eat’n drink
Blog
Restaurant-Test

«Vordergeissboden» Zug: Kann ein Stück Fleisch geil sein?

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Schweizerisch
  • Ambiente Rustikal
Das Gebäude dürfte den meisten Zugern bekannt sein: der 1949 erbaute «Vordergeissboden» auf dem Zugerberg. (Bild: hch)

Für diesen Restaurant-Test reisten wir auf den Zugerberg, in den «Vordergeissboden». Hier wird im Jahr 2024 gekocht wie in den guten alten Zeiten: mehr als anständige Portionen zu bodenständigen Preisen. Fragt sich nur: Können Älplermagronen und Brasato so «geil» sein, wie die Bedienung dies verspricht?

Auf dem Zugerberg kam es in letzter Zeit zu verschiedenen Wirtewechseln oder temporären Schliessungen. Jüngstes Beispiel: Der «Pfaffenboden», wo das Wirtepaar nach vier Jahren Ende 2024 einen Schlussstrich zieht (zentralplus berichtete).

In dieser unruhigen Zeit aber blieb es in einem der Zugerberg-Lokale bemerkenswert stabil: dem «Vordergeissboden». Hier amtet seit 2016 Peter Biberger. Wobei dies nur teilweise korrekt ist. Zwar übernahm er für fünf Jahre den «Freihof» in Knonau, zuvor aber lauteten seine Stationen «Frohsinn» in der Stadt Zug – und eben «Vordergeissboden». Insgesamt also nun 18 Jahre.

Reservation sollte sein

Besucht haben wir den Zuger Hausberg an einem schönen Frühlingsabend. Obwohl an Wochentagen in Ausflugsgebieten nicht allzu viele Gäste erwartet werden, sind wir froh um unsere Reservation. Doch zu den Gründen etwas später. Erst einmal erfreuen wir uns am Apéro auf der noch winterlich spröde gehaltenen Terrasse. Bei den Weinen muss man sich etwas einschränken, offen stehen nur gerade je ein Rot- und ein Weisswein (Féchy) zur Auswahl. Das mag vielleicht an der frühen Jahreszeit liegen.

Die Essensbestellung geben wir bei den letzten Sonnenstrahlen auf, eine Dreiviertelstunde später werden wir zur Vorspeise ins Säli gerufen. Wir haben es für uns alleine, auch in der Gaststube sind an diesem Abend keine Gäste zu sehen. Aus diesem Grund sei man auch dankbar für Reservationen, da die Küche früher Feierabend mache, wenn das Lokal leer bleibe, meinte der Wirt am Telefon.

Die besten Älplermagronen weitherum?

So aber hat man für mich einen Nüsslisalat zubereitet. Interessanterweise wird er auf dem Berg mit einer besonderen Ei-Zubereitung serviert: gerührt statt gehackt, wie James Bond sagen würde, lauwarm serviert und mit Kräutern gewürzt. Durchaus interessant, die klassische Salat-Ei-Variante, die nicht so sehr ans Frühstück erinnert, gefällt mir dennoch besser. Die Sauce hingegen ist leicht und französisch und traditionell gut. Wahlweise gäbe es den Salat auch mit Speck, doch der kommt bei mir nachher.

Das Nachher sind die Älplermagronen. «Meine Stammgäste sagten mir, ich würde die besten Älplermagronen weitherum machen», sagte Biberger vor einigen Jahren (zentralplus berichtete). Da machen wir gerne die Probe aufs Exempel. Der erste Blick auf den Teller zeigt: Es empfiehlt sich, das Gericht erst nach einer ausgedehnten Tour auf den Wildspitz zu bestellen, denn die Portion richtet sich eher an Wandervögel oder Wildheuer als an Bürohengste. Obwohl ich mich tapfer durch die Schichten aus gerösteten Zwiebeln, Käse, Speckwürfeli, Teigwaren und Kartoffeln kämpfe, bleibt am Ende ein anständiger Rest übrig.

Dass es nicht mehr ist, liegt vor allem am Servierten, nicht am Hunger. Die bald 20 Jahre im Vordergeissboden boten Biberger offenbar ausreichend Gelegenheit, eine perfekte Älplermagronen-Variante zu entwickeln: Ein nicht zu rezenter Käse, der das Gericht nicht überdeckt, sondern der zusammen mit dem Rahm eine schöne Würze verleiht, dazu kommt eine gute Balance aus Kartoffeln und Magronen.

Vor allem wurde die Pasta nicht wie in den Skihütten so häufig zu Tode gekocht. Hier kommt sie mit einem Hauch Biss, ohne gleich unpassend al dente zu bleiben. Die Speckwürfeli geben einen zusätzlichen Kick, das Gericht würde aber auch fleischlos funktionieren. Dafür sorgen nur schon die nicht wenigen, nicht zu lange gerösteten Zwiebeln. Serviert werden die Älplermagronen mit hausgemachten, eingelegten Apfelschnitzen, die noch ganz schwach an die letzten Weihnachten erinnern.

Brasato hielt das Versprechen

Einen Kampf ficht auch mein Gegenüber aus, und zwar mit seinem Rindsschmorbraten. «Der Chef hat einen wirklich geilen Brasato zubereitet», schwärmte die Bedienung bei der Bestellung. Und auch dieser Kampf wurde zu unseren Gunsten entschieden, es wurde alles verputzt. Zumindest vom Braten, denn wenn zu einem Brasato diese rund ums Essen immer häufiger gehörte Begrifflichkeit passt, dann zu diesem: unglaublich mürbe, mit Röstaromen und im wohl besseren Wein gekocht, als er sich mit dem offenen «Col di Sasso» in meinem Rotweinglas befindet. Sellerie und Rüebli runden die Sauce ab.

Dazu gibt es mit Broccoli, Spargeln, Rüebli und Fenchel vier verschiedene Gemüse. Man spürt wieder die alte Schule der Küche, das Grünzeug durfte während des Kochvorgangs Aromen entwickeln und wurde nicht nur ein paar Minuten durch das Salzwasser gezogen, wie dies einige Rohkostanhänger so gerne predigen. Einzig eine halbe Schüssel Butternudeln fand den Weg zurück in die Küche, man könnte sich das Gericht stattdessen auch mit Polenta oder Kartoffeln vorstellen.

Zurück in die Vergangenheit

Das Ende des Zuger «Frohsinns» in den 90er-Jahren, Bibergers einstiger Wirkungsstätte, wurde weitherum bedauert. Daher war der Besuch auf dem Zugerberg auch eine erfreuliche Rückkehr in die Vergangenheit: klassische Schweizer Küche auf hohem Niveau, frisch und zu fairen Preisen: Da kommt man gerne wieder mal vorbei.

Bewertung

Preis/Leistung
***** von *****
Da vergeben wir für einmal gerne das Punktemaximum. Der grüne Salat kostet 10.50, der Nüsslisalat mit Rührei 14.50 Franken. Die Portionen waren fast unverschämt gross, gekocht wurde frisch. Die Älplermagronen mit Apfelschnitzen – auf der Rechnung als «Product 10001» geführt – kosteten 26.50 Franken, der Brasato mit Beilagen 36.50 Franken. Ebenso auf der Karte finden sich beispielsweise ein Wiener Schnitzel, Stroganoff, Kalbsgeschnetzeltes Zürcher Art oder Kutteln, als Spezialität sind fünf unterschiedliche Fondues ab 28.50 Franken aufgeführt. Einige Gerichte werden mit einem Preisabschlag auch während des Tages angeboten. Die Weinkarte führt eher höherklassige Gewächse.

Service
**** von *****
Gut Ding will Weile haben – was Dichter Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen schon 1669 schrieb, gilt bis heute, auch im Vordergeissboden. Peter Biberger kündigte bei seiner Rückkehr auf den Zugerberg an, dass es in der Küche schon einmal etwas länger dauern könne. Dafür sei alles frisch. Beides können wir nur bestätigen. Obwohl wir an diesem Abend alleine waren, dauerte es von der Bestellung bis zum Service gegen eine Stunde – was uns allerdings nicht weiter störte. Der Service selbst war aufmerksam, auf mögliche Varianten und Empfehlungen wurde hingewiesen. Bei den offenen Weinen würde man sich eine grössere Auswahl und genauere Angaben wünschen.

Ambiente
*** von *****
Der «Vordergeissboden» ist in einem Zuger Bauernhaus aus dem Jahr 1949 zu finden. Die Einrichtung ist so, wie man dies in einer Bergbeiz erwartet: In der Gaststube dominiert Holz, sei es an der eher tiefen Decke oder an den Wänden. Alte Tourismus-Plakate zieren die Wände, und frische Blumen sorgen auf den Tischen für Frühlingsstimmung. Eleganter geht es im Säli mit dem alten Kachelofen und 15 Plätzen zu und her, während die Terrasse bei unserem Besuch im Winterschlaf schlummerte.

Onlinefaktor
** von *****
Die Website ist sehr übersichtlich und thematisiert noch Wild, die Karten sind aber vorhanden und aktuell. Online-Reservationen werden nicht angeboten, und die Anfrage übers Kontaktformular blieb unbeantwortet. Es sollte mittags und abends reserviert werden, und dies macht man hier noch nach alter Schule: per Telefon.

Wie üblich gibt es die Rechnung auch im «Vordergeissboden» zuletzt.
Wie üblich gibt es die Rechnung auch im «Vordergeissboden» zuletzt.

Vordergeissboden

Adresse:
Vordergeissboden 5
6300 Zugerberg

Telefon:
041 711 05 41

E-Mailadresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Sonntag bis Dienstag 10.00 bis 18.00 Uhr
Mittwoch bis Samstag 10.00 bis 20.30h (Küche). Bei Regenwetter ohne Reservationen ab 18.00 geschlossen.
Karte
Themen
eat’n drink
Blog
So isst zentralplus – Vom Gourmet bis zum Fast-Food – der eat’n drink-Blog befasst sich mit alltäglichen und besonderen gastronomischen Erlebnissen aus den Kantonen Zug und Luzern.
Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon