Unternehmerin und Finanzchef packen aus

Warum eben Zug das Herz des Crypto Valley ist

Krypto Krypto Krypto (Bild: zvg)

Das Crypto Valley soll 380 Milliarden Dollar wert sein. Wie die Szene aussieht und warum die Stadt Zug ihr Zentrum wurde: zentralplus geht auf Spurensuche.

Mit der Office Group Zug bietet Mathilde Schmidt-Rhen in einem unscheinbaren Gewerbegebäude Domiziladressen für Firmen inklusive Postannahme an. Klienten können einen Arbeitsplatz mieten oder nur einen Briefkasten. Auch bei Firmengründungen hilft ihr Unternehmen, das für viele Start-ups aus dem Blockchain- und Kryptobereich tätig ist.

Vor sechs Monaten hat die 29-Jährige in der Stadt Zug ihre Firma gegründet. Für ihren Start in die Selbständigkeit sei das «Ökosystem» an Kryptofirmen in der Stadt ein grosser Vorteil, erzählt die Jungunternehmerin am Telefon. «Bei Events trifft man immer bekannte Gesichter und auch potenzielle Kunden.»

Kritik an ihrem Geschäftsmodell versteht sie nicht. «Wenn du ein Kryptoprodukt anbietest und deine Mitarbeiter auf der Welt verteilt sind, macht es keinen Sinn, ein Büro zu haben, wo du immer vor Ort bist.» Gewinnsteuern würden zwar in Zug anfallen, wer sich im Ausland Geld auszahle, müsse dort aber Einkommenssteuer zahlen. Dadurch würden auch die Herkunftsländer der Unternehmer profitieren.

Ihre Klienten beschreibt die Unternehmerin als jung, männlich und europäisch. Einige seien «Developer», die für Kryptofirmen arbeiten würden. «Andere haben privat mit Traden angefangen, gelten jetzt als Trader und gründen aus Steuergründen ein Unternehmen.» Dafür bräuchten sie einen Ort mit guten Rahmenbedingungen. Und fänden ihn in der Stadt Zug.

Zug wurde für Blockchain schnell zum Experten

Das Crypto Valley: Unter diesem Titel hat sich die Blockchain- und Kryptoszene in der Schweiz und Lichtenstein weltweit einen Namen gemacht. Herz und Urzelle der Entwicklung ist die Stadt Zug, in der sich seit dem Jahr 2013 grosse Kryptounternehmen niedergelassen haben.

Das hätte Effekte gehabt, wie der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler (SVP) am Telefon erzählt. «Weltweit tätige Unternehmen haben mit ihrer Ansiedlung im Kanton Zug eine Art Magnetwirkung auf die Blockchain-Start-up-Szene ausgeübt und Zug zum Zentrum des Crypto Valley gemacht.»

Ob der Kanton die Entwicklung gelenkt hat? Nein, sagt der Politiker, der seit 17 Jahren in der Regierung sitzt und die Entstehung des Crypto Valley aktiv mitgestaltet hat. «Wir hatten nie eine explizite Kryptostrategie.» Und doch wurde Zug in Sachen Blockchain schnell zum Experten.

Träumt davon, Bundesrat zu werden: Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler.
Der Zuger Finanzdirektor Heinz Tännler hat den Kryptostandort mitentwickelt. (Bild: zvg)

Im Jahr 2018 erhielt Ex-Bundesrat Johann Schneider-Ammann das White Paper der Blockchain-Taskforce überreicht. Das Papier erläutert, wie die Schweiz die Branche regulieren und fördern könne. Die Übergabe fand im Casino Zug statt, Tännler hatte das Dokument mitgeschrieben (zentralplus berichtete).

Ob der Finanzdirektor, der auch Präsident der Swiss Blockchain Federation ist, die Blockchain verstehe? Er lacht. Natürlich könne er eine Definition zitieren, mehr aber nicht. Sie würde wohl lauten: Eine Blockchain ist eine dezentrale und unveränderliche Datenbank, die Transaktionen verschlüsselt in Blöcken speichert. Digitale Kryptowährungen nutzen diese Technologie.

Als Jungunternehmerin selbständig machen

Dass Politiker wie Heinz Tännler Krypto und Blockchain unterstützen und sogar Branchenevents besuchen, ist für Mathilde Schmidt-Rhen einer der grossen Vorteile der Crypto-Valley-Hauptstadt. «In Zug hat Krypto keine so negativen Konnotationen wie in anderen Ländern.»

Mathilde Schmidt-Rhen ist gebürtige Schweizerin, studierte in Deutschland und Südafrika Wirtschaftspsychologie, bevor sie in den Niederlanden ihren ersten Job bei einer Plattform für afrikanische Gründer fand. «Ich hatte damals viele Kollegen aus Nigeria, gerade in der Start-up-Szene wird das Thema Krypto dort immer grösser.»

Mathilde Schmidt-Rhen kennt viele Start-ups in der Kryptoszene. (Bild: zvg)

Anschliessend ging sie in die Schweiz und begann, als Freelancerin für Freunde Firmen zu gründen. Als sie merkte, dass Zuger Domizilfirmen dafür bis zu 700 Franken pro Monat verlangen würden, erkannte sie eine Marktlücke – und gründete ihre eigene Firma. «In Zug ist es viel einfacher, sich selbständig zu machen, als in anderen Ländern.»

Sechs Monate nach der Gründung ist die Jungunternehmerin zufrieden. Ihre neue Website «ranke» gut auf Google, und sie erhalte laufend neue Anfragen. Denn die Anziehungskraft des Crypto Valley ist nach den schweren Pandemiejahren auf einem neuen Höchststand.

Ethereum ist der grosse Fisch im Crypto Valley

Einmal jährlich veröffentlicht die Investmentgesellschaft «CV VC» mit Hauptsitz an der Zuger Dammstrasse einen Jahresbericht zu den grössten Blockchain- und Kryptofirmen hierzulande. Der «CV VC Top 50 Report» für das Jahr 2023 beinhaltet wahrlich gigantische Zahlen.

Insgesamt soll es in der Schweiz und Lichtenstein 1290 Blockchain- und Kryptofirmen geben – 512 davon liegen im Kanton Zug. Die grössten 50 Firmen bewertet die Gesellschaft mit 382,93 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung. In diesen Wert zählt vor allem der Besitz von Kryptowährungen.

Mit 273 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung stammt der grösste Teil der Summe von Ethereum, einer Blockchain-Plattform und Kryptowährung (Ether). Ethereum ist dank seines charismatischen Erfinders Vitalik Buterin nicht nur zum grössten Zugpferd der Zuger Kryptoszene geworden, sondern auch zu einem Flaggschiff der globalen Blockchain-Bewegung.

Der Programmierer Vitalik Buterin verlegte im Jahr 2017 seinen Wohnsitz von Zug nach Singapur. (Bild: flickr/TechCrunch)

Die Bewertung der Kapitalisierung durch «CV VC» ist allerdings umstritten. Der Finanzblog «Schweizeraktien» schreibt, es stelle sich die Frage, «ob es nicht gewagt ist, das Marktvolumen einer Kryptowährung als Bezugsmassstab für eine Firmenbewertung heranzuziehen».

Denn die Stiftung von Ethereum mit Sitz in der Stadt Zug verfüge lediglich über ein Vermögen von 1,6 Milliarden US-Dollar. Die übrigen 271,4 Milliarden US-Dollar in der Bewertung der Investmentgesellschaft basieren auf dem aktuellen Marktwert der Kryptowährungen im Besitz der Stiftung.

150 Steuerzahlungen in Zug wurden mit Kryptowährungen getätigt

Warum das ein Problem ist? Währungen wie Bitcoin und Ether sind grösseren Wertschwankungen ausgesetzt als andere Finanzprodukte. Nach dem massiven Einbruch Anfang 2022 haben sich beide Währungen allerdings rasch erholt. Bitcoin befindet sich mit einem Preis von rund 61’000 Franken aktuell im Allzeithoch.

Dies weckt auch in der Finanzwirtschaft Gelüste. Seit vergangenem Jahr bietet die Zuger als erste Kantonalbank Anlagen in Kryptowährungen an – grosse Werbeplakate hängen dazu in ihren Schaufenstern. Ein Sprecher schreibt, die Bank wolle eine Brücke zwischen «traditionellem Banking und der Kryptowelt» schlagen.

Kursentwicklung des Bitcoins per Stichtag 31. Mai 2024. (Bild: Google)

Beim Kanton hat die Zahlung mit Bitcoin und Co. längst Einzug gehalten. Seit dem Jahr 2021 können Zugerinnen ihre Steuern in Kryptowährungen zahlen. Zug hat mit dem neuen Angebot für Schlagzeilen gesorgt, die Nachfrage ist allerdings überschaubar. Bis Mai 2023 wurden 150 Transaktionen im Wert von zwei Millionen Franken getätigt.

Abgewickelt werden die Steuerzahlungen mit Krypto durch Bitcoin Suisse, das Unternehmen des Wahlzugers Niklas Nikolajsen. Anfang 2023 machte seine Firma Schlagzeilen, weil sie auf einen Schlag 20 Prozent der Mitarbeiterinnen entlassen hätte, wie der «Blick» berichtete.

Steuervorteile und Investitionen in Forschung

Ebenfalls ein Vorteil ist die Besteuerung im Crypto Valley: Denn die Schweiz, Zypern, Estland, Malta und Slowenien sind die einzigen fünf Länder in Europa, die Kapitalgewinne aus Kryptowährungen nicht besteuern. Frankreich oder Irland dagegen besteuert die Gewinne mit rund 30 Prozent.

Gepaart mit den tiefen Vermögenssteuern und Einkommenssteuern im Kanton Zug, bietet der Kleinkanton steuerlich beste Voraussetzungen, um ein Kryptounternehmen zu gründen. Zudem wird in Zug Geld aus Fundraising nicht besteuert, wenn ein Start-up beweisen kann, dass es zum Aufbau der Firma wichtig war.

Anwälte und Miete mit Kryptowährungen zahlen

Diese Art der Standortpolitik hat Zug aktiv vorangetrieben – auch wenn Heinz Tännler betont, dass es keine Kryptostrategie gebe. Kürzlich hat der Kanton ausserdem angekündigt, für fünf Jahre 40 Millionen Franken in ein neues Blockchain-Institut der Universität und Hochschule Luzern zu stecken (zentralplus berichtete).

Dass in Zug Kryptowährungen als Zahlungsmittel gelten, ist für Mathilde Schmidt-Rhens Klienten ein grosser Pluspunkt. «Diese Firmen haben ihr Kapital oft nur in Krypto. Hier können sie ihre Steuern damit zahlen, ihre Miete und teilweise die Anwälte», sagt sie. Auch sie bietet daher Kryptozahlungen an, allerdings in Stablecoins. Solche Kryptowährungen sind an andere Vermögenswerte geknüpft – und schwanken weniger.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Heinz Tännler, Finanzdirektor des Kantons Zug
  • Schriftlicher Austausch mit der Zuger Kantonalbank
  • Telefonat mit Mathilde Schmidt-Rhen, Gründerin der Office Group Zug
  • Website der Office Group Zug
  • Artikel im «Crypto Valley Journal» zum Crypto Valley
  • Artikel im «SRF»
  • Jahresberichte des Risikokapitalunternehmens «CV VC» (Crypto Valley Venture Capital)
  • Artikel auf dem Blog «schweizeraktien.net»
  • Artikel auf dem Blog «moneytoday.ch»
  • Artikel im «Blick»
  • Studie des Vergleichsportals «HelloSafe» zur Besteuerung von Kryptowährungen
  • Eintrag der Eidgenössischen Steuerverwaltung zur Besteuerung von Kryptowährungen
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon