Viele Luzerner und Zugerinnen sind betroffen

Mieter überrennen Schlichtungsbehörde wegen erhöhten Mieten

Wohnen wird in Luzern und Zug ab Herbst für viele Mieterinnen teurer. (Bild: ewi)

Weil der Bund den Referenzzinssatz erhöht hat, steigen für viele Wohnungen die Mieten. Während die Immobilienbranche eher verschwiegen ist, zeigen die Zahlen der Luzerner Schlichtungsbehörde, dass sehr viele Mieterinnen betroffen sind.

Der Mieterverband weist seit Monaten darauf hin, dass im Herbst dieses Jahres viele Mieterinnen mit einem Preisschock rechnen müssen. Für die Mietpreiserhöhungen gibt es drei Hauptgründe: der trockene Wohnungsmarkt, die Inflation und der nationale Referenzzinssatz (zentralplus berichtete).

Vor allem den letzten Punkt bekommen viele Mieter jetzt zu spüren. Denn per 1. Juni hat der Bund den Referenzzinssatz von 1,25 auf 1,5 erhöht. Das ermöglicht den Vermietern, die Mieten um rund drei Prozent zu erhöhen, sofern im Mietvertrag ein tieferer Referenzzinssatz festgehalten ist. Und wie Nachforschungen von zentralplus zeigen, machen die Vermieterinnen von dieser Möglichkeit rege Gebrauch.

Die Immobilienbranche ist verschwiegen

Eine nicht repräsentative Umfrage von zentralplus innerhalb der Immobilienbranche bleibt zunächst wenig ergiebig. Viele der bekannten Immobilienfirmen wollen sich nicht zum Thema äussern. So bleiben mehrere Anfragen unbeantwortet. Grosse Verwaltungen wie Livit oder Arlewo verweisen an die jeweiligen Eigentümer. Eine Abschätzung, bei wie vielen der von ihnen verwalteten Objekte es zu einer Mietzinserhöhung käme, sei nicht möglich.

«Bei rund der Hälfte der Mietverhältnisse werden im Herbst Mietzinsanpassungen vorgenommen. Die Erhöhung beträgt zwischen drei und fünf Prozent.»

Reto Tarreghetta, Geschäftsführer Luzerner Pensionskasse

Doch auch bei den Eigentümern verläuft die Mehrheit der Anfragen von zentralplus ins Leere. Zwei grosse Akteure auf dem Zuger Immobilienmarkt, die Gebrüder Oswald AG und die Zuger Pensionskasse, konnten in der gesetzten Frist aus Kapazitätsgründen keine Rückmeldung geben. Die Alfred Müller AG antwortet, dass sie keine «generelle Erhöhung» der Mietzinsen vornehme. Was das konkret bedeutet, bleibt unklar.

Hälfte aller Mieterinnen könnte betroffen sein

Zwei grosse Immobilienfirmen beantworten die Fragen von zentralplus ausführlicher. Die Antworten lassen darauf schliessen, dass in Luzern und Zug Zehntausende Mieter ab Herbst mehr Miete zahlen müssen.

Die Firma Wincasa verwaltet im Auftrag mehrerer Eigentümer rund 6’000 Wohnungen in den Kantonen Luzern und Zug. Wie Philipp Schoch, Bereichsleiter Bewirtschaftung, würden bei rund der Hälfte aller Mietwohnungen die Mieten erhöht. Er meint dazu: «Es ist uns bewusst, dass die Situation für viele Mietende nicht einfach ist. Neben der Energiekrise, der allgemeinen Teuerung und dem angespannten Wohnungsmarkt kommen nun möglicherweise zusätzliche Mehrkosten in Form von Mietzinserhöhungen auf sie zu.»

«Im Juni sind bei der Schlichtungsbehörde Miete und Pacht etwa 480 Gesuche im Zusammenhang mit Mietzinserhöhungen eingegangen.»

Christian Renggli, Sprecher Luzerner Gerichte

Ein ähnliches Bild bei der Luzerner Pensionskasse. Sie besitzt laut Geschäftsführer Reto Tarreghetta rund 2’200 Wohnungen in der Zentralschweiz. «Bei rund 1’200 dieser Mietverhältnisse werden im Herbst Mietzinsanpassungen vorgenommen. Die Erhöhung beträgt zwischen drei und fünf Prozent, wovon allein drei Prozent auf die Referenzzinsanpassung zurückzuführen sind», so Tarreghetta. Ein drittes Unternehmen, die Marbet Immobilien AG aus Luzern, kündet an, dass es die Mietpreise frühstens per 1. April 2024 erhöhen wird.

Die Luzerner Pensionskasse und Wincasa bieten zwar nur einen kleinen Einblick in die Immobilienbranche. Ihre Antworten lassen aber vermuten, dass rund die Hälfte aller Zugerinnen und Luzerner im Herbst von erhöhten Mieten betroffen sein wird.

Schlichtungsbehörde wird überrannt

Eine weitere Nachfrage bei der Luzerner Schlichtungsbehörde Miete und Pacht bestätigt diesen Eindruck. Dort ist die Zahl der Gesuche im Zusammenhang mit Mietzinserhöhungen in den vergangenen Wochen regelrecht explodiert. «Ja, diese Zunahme ist auch im Kanton Luzern zu beobachten», bestätigt Mediensprecher Christian Renggli. «Im Juni sind bei der Schlichtungsbehörde Miete und Pacht etwa 480 Gesuche im Zusammenhang mit Mietzinserhöhungen eingegangen.» Zum Vergleich: Normalerweise gehen bei der Schlichtungsbehörde pro Monat rund 65 Gesuche ein.

«Wir schätzen es gar nicht, wenn die Mietenden gegen die Hauseigentümer aufgehetzt werden.»

Alex Widmer, Geschäftsführer Hauseigentümerverband Luzern

Dasselbe Phänomen war im Juni auch im Kanton Zug zu beobachten. Dort gingen zuletzt 150 Gesuche wegen Mietzinserhöhungen ein, üblicherweise sind es pro Monat sonst rund 25 Gesuche (zentralplus berichtete). Über die Erfolgsquote der angefochtenen Mieterhöhungen lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen. Klar ist, dass der erhöhte Referenzzins Spielraum für höhere Mieten ermöglicht. Das trifft aber zum Beispiel nicht auf jene Mieterinnen zu, die schon vor dem Juni einen Referenzzins von 1,5 in ihrem Mietvertrag festgelegt hatten.

Hauseigentümerverband befürchtet Hetze gegen Eigentümer

Derweil beobachtet der Luzerner Hauseigentümerverband (HEV) die vielen Gesuche bei der Schlichtungsbehörde mit Sorge. Aus Sicht des Verbands wird der Diskurs zum Thema Mieten aktuell zu einseitig geführt. Mitte Juli hat der Verband darum eine Medienmitteilung verschickt, um sich gegen den Vorwurf zu wehren, dass die Vermieterseite von der Erhöhung des Referenzzinssatzes einseitig profitiert. Man wolle damit einen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten, so das Ziel des HEV.

«Die Eigentümerschaft nimmt nicht einfach mehr ein, sie hat entsprechend höhere Belastungen durch höhere Zinsen und Betriebskosten», lässt sich Geschäftsführer Alex Widmer in der Mitteilung zitieren. Die Erhöhung der Mietzinsen folge einem fairen Mechanismus. Viele Eigentümerinnnen hätten den Mietzins unaufgefordert gesenkt, als der Referenzzins vom Bund nach unten korrigiert wurde. Zudem hätten sich viele Vermieter in den vergangenen Monaten im Zusammenhang mit den gestiegenen Energiepreisen kulant gezeigt und diese nicht einseitig auf die Mieterinnen abgewälzt.

Die Rolle der Vermietenden sei in den vergangenen Jahren sowieso nicht einfacher geworden, weil die Erwartungen und Forderungen der Mietenden gestiegen seien, so Widmer weiter. Dass die erhöhten Mietpreise «automatisch» vor der Schlichtungsbehörde angefochten werden, missfällt dem HEV. «Wir schätzen es gar nicht, wenn die Mietenden gegen die Hauseigentümer aufgehetzt werden», meint Widmer.

Mieterverband konter die Kritik

Der Luzerner Mieterverband kontert die Aussagen des HEV. Geschäftsleiter Daniel Gähwiler sagt auf Anfrage, dass der Verband keine Hetze betreibe. Doch spürt auch er das Thema stark. So hätten in den letzten Wochen 400 zusätzliche Mieterberatungen stattgefunden und 3000 Personen haben mit dem Mietzinsrechner des Verbands eine Mietzinserhöhung überprüft.

In rund der Hälfte der Fälle hat der Verband eine Anfechtung der Mietzinserhöhung empfohlen, weil diese unzulässig sein könnte. Unstimmigkeiten gäbe es vor allem, wenn Eigentümerinnen sogenannte Kostenpauschalen geltend machen und darum den Mietzins erhöhen. «Solche Pauschalen sind gemäss Bundesgericht ohne konkreten Nachweis unzulässig und die Schlichtungsbehörde für Miete und Pacht Luzern anerkennt solche Pauschalen auch nicht an. Die Mieterinnen können somit auf dem Wegfall dieser Pauschale bestehen», sagt Gähwiler. Die Eigentümer müssen bei einer Erhöhung der Miete die effektiv gestiegenen Kosten ausweisen, statt auf eine allgemeine Pauschale zu verweisen.

Zuletzt rät der Mieterinnenverband vielen dazu, eine Mietzinserhöhung aufgrund der knappen Zeit anzufechten. Denn eine Erhöhung muss innerhalb von 30 Tagen angefochten werden, danach ist der neue Mietzins gültig. «Wie wir bereits gesehen haben, lenken einige Verwaltungen bei den Kostenpauschalen rasch ein», so Gähwiler. Und umgekehrt könne auch eine Anfechtung schnell zurückgezogen werden.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Christian Renggli
  • Umfrage bei diversen Immobilienfirmen
  • Medienmitteilung des Hauseigentümerverbands
  • Schriftlicher Austausch mit Daniel Gähwiler
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