Interview mit HSLU-Forscher

Leerstände in Luzern: «Es wurde am Markt vorbei geplant»

Ein Musterschlafzimmer der neuen Axa-Überbauung auf der Reussinsel. Über zehn Wohnungen sind im Gebäude unvermietet. Für Leonard Fister keine Überraschung. (Bild: kok/zvg)

Trotz Wohnungsmangel bleiben neu gebaute Wohnungen in der Stadt Luzern leer. Wie kann das sein? Ein Experte der Hochschule Luzern ordnet ein.

In der Stadt Luzern stehen etwas mehr als ein Prozent der Wohnungen leer. Der Druck auf den Wohnungsmarkt ist enorm, Mieten steigen und die Neubautätigkeit ist seit Jahren erlahmt. Und doch kommen Wohnungen auf den Markt, die frei bleiben.

12 Wohnungen der neuen Axa-Überbauung auf der Reussinsel stehen leer. Die teuerste: 4700 Franken Miete brutto pro Monat (zentralplus berichtete). 24 neue Wohnungen der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern (ABL) an der Bernstrasse sind ebenfalls frei. Kosten: 2100 bis 3500 Franken Bruttomiete (zentralplus berichtete).

So sieht das neue Gebäude auf der Reussinsel aus … (Bild: zvg)
Obere Bernstrasse
… und so die Baustelle an der Bernstrasse vor einigen Monaten: Aktuell leben dort bereits die ersten Mieter. (Bild: kok)

Wie kann das sein, fragt zentralplus Leonard Fister. Er forscht am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern und hat mit einem Team den «Nachfragemonitor» entwickelt, ein Tool zur Beobachtung des Schweizer Mietmarkts. Er ist über die Leerstände in Luzern nicht überrascht.

zentralplus: Trotz Wohnungsmangel in der Stadt Luzern bleiben neue Wohnungen leer. Woran liegt das?

Leonard Fister: Wenn so viele Wohnungen leer stehen, wurde am Markt vorbei geplant. Das kann verschiedene Gründe haben.

zentralplus: Zum Beispiel?

Fister: Es könnte sein, dass die Bauherrschaften das falsche Angebot geschaffen haben – zum Beispiel zu grosse Wohnungen. In der Gesellschaft nimmt Individualisierung zu. Das spiegelt sich auch in der Nachfrage nach Wohnraum. Oder die Mietzinse passen nicht zur Lage der Wohnungen.

zentralplus: Sind die Mieten schlicht zu hoch? 4700 Franken Miete pro Monat ist für die Stadt Luzern enorm.

Fister: Auch das kann sein. Neumieten, insbesondere bei einem Neubau, liegen in der Regel höher als regulierte Bestandsmieten. Daraus resultiert ein Lock-in-Effekt: Leute, deren Wohnung ihren Bedürfnissen nicht mehr entspricht, ziehen trotzdem nicht um. Denn sie können oder wollen keine 20 Prozent mehr Miete im Neubau zahlen.

zentralplus: Oder aber sie ziehen in die Agglomeration oder aufs Land, wo die Mieten tiefer sind.

Fister: Das ist korrekt.

zentralplus: Nutzen die Eigentümer hohe Mietzinsen, um ihre Rendite zu steigern?

Fister: Das denken viele, aber die Sache ist komplizierter. Rendite ist – einfach gesagt – das, was man bekommt, minus das, was man zahlt. Nur: Die Kosten sind stark gewachsen. Selbst Baugenossenschaften haben es heute teils schwer, bei Neubauten Mietzinsen unter der Marktmiete zu erreichen.

zentralplus: Welche Kosten denn?

Fister: Zum Beispiel die Preise für Bauland: Landpreise in zentralen Lagen sind wegen der wachsenden Nachfrage gestiegen. Ausserdem haben die Baukosten stark zugenommen: 2018 lagen die Baukosten im Durchschnitt pro neu gebauter Wohneinheit bei 472'000 Franken, 2023 bei 600'000 Franken. Das ist ein Plus von 27 Prozent.

zentralplus: Viele Bauherrschaften sagen, die staatlichen Regulierungen würden die Kosten in die Höhe treiben.

Fister: Es gibt tatsächlich mehr Regulierungen: beim Lärmschutz, Ortsbildschutz, Gewässerschutz oder Schattenwurf. Bauen wird komplizierter und dadurch teurer. Das Problem sind aber oft nicht die Regulierungen selbst, sondern die grosse Unsicherheit, die bei Entwicklern herrscht.

zentralplus: Haben Sie ein Beispiel?

Fister: Beim Ortsbildschutz gibt es zum Beispiel keine eindeutigen Vorgaben, welcher Fassadentyp oder welche Fensterform bewilligt wird. Es werden individuelle Bewilligungen benötigt, was die Planung für Entwickler verkompliziert.

Nachfragemonitor misst auch freie Wohnungen in Luzern

Der Nachfragemonitor ist ein Werkzeug, das Leonard Fister und sein Team möglichst vielen Leute zugänglich machen wollen. Er dient dazu, die Nachfrage nach Mietwohnungen in verschiedenen Regionen des Landes zu messen und den Markt zu analysieren. Hier geht es zur Website.

zentralplus: In der Politik wird auf schnellere Bewilligungsverfahren gedrängt: Spielt auch das eine Rolle?

Fister: Natürlich. Wenn Bauherrschaften nicht wissen, ob die Bewilligung sechs Monate dauert oder zwei Jahre, ist das eine Unsicherheit, die direkt zu Kosten führt. Wenn die Entwickler von Anfang an wüssten, dass die Bewilligung zwei Jahre benötigt, könnten sie sich darauf einstellen.

zentralplus: Zurück zu den Leerständen in Luzern: Was geschieht nun mit den leeren Wohnungen an der Reussinsel und in der Bernstrasse?

Fister: Für die bereits bestehenden Objekte wird es der Markt regeln müssen. Der Staat kann bei der Festlegung von Mietzinsen im Neubau kaum eingreifen.

zentralplus: Was kann er dann tun?

Fister: Sein Hebel liegt bei effizienten, wenig verzerrenden Regulierungen – und beim Abbau von Unsicherheiten. So könnte er die Kosten im Planungs- und Entwicklungsprozess senken.

Verwendete Quellen
  • Website des «Nachfragemonitors Mietwohnungen»
  • Telefonat mit Leonard Fister, Forscher am Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) der Hochschule Luzern
  • zentralplus/Medienarchiv zu freien Wohnungen und Leerständen in Luzern
  • Daten von Lustat zur Leerwohnungsziffer im Kanton Luzern
  • Wohnungsfinder für Überbauung Bernstrasse
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