rautenförmigen Muster in der Puderzuckerschicht unverwechselbar ist.

Das GGA-Pflichtenheft basiert auf dem Originalrezept von 1915. «Die Torte hatte damals noch nicht die Höhe, wie man sie heute kennt. Das ist der Warenknappheit im Ersten Weltkriegs geschuldet. Vieles war knapp, deshalb hat man überall gespart, auch bei der Tortengrösse», sagt Heini. Ausserdem hat man in den ältesten Rezepten Vanillepulver verwendet, das ist bei der GGA nicht mehr erlaubt. Erstaunlich, was Heini bei der Recherche auch noch entdeckt hat: Die Zuger Kirschtorte hatte zur Zeit der Erfindung «erheblich» weniger Kirsch als heute. Man gönnt sich in modernen Zeiten offenbar mehr.

Zwei heikle Momente während der Produktion

Der erfahrene Konditor sagt, dass die Herstellung der Zuger Kirschtorte trotz Pflichtenheft nicht ganz trivial ist. So darf der Biscuitboden nicht zu porös sein. Sonst bleibt der Kirschlikör in den kleinen Luftlöchern nicht hängen.

Die zweite Herausforderung ist die Crème. Die Temperatur ist entscheidend bei der Verwendung. Sie muss geschmeidig sein, sonst verbindet sie sich nicht gut mit dem Rand. Die Folge: Beim Schneiden oder spätestens beim Genuss der Torte fällt der Rand ab. Ein Zeichen, dass die Crème zu kühl war. «Einem guten Konditor muss man das nicht erklären. Trotzdem sieht man diesen Fehler oft», sagt Heini.

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Im Fokus stehen Unternehmer und Entwickler. Autor Lars Rominger aus Menzingen, selbst ein Erfinder, Wissenschaftler und Fachbuchautor, zeigt die Menschen hinter einer Idee und stellt spannende Projekte vor.
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