Kritik an Variantenstudium

Warum Zug keine Alternative zu den Tunnel prüft

ALG-Kantonsrat Andreas Iten kritisiert das Vorhaben der Regierung, in Unterägeri einen Umfahrungstunnel zu bauen. (Bild: Adobe Stock / zvg)

Die Zuger Regierung will in der Stadt Zug und in Unterägeri zwei neue Umfahrungstunnel bauen. Varianten zum Milliardenprojekt wurden kaum geprüft. Das sorgt für Kritik.

Eine Milliarde Franken. So viel Geld will die Zuger Regierung in zwei Umfahrungstunnel in der Stadt Zug und in Unterägeri investieren, um die beiden Ortszentren vom Verkehr zu entlasten (zentralplus berichtete).

Es ist ein sagenhaft teures Vorhaben, selbst für den reichen Kanton Zug. Darum wird der Kanton die beiden Projekte zwei-, drei-, ja vermutlich sogar zehnfach auf ihren Nutzen überprüft haben. Doch hat er das wirklich? Denn vor wenigen Tagen kam Kritik am Vorgehen des Kantons auf.

Die Kritik stammt aus Unterägeri, wo sich die Gegner des Tunnelprojekts zu einem Komitee formiert haben (zentralplus berichtete). Während dem Projekt in der Stadt Zug schon von Beginn an viel Gegenwind entgegenbläst, blieb die geplante, 1,8 Kilometer lange Röhre in Unterägeri bisher von Kritik weitgehend verschont. Das ändert sich nun. Das neu gegründete Komitee, angeführt von ALG-Kantonsrat Andreas Iten, kritisiert einerseits, dass der Tunnel zu Mehrverkehr in Oberägeri führen wird. Anderseits bemängelt das Komitee, dass der Kanton keine Alternative zum Umfahrungstunnel geprüft habe.

Regierung treibt Tunnel im Eiltempo voran

Auf Anfrage führt Iten aus: «Andere Optionen oder Alternativen als ein Tunnel für den Autoverkehr wurden meines Wissens nicht abgeklärt und auch nicht in der Öffentlichkeit gezeigt.» Er findet, dass Alternativen für den öffentlichen Verkehr wie ein Zugtunnel oder eine Hochseilbahn von Zug ins Ägerital mindestens hätten geprüft werden sollen.

Stattdessen hat Iten den Eindruck, der Regierungsrat treibe das Projekt zu schnell voran. «Die ganze Sachlage sowie das extreme Tempo des Kantons in den Tunnelprojekten geben mir und vielen Bewohnern und Bewohnerinnen zu denken, denn alles wird überstürzt und undurchsichtig.»

Der Tunnel in Unterägeri (oberes Band) führt von Westen nach Osten bis zum Theresiaparkplatz am See. (Bild: Kanton Zug)

Tatsächlich legt die Regierung bei beiden Projekten ein beachtliches Tempo an den Tag. Nachdem die Zuger einen Stadttunnel 2015 an der Urne deutlich abgelehnt hatten, kam ein überarbeitetes Projekt bereits 2021 wieder aufs politische Parkett. Im Frühjahr 2022 signalisierte die Regierung, dass sie nicht nur in der Stadt Zug, sondern auch in Unterägeri einen neuen Tunnel begrüssen würde, und legte noch im Herbst desselben Jahres konkrete Pläne vor. Nachdem 2023 der Kantonsrat in zwei Lesungen über die Projekte befunden hat, wird es bereits im März 2024 zur Abstimmung kommen.

Regierung prüft nur Tunnel-Lösungen

Zum Vorgehen des Kantons verweist der zuständige Baudirektor Florian Weber auf einen Kantonsratsbeschluss zur Änderung des Zuger Richtplans. Der Beschluss datiert vom Oktober 2022 und enthält unter anderem die raumplanerischen Grundlagen, damit die Tunnel überhaupt gebaut werden können. Das Dokument enthält auch eine Kosten-Nutzen-Analyse für beide Projekte.

Der Kanton Zug hat verschiedene Varianten geprüft und sich letztlich für die teurere Variante N+ ausgesprochen.
(x-Achse: Kosten; y-Achse: Nutzen)
(Bild: Kanton Zug)

Was auffällt: Für beide Projekte wurden verschiedene Varianten geprüft. Dabei wurde angeschaut, wie sich ein Projekt auf die Verkehrsqualität, die Sicherheit, die Siedlung und die Umwelt auswirkt. Allerdings geht die Regierung dabei nur auf verschiedene Tunnel-Lösungen ein. Diese werden mit der voraussichtlichen Verkehrssituation im Jahr 2040 verglichen, wenn bis dahin überhaupt keine Massnahmen zur Verkehrslenkung getroffen werden.

Dass die Tunnel-Varianten im Vergleich zum Nichtstun einen Mehrnutzen bringen, ist wenig überraschend. Zumal Indikatoren wie die Verkehrssicherheit oder die Verkehrsentlastung auf dem bestehenden Strassennetz bis zu fünfmal stärker gewichtet wurden als die Klimabilanz der beiden Projekte oder die Umweltbelastung während der Bauphase.

«Die Variante Null+ ist notwendig, um beurteilen zu können, ob ein Strassenneubau notwendig ist oder Verbesserungen im Bestand vorteilhafter sind, die deutlich weniger Investitionen benötigen.»

Daniel Ender, Dienststelle Verkehr und Infrastruktur Kanton Luzern

Florian Weber bilanziert: «Die Umfahrung Unterägeri weist eine positive Bewertung der Nutzenpunkte auf. Dies bedeutet, dass gegenüber der 0-Variante Vorteile bestehen.» Doch das greift möglicherweise zu kurz. Das zeigt ein Blick über die Kantonsgrenze hinaus nach Luzern.

Wieso teuer bauen, wenn man günstig entlasten kann?

Dort werden grosse Verkehrsprojekte seit vielen Jahren mit einer sogenannten Zweckmässigkeitsbeurteilung (ZMB) eingeschätzt. Dabei handelt es sich ebenfalls um ein Variantenstudium. «Dabei sollen möglichst alle denkbaren Lösungen angeschaut werden», schreibt Daniel Ender von der kantonalen Dienststelle Verkehr und Infrastruktur auf Anfrage. Die zuständigen Expertinnen schauen dabei nicht nur den Verkehr an, sondern auch die Auswirkungen einer Massnahme auf die Umwelt sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Aspekte. 

«Neben sämtlichen Verkehrsteilnehmenden profitiert das gesamte Ägerital von diesen positiven Aspekten.»

Florian Weber, Baudirektor Kanton Zug

Das Spezielle daran: Bei der ZMB wird auch immer eine sogenannte Variante Null+ geprüft. In dieser Variante wird auf teure Bauprojekte verzichtet. Stattdessen werden Massnahmen im bestehenden Strassennetz getroffen: Dosierampeln, Tempo 30 oder Busspuren – mit diesen Massnahmen sollen die Ortszentren vom Verkehr befreit werden. «Das ist notwendig, um beurteilen zu können, ob ein Strassenneubau notwendig ist oder Verbesserungen im Bestand vorteilhafter sind, die deutlich weniger Investitionen benötigen», begründet Ender dieses Vorgehen.

Verschiedene Massnahmen im Bestand statt eine neue Umfahrung. Das soll in Hochdorf am besten funktionieren. (Bild: Kanton Luzern)

Dass das keine reine Alibi-Übung ist, bewies der Kanton jüngst in der Luzerner Gemeinde Hochdorf. Dort hat die ZMB gezeigt, dass die Variante Null+ mehr Vorteile bringt als die geprüften Umfahrungsstrassen (zentralplus berichtete). Gerade die negativen Umweltauswirkungen sowie der Verlust von Kulturland sprachen gegen eine neue Umfahrungsstrasse.

Florian Weber schwärmt

Eine solche Variante Null+ stand in Zug hingegen gar nie zur Diskussion. Für Florian Weber ist das scheinbar kein Problem – denn er schwärmt geradezu vom Umfahrungstunnel Unterägeri. Autofahrer sowie ÖV-Passagiere würden von verkürzten Reisezeiten profitieren. Im Zentrum von Unterägeri steige dank des Tunnels die Lebens- und Aufenthaltsqualität. «Neben sämtlichen Verkehrsteilnehmenden profitiert das gesamte Ägerital von diesen positiven Aspekten.»

Offen bleibt aber die Frage, ob die Zentren von Unterägeri und Zug mit günstigen Massnahmen im Bestand ähnlich gut entlastet werden könnten wie mit Infrastrukturprojekten für eine Milliarde Franken.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Florian Weber
  • Schriftlicher Austausch mit Andreas Iten
  • Kantonsratsbeschluss zur Anpassung des Richtplans
  • Medienmitteilung des Komitees gegen den Tunnel in Unterägeri
  • Schriftlicher Austausch mit Daniel Ender
  • Informationen zur ZMB

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