Angst vor Enteignung treibt Eigentümer zum Äussersten
3000 Menschen arbeiten im Arbeitsgebiet Bösch in Hünenberg. In Zukunft sollen es 6000 sein. Doch weil die Gemeinde für ihre Pläne Land braucht, wehren sich die Eigentümer rigoros. Sie fürchten Enteignung.
Die Vision klingt attraktiv. Aus dem Arbeitsgebiet Bösch in der Gemeinde Hünenberg soll ein Ort werden mit mehr Arbeitsplätzen, besserem ÖV und mehr Pflanzen. Doch das «Wie» ist ein Pulverfass. Einige Eigentümer laufen gegen die Pläne der Gemeinde Sturm.
Dahinter steht der Verein IG Eigentümer Bösch. Er wurde im Mai 2023 von vier Männern gegründet, denen Land im Arbeitsgebiet gehört. Marcel Portmann ist ihr Präsident und ebenfalls Vizepräsident der SVP Hünenberg. Der Unternehmer sagt: «Unserer Meinung nach sind die vorgeschlagenen Lösungen fürs Bösch zu radikal.»
Eigentümer formieren sich gegen Pläne
Ihrer neuen IG hätten sich seit der Gründung 35 Mitglieder angeschlossen, sagt Portmann. Auch «grössere» Eigentümer mit mehreren Grundstücken seien dabei. Gemeinsam sind sie der Sand im Getriebe der Gemeindemühlen.
Denn Hünenberg will die Entwicklung im Bösch schnell vorantreiben. Heute arbeiten 3000 Menschen und rund 600 Firmen im Arbeitsgebiet. Künftig soll es Raum für 6000 Arbeitsplätze geben. Bösch soll zur Konkurrenz für die Suurstoffi in Rotkreuz und die Papieri in Cham werden.
Motion fordert: Bösch und Ortsplanung trennen
Damit aus der «Vision» Realität wird, muss geplant und gebaut werden. Aktuell überarbeitet die Gemeinde ihre Ortsplanung. Darin sind auch neue Baulinien-, Verkehrs- und Grünzonen für das Gebiet Bösch festgelegt. Noch bis 11. Oktober liegt die Revision öffentlich auf. Im Mai 2025 soll das Volk darüber abstimmen.
Der Verein IG Eigentümer Bösch hat diesem Plan nun einen Stein in den Weg gelegt. In einer Motion fordert er, das Gebiet Bösch aus der Ortsplanungsrevision zu entfernen. Und anschliessend separat zu verhandeln. «Es ist offensichtlich, dass noch zu viele schwerwiegende Punkte und Grundsatzthemen unklar sind.» So gebe es mehr Zeit, um bessere Lösungen zu finden.
Ihr Vorstoss wird bei der nächsten Einwohnergemeindeversammlung im Dezember behandelt. Die Versammlung hat in den vergangenen Jahren 1,2 Millionen Franken Vorkredite für die Bösch-Planung genehmigt. Portmann sagt: «Die Hünenberger müssen sich die Kosten-Nutzen-Rechnung jetzt gründlich überlegen.»
Für Trottoirs müssen Eigentümer Land abgeben
Denn bald sollen die ersten Bauarbeiten starten. Ebenfalls bei der Sitzung im Dezember wird die Versammlung über die 1. Etappe des Betriebs- und Gestaltungskonzepts (BGK) abstimmen. Darin ist geregelt, wie es im Arbeitsgebiet in Zukunft aussehen wird. Kostenpunkt: 2,9 Millionen Franken. Geplant ist Folgendes:
Die drei Bushaltestellen «Bösch» werden in die Mittelachse verlegt und Trottoirs gebaut. In späteren Etappen werden die Gehwege verbreitert und Grünstreifen errichtet. Die notwendigen Flächen müssen die Grundeigentümer der Gemeinde abgeben – per Dienstbarkeit. Das stösst auf Widerstand. «Im Volksmund nennt man das eine kalte Enteignung», sagt Portmann.
Damit die Trottoirs auch genutzt werden dürfen, will die Gemeinde nun die Flächen von einer Arbeits- zur Verkehrszone machen. Den Eigentümern sei zwar eine Entschädigung pro Parkplatz «in Aussicht gestellt worden», erzählt der Präsident. Nicht aber fürs Land selbst. Oder die Verringerung des Grundstückswerts.
Auch von juristischen Schritten sei bereits die Sprache gewesen, sagt Portmann. «Das Wort Enteignung nehmen sie natürlich ungern in den Mund.»
Gemeinde zu Bösch: Enteignung ist nicht geplant
Die Angst vor Enteignung treibt die Eigentümer im Bösch schon lange um. Bei einem Infoabend zu den Bösch-Plänen im August konfrontierten die Anwesenden die Gemeinde damit (zentralplus berichtete). Diese beschwichtigte, konnte die Sorgen aber nicht nehmen.
Auf Anfrage von zentralplus schreibt eine Sprecherin von Hünenberg nun: «Die Gemeinde beabsichtigt nicht, Enteignungen vorzunehmen.» In der 1. Etappe seien zwei Eigentümer betroffen, die Land zur Verfügung stellen. Die Frage, ob sie dafür eine Entschädigung erhalten, lässt die Sprecherin aber unbeantwortet.
IG Eigentümer Bösch: Ziele sind unmöglich
Am Infoabend betonte die Gemeinde vor allem eines: Ja, einige Eigentümer müssten Land abgeben. Dafür dürfen alle künftig höher und mehr bauen. Die sogenannte «Baumassenziffer» wird nämlich fast verdoppelt und die erlaubte Bauhöhe nimmt zu. In den vielen neuen Geschossen sollen die 3000 zusätzlichen Arbeitsplätze entstehen.
Marcel Portmann hält das für völlig überschätzt: «6000 Arbeitsplätze bis 2040 sind unmöglich.» Viele Grundstücke im Arbeitsgebiet seien bereits bebaut. Diese Gebäude würden nicht einfach so abgerissen. Hinzu kommt: «so massive Volumen» liessen sich teilweise gar nicht bauen.
Die Gemeinde schreibt zentralplus, die Arbeitsplätze sollen «über die nächsten Generationen» entstehen. «Es ist jetzt notwendig, die Grundlagen zu schaffen, damit eine Entwicklung ermöglicht wird.» Zum Beispiel eine bessere Erschliessung des Arbeitsgebiets mit dem ÖV und mehr Grünflächen.
Eigentümer nehmen sich Anwälte
Die Eigentümer der IG fühlen sich dabei übergangen. «Die Aufwertung darf nicht auf Kosten des langjährig ansässigen Gewerbes gehen», steht in der Motion. Daher haben sie nun Anwälte eingeschaltet und gehen gegen zwei öffentliche Auflagen vor. Die Ortsplanungsrevision (Teil Bösch) und die Baulinienplanung.
Mit ihrer Motion schicken sie auch eine Warnung an die Gemeinde. «Wir wollen auf das Risiko aufmerksam machen, dass es ein jahrelanger Rechtsstreit wird.» Dieser könnte die Ortsplanungsrevision verzögern, die Hünenberg bis 2025 durchführen muss. So will es der Kanton Zug.
Die Gemeinde Hünenberg betont gegenüber zentralplus, kompromissbereit zu sein. «Die Gemeinde engagiert sich, mit jedem Grundeigentümer eine einvernehmliche Lösung zu finden.» Es seien auch bereits Pläne verändert worden, wie beispielsweise nur ein einseitiges Trottoir auf der Ringstrasse. Deren Ausbau ist Teil einer späteren Etappe.
Bösch: Erfolge und Misserfolge
Für die Gemeinde geht es vor allem um eine bessere Erschliessung des Arbeitsgebiets. Im Vorprojekt wurden die Gesamtkosten für den Strassenbau auf 10 bis 13 Millionen Franken geschätzt.
Ob aus dem Bösch dereinst ein florierender Wirtschaftsstandort wird, steht ein Stück weit in den Sternen: Im Juni 2023 haben die Hünenberger dem Bebauungsplan zwar zugestimmt. Doch dem Landverkauf an eine internationale Velofirma nicht. Die Gemeinde musste das Ergebnis zähneknirschend annehmen (zentralplus berichtete).
Viel hängt nun am Volk – und an der Vehemenz des Widerstands der Eigentümer. Hinzu kommt: Nur weil es neue Strassen gibt, ist Firmenzuzug nicht garantiert. Bereits heute gibt es auf Immobilienwebsites haufenweise leerstehende Gewerbeflächen im Bösch. Der «Vision» steht also noch einiges bevor.
hat Politikwissenschaften, Philosophie und Wirtschaft studiert und an der Universität Luzern zur Mobilität von Gesetzen geforscht. Seit 2022 bei zentralplus, zuständig für die Ressorts Bauen&Wohnen und Verkehr&Mobilität. Parallel absolviert er die «Diplomausbildung Journalismus» am MAZ Luzern.