Mögliche Folgen des Mindestlohns

Wird wegen Mindestlohn das Leben in der Stadt teurer?

Die Juso der Stadt Luzern verlangt mit ihrer Initiative einen Mindestlohn von 22 Franken pro Stunde. (Bild: ber)

Studien aus Basel und Genf zeigen, welche Konsequenzen die Einführung eines Mindestlohns in der Stadt Luzern haben könnte. So haben Firmen in Basel beispielsweise Preise erhöht, aber auch weniger Fachkräftemangel.

Ein Mindestlohn in der Stadt Luzern. Das fordert die Initiative «Existenzsichernde Löhne jetzt» der Juso. Die Vorlage ist heiss diskutiert und wirft viele Fragen auf. Nicht zuletzt: Welche Auswirkungen hat es auf den Wirtschaftsstandort Luzern, wenn Unternehmen plötzlich einen Mindestsalär zahlen müssen?

Das fragen sich auch die FDP, SVP und GLP der Stadt Luzern. Sie haben deshalb beim Stadtrat eine Interpellation eingereicht. In ihrer nun veröffentlichen Stellungnahme verweist die Stadtregierung auf erkenntnisreiche Studien aus Basel und Genf. Zudem sagt der Stadtrat, dass das strategische Wirtschaftsleitbild bei einer Annahme der Initiative nicht über den Haufen geworfen werden müsse.

Am 16. Mai stimmte der Grosse Stadtrat der Initiative «Existenzsichernde Löhne jetzt» zu (zentralplus berichtete). Kurz darauf ergriffen Wirtschaftsverbände und bürgerliche Parteien das Referendum gegen die Vorlage, weshalb die Vorlage vors Volk kommen wird (zentralplus berichtete).

Basel führte vor zwei Jahren den Mindestlohn ein

Auf die Frage der Interpellanten, was die Einführung eines Mindestlohns für den Luzerner Wirtschaftsstandort bedeuten würde, gibt der Stadtrat eine zurückhaltende Antwort. Der mögliche Einfluss sei derzeit nicht abschliessend und ausreichend einschätzbar.

Die erwähnten Studien geben dennoch Anhaltspunkte, was es für die Stadt und ihre Unternehmen für Implikationen haben könnte, wenn sich das Luzerner Stimmvolk für den Mindestlohn von 22 Franken ausspricht. Besonders aufschlussreich ist dabei die Basler Studie. Basel führte im Sommer 2022 einen Mindestlohn ein. Ein halbes Jahr später machte die dortige Universität eine Unternehmensbefragung zur Thematik.

Kosten zahlen oftmals die Kunden

Basler Betriebe haben gemäss der Studie vor allem mit drei Massnahmen reagiert. Erstens wälzten viele Unternehmen die höheren Lohnkosten auf ihre Kundschaft ab, indem sie ihre Preise steigerten. Zweitens wurden Betriebe zurückhaltender beim Einstellen von neuem Personal. Drittens stellten Firmen Investitionen zurück oder reduzierten sie.

Im Übrigen haben Unternehmen häufiger Arbeitsplätze in andere Kantone verlegt. Und sie hätten mehr Prozessoptimierungen durchgeführt, um Personal einzusparen, wie die Studienautoren schreiben. Diese fünf Erkenntnisse erwähnt auch der Luzerner Stadtrat in seiner Antwort.

Mehr Umsatz bei kleinen Unternehmen

Was die Basler Studie gleichfalls feststellte, der Stadtrat den Interpellanten aber nicht schreibt: Unternehmen stellten zwar weniger neues Personal an, Mitarbeiter wurden jedoch auch eher seltener entlassen. Und Basler Betriebe hatten weniger ungedeckten Personalbedarf im Vergleich zu Unternehmen aus ähnlichen Kantonen ohne Mindestlohn.

Direkte und indirekte Messung der Anpassungsstrategien von Unternehmen an den Mindestlohn im Kanton Basel-Stadt. (Bild: Amélie Bank et al; Universität Basel)

Im Weiteren verzeichnete die Studie, dass Kleinbetriebe mit 10 bis 49 Angestellten, welche ihre Preise und ihren Personalbestand nicht veränderten, höhere Umsätze erzielten als vergleichbare Firmen aus Kantonen ohne Mindestlohn. Grössere Unternehmen, die Preise erhöhten und Personal entliessen, machten hingegen tendenziell weniger Umsatz.

Letztlich habe es grosse Unterschiede bei verschieden grossen Unternehmen gegeben, wie die Studie schreibt. Alle ausser Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern hatten beispielsweise weniger ungedeckten Personalbedarf. Vor allem kleine Betriebe reduzierten ihre Investitionen, und insbesondere grosse Unternehmen entliessen Leute.

Nicht mehr Arbeitslose

In Genf gibt es seit 2020 mit 24 Franken den höchsten Mindestlohn der Welt. Die Studienleiter kamen dort zum Schluss: Der Mindestlohn hat keine statistisch messbaren Auswirkungen auf die Arbeitslosenquote. Einzig bei den jungen Erwachsenen war die Quote leicht höher.

Die Entwicklung der Gesamtarbeitslosenquote in den Kantonen Genf und Waadt, wobei es in Waadt keinen Mindestlohn gibt. (Bild: José Ramirez et al; Hochschule für Wirtschaft Genf)

Gemäss dem Luzerner Stadtrat machte der Genfer Arbeitgeberverband überdies die Beobachtung, dass der Mindestlohn zu einer allgemeinen Lohnspirale nach oben geführt hat. «Weil ausgebildete Mitarbeitende nunmehr fast den gleichen Lohn erhalten wie ungelernte, verlangten Erstere ebenfalls höhere Saläre», heisst es in der Stellungnahme.

Wandern Unternehmen in die Agglomeration ab?

Eine Befürchtung, welche die Stadtregierung äussert, aber nicht direkt belegt, betrifft die Abwanderung von Luzerner Unternehmen in angrenzende Gemeinden. Mehrere Entwicklungsgebiete befänden sich an der Gemeindegrenze der Stadt. So etwa Luzern Nord, Süd und Ost. Es scheine plausibel, dass Betriebe über die Grenze hüpfen würden, um von denselben Infrastrukturen zu profitieren, den Mindestlohn aber zu umgehen.

Zwei mögliche Auswirkungen, die der Stadtrat auch noch anführt: Ein Mindestlohn würde bei Unternehmen zu zusätzlicher Bürokratie führen. Die Stadtverwaltung sehe sich gleichzeitig mit einem hohen Kosten- und Kontrollaufwand konfrontiert. Und: Gesamtarbeitsverträge könnten ihre Existenzberechtigung verlieren.

Leitbild bleibt in seiner Form bestehen

Vor wenigen Wochen hat der Stadtrat ein strategisches Wirtschaftsleitbild für die Stadt Luzern vorgestellt. Es soll darlegen, wohin sich die städtische Wirtschaft in den nächsten zehn Jahren entwickeln soll (zentralplus berichtete). Die Einführung eines Mindestlohns ist eine mögliche Rahmenbedingung für das Wirtschaften, welche in der Erarbeitung des Konzepts nicht beachtet wurde.

Entsprechend fragen die Interpellanten, ob dieses Leitbild bei der Annahme der Initiative der Juso zumindest teilweise revidiert werden müsste. Der Stadtrat erachtet das aber nicht als zwingend notwendig. Auch mit Komplikationen in der Umsetzung des Leitbilds rechnet die städtische Exekutive nicht. Allenfalls gelte es, gewisse Aspekte bei der Umsetzung einzelner Massnahmen zu berücksichtigen, so der Stadtrat.

Verwendete Quellen
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