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Restaurant-Test

«Bündnerland» Luzern: Zusatzleistungen wie im Ferienflieger

  • Bewertung★★★★★★★★★★
  • Preiskategorie●●●●●●
  • Küche Schweizerisch
  • Ambiente Rustikal
Seit zwei Jahren empfängt an der Luzerner Eisengasse das Restaurant «Bündnerland» seine Gäste. (Bild: hch)

Für einen Bündner Abend machten wir uns auf in die Luzerner Altstadt. Neben Capuns und Burger gab es im Restaurant Bündnerland ein rustikales Fondue, unser erstes dieses Jahres. Etwas erstaunt waren wir über die all die kostenpflichtigen Zusatzleistungen, ein Erlebnis fast schon wie im Ferienflieger.

Schweizer Bergregionen schafften es schon immer, ihre deftige Wohlfühlgastronomie in die Städte zu bringen. Bekannte Beispiele sind das Tessin, aber auch das Wallis, das etwa mit der Walliserkanne (heute «Taube») oder mit dem «Walliser Spycher» (später «Fondue House» und «Swiss House») in der Leuchtenstadt vertreten war.

Just im Gebäude des früheren «Spychers» empfängt seit zwei Jahren das «Bündnerland» seine Gäste. Die Walliser Küche musste also Spezialitäten aus dem grössten Schweizer Kanton Platz machen. Käsig ist es aber geblieben, was auch weniger sensible Nasen beim Betreten des Lokals bemerken dürften. Einige der hier servierten Gerichte finden sich auch im «Central» in Kriens, das Besitzer Fabian Dumitrache im Juni ebenfalls übernommen hat (zentralplus berichtete).

Salatfrei auf direktem Weg zum Hauptgang

Im Grunde würde man um diese Jahreszeit in einem klassischen Bündner Restaurant ja Wild erwarten. Eine saisonale Karte bietet das «Bündnerland» in Luzern jedoch nicht an. Verständlich, denn Touristen, die einen Teil der Gäste stellen, möchten wohl primär Klassiker probieren. Wir tun es ihnen an unserem Testabend gleich.

Aber war da nicht noch was? Genau: Ein Salat im Voraus geht immer. Auf der Karte werden zwei verschiedene Grössen (7.60 und 13.20 Franken) angeboten. Bei der Bestellung rät uns die Bedienung aber davon ab. Die Gerichte seien auch ohne Salat ausreichend und das Fondue mache sowieso mehr als satt, auch ohne Grünzeugs. Überraschend, denn gerade Capuns lassen mich fast immer mit einem Hungergefühl zurück. Doch so beraten, geben wir uns geschlagen und springen direkt zum Hauptgang.

Capuns-Suppe

Für den heutigen Abend haben wir uns fachkundige Verstärkung organisiert, ein ehemaliger Prättigauer Skilehrer erteilt uns in Sachen Bündner Küche Nachhilfe: «Da Capuns so aufwendig zuzubereiten sind, verstehe ich, dass sie häufig tiefgefroren eingekauft werden. Die Qualität ist in der Regel gar nicht so schlecht.» Allerdings müssten diese leicht angebraten werden, um das volle Aroma zu entfalten. «Und hier kommen sie wohl aus dem Steamer oder der Mikrowelle.»

Ganz falsch sei aber die Mehlsuppe, in der sie in Luzern schwimmen. «Das kenne ich anders, mit viel Käse.» Wobei Mehlsuppe nicht ganz korrekt ist, es handelt sich um eine eigens kreierte Heusauce. Zur Ehrenrettung des Luzerner Lokals sei ausserdem erwähnt, dass es nicht das «richtige» Capuns-Rezept gibt, sondern viele unterschiedliche. Mit Mangold, Spinat, Bündnerfleisch, Rohschinken oder gar Landjäger: Das Gericht wird auch in Graubünden ganz unterschiedlich und sehr kreativ zubereitet. Hier war der Spätzliteig mit Speck, Salsiz und Rohschinken gefüllt. Von einer Capuns-Suppe hat aber auch unser Skilehrer noch nie gehört.

Erst der Kirsch bringt die Würze

Flüssig geht es derzweil auch auf der anderen Tischseite zu. Der Käse des Fondues stammt von der Molki Stans, zugesetzt werden bei der rustikalen Variante Speck und Zwiebeln – das erste Fondue der Saison darf schliesslich etwas ganz besonderes sein. Trotz – oder vielleicht auch gerade wegen – dieser eher würzigen Zutaten erscheint uns das Gericht eher fade.

Gut, dauert es nicht allzu lange, bis der Kellner mit der Kirschflasche erscheint. Wir haben wohl aus Versehen die Kindervariante erwischt und noch dazu vergessen, die kostenpflichtige Option «Käsefondue-Caquelon mit Knoblauch eingerieben» für 1.80 Franken zu bestellen. Ebenfalls zwingend mit zum Fondue gehören für uns Essiggurken und Kartoffeln. Beides ist für einen Aufpreis von je 3.90 Franken erhältlich. Das sind ja fast schon so viele zusätzliche Optionen wie im Ferienflieger.

Wie man das Käsegericht im Bündnerland isst, wusste auch unser Skilehrer nicht mit Bestimmtheit. Wir halten uns aber lieber an die bekannte Innerschweizer Variante mit Schuss und Knoblauch. Serviert wurde das Fondue mit Brot. Die erste Vermutung war, dass das sehr ungleich geschnittene Schwarzbrot leicht angeröstet sein könnte – wir einigten uns aber darauf, dass es wohl irgendwann im Verlauf des Tages geschnitten wurde. Und noch ein Detail: Anders als in vielen Touristenlokalen sind die Fondues im «Bündnerland» erst ab zwei Personen erhältlich.

Bündner Rohschinken im Burger

Ein Blick an die Nebentische zeigt, dass Burger auch im «Bündnerland» Hochkonjunktur geniessen. Hier kommt er in einem Maisbrot mit Rohschinken, Käse und einer Eschalottensauce. Klingt gut, doch die Innereien sind bescheidener, als es die Aufzählung vermuten lässt. Zwischen dem Brot findet sich nun aber immerhin noch das Salatblatt, das uns vom Kellner vorenthalten worden ist – und das zusammen mit zwei, drei Artgenossen eigentlich in unseren Mägen ganz gut Platz gefunden hätte.

So richtig warm wurden wir mit dem Burger (32 Franken) dennoch nicht, was vermutlich daran lag, dass die Bestellerin nachmittags noch anderweitig kulinarisch unterwegs war. Zusammen mit dem Burgerpatty tat sie sich lieber an den Röstipommes gütlich, einer etwas öligen Stäbchen-Rösti. Zurück blieb das Brot.

Fazit unseres Skilehrers: Zukünftig wird er sein kulinarisches Heimweh wieder auf den Pisten im Bündnerland stillen. Denn Zuhause schmeckt es halt doch am besten.

Bewertung

Preis-Leistung
*** von *****
Die Karte ist recht umfassend, enthält aber keine saisonalen Spezialitäten. Dafür sind die Bündner Klassiker Capuns, Pizokel und Maluns erhältlich (jeweils 32 Franken); wir hätten sie gerne als Trio auf einem Teller bestellt. Auch Chäsgetschäder oder eine Bündnerplatte, zum «Bündner Flade» umgetaufter Flammkuchen à 25 Franken oder die Gerstensuppe sind erhältlich. Verschiedene Gerichte sind darüber hinaus in einer vegatarischen oder veganen Variante aufgeführt. Fondues sind neben der klassischen Variante auch mit Chili, Kräutern und Speck/Zwiebeln erhältlich.

Im Glas hatten wir einen Merlot Melodia aus dem Tessin. Anders als es der Name (und die Karte) vermuten lässt, handelt es sich dabei um eine Assenblage aus Merlot, Cabernet Sauvignon, Cabernet Franc und Carminoir Trauben. Die vom «Bündnerland» vorgenommene Verdoppelung des Handelspreises ist tief, der Wein wurde sehr kühl serviert.

Service
*** von *****
Der Keller war an diesem Abend alleine – und überrascht über unser Erscheinen. Tatsächlich hatten wir fast eine halbe Stunde Verspätung, was wir bei der Reservation aber vermerkt hatten. Aufgrund eines No-Shows fanden wir dennoch einen Platz. Ungewöhnlicherweise verzichtete die Bedienung auf Upselling, was uns in diesem Fall um einige Vitamine brachte. Die Hauptgänge benötigten etwas Zeit, die Bedienung war aufmerksam. Der zusätzliche Kirsch im Fondue wurde nicht verrechnet.

Ambiente
*** von *****
Auf drei Stockwerken werden 60 Sitzplätze angeboten, an diesem Abend wurde nur im Erdgeschoss bedient. Die neue Einrichtung ist traditionell, die Balken tragen noch Walliserdeutsche Inschriften der Vorgänger. Man sitzt sehr eng, es ist etwas laut. Die Tischdekoration ist eher praktisch und besteht aus einem Kerzchen, abwaschbaren Tischsets und Papierservietten.

Onlinefaktor
**** von *****
Die schön gemachte Website ist übersichtlich und enthält sehr stimmungsvolle Bilder, eine Vorstellung des Betreibers sowie die aktuellen Speise- und Getränkearten. Online-Reservationen sind möglich, es kann zwischen englischer und deutscher Sprache gewählt werden.

Die Rechnung für den Abend wurde uns auch im Bündnerland Luzern präsentiert.
Die Rechnung für den Abend wurde uns auch im Bündnerland Luzern präsentiert.

Bündnerland

Adresse:
Eisengasse 15
6004 Luzern

Telefon:
041 554 13 55

E-Mail-Adresse:
[email protected]

Öffnungszeiten:
Montag – Mittwoch 17:00 Uhr – 22:00 Uhr
Donnerstag – Samstag 12:00 Uhr – 22:00 Uhr Sonntag 12:00 Uhr – 19:00 Uhr
Karte
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