Lärmblitzer gegen Autoposer

Stadt Zug will Jagd auf Protz-Lamborghinis machen

Solche Autos können enormen Lärm verursachen. (Bild: exoticspotter.com)

Noch gibt es in der Schweiz keine fixen Lärmblitzer. Eine Nationalrätin will das ändern. Die Stadt Zug sagt: Wir könnten uns vorstellen, diese Geräte einzusetzen.

Lamborghini, Ferrari, Maserati, Porsche, Audi R8, Mustang, McLaren, Jaguar, Mercedes-AMG: Alle diese Sportwagen gibt es in Zug. Und nicht zu wenig. Kein Kanton hat auf seine Einwohner gerechnet so viele und so teure Autos wie der reiche Kleinkanton (zentralplus berichtete).

Doch mit viel PS kommt auch Verantwortung. Denn wer diese Autos hoch tourt, muss keinen getunten Sportauspuff einbauen, um seine Umgebung zur Weissglut zu bringen. Oder ernsthaft gesundheitlich zu schädigen: Hörschäden, Schlafstörungen, Bluthochdruck oder psychische Probleme kann dauerhafte Lärmbelastung verursachen.

Seit Jahren fordern daher in der Schweiz – meist linke – Politiker eine technische Aufrüstung der Polizei im Kampf gegen Lärmrowdys und Autoposer (zentralplus berichtete). Auch der Bundesrat hat in den vergangenen Jahren die Sanktionen verschärft. Nun sind auch Bürgerliche am Ende ihrer Nerven.

Nationalrätin fordert gesetzliche Grundlagen für Lärmblitzer

19 Ratskollegen bis tief ins bürgerliche Lager haben die Motion von SP-Nationalrätin Gabriela Suter unterzeichnet. Die Aargauerin fordert gesetzliche Grundlagen zum grossflächigen Einsatz von Lärmblitzern. Wenn Mikrofone messen, dass ein Motor zu laut dröhnt, machen die Geräte ein Foto des Nummernschilds.

Gabriela Suter (SP) setzt sich in Bundesbern für Lärmschutz ein. (Bild: gabrielasuter.ch)

Zu «20 Minuten» sagt Suter: «Lärmposing ist für viele Leute ein grosses Ärgernis und hat in den vergangenenen Jahren deutlich zugenommen – insbesondere in den Städten und auf Passstrassen.» Lärmblitzer würden die Polizeiarbeit effizienter und kostengünstiger machen.

Zuger Polizei ist interessiert – hat aber offene Fragen

Auf Anfrage reagiert Frank Kleiner, Sprecher der Zuger Polizei, aufgeschlossen: «Die Entwicklung der sogenannten Lärmblitzer verfolgen wir mit Interesse.» Aktuell seien aber zu viele Fragen offen, um über eine Anschaffung zu entscheiden (zentralplus berichtete).

Die Zuger Polizei setzt gegen Autoposer in den «vergangenen Jahren vermehrt» auf Kontrollen. Wie oft genau wird nicht erhoben. Eines habe sich dabei gezeigt, schreibt Kleiner: «Vielfach liegt es am Fehlverhalten der lenkenden Person und weniger am technischen Zustand des Fahrzeugs.» Bedeutet: Die Zuger Polizei schnappt häufiger rücksichtslose Autofahrer, die den Motor aufheulen lassen, als Autotuner mit illegalem Knatterauspuff.

Stadt Zug kann sich den Einsatz der Lärmblitzer vorstellen

Doch was sagen die Zuger Verwaltungen zum Einsatz der neuen Geräte? Das wollte zentralplus bereits im Sommer vor zwei Jahren wissen, als einige Kantone planten, Lärmblitzer zu testen. Damals waren die Reaktionen in Zug und Luzern recht verhalten (zentralplus berichtete).

Nun schreibt der Sicherheitsmanager der Stadt Luzern, ob die Lärmblitzer den gewünschten Erfolg im Kampf gegen den Lärm bringen würden, sei im Moment schwierig zu beurteilen. Der Kanton Luzern nennt die Frage der Anschaffung spekulativ. In Zug klingt das ganze allerdings plötzlich anders.

Die Polizei setzt gegen Autoposer bisher auf Kontrollen. (Bild: Zuger Polizei)

«Den politischen Willen vorausgesetzt, können wir uns technische Einrichtungen, die geeignet sind, Lärm durch eine Poserszene konsequent zu verhindern oder zu ahnden, vorstellen», schreibt ein Sprecher der Stadt Zug auf Anfrage. Städtische Strecken wie die Artherstrasse sind bekannterweise ein Mekka für PS-Liebhaber. Die Stadt Zug will die Rowdys konsequent massregeln. Der Kanton Zug verweist derweil auf die Antwort der Zuger Polizei.

Doch bevor Zug Lärmblitzer kaufen kann, muss Bern Suters Motion folgen und gesetzliche Grundlagen schaffen. Der Vorstoss sorgte allerdings auch für Kritik: Zu «20 Minuten» sagte FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen, das Strassenverkehrsgesetz verbiete unnötigen Lärm und sei gerade verschärft worden. Andere Politiker wollen den Staat für Bussen nicht technisch aufrüsten. Geschwindigkeits-, Rotlicht- und Abstandsblitzer seien genug.

Bundesamt hat in Genf ein Pilotprojekt durchgeführt

Dass SP-Nationalrätin Gabriela Suter ihre Motion genau jetzt eingereicht hat, ist kein Zufall. Seit Jahren drängt die Präsidentin der Lärmliga Schweiz mit Vorstössen auf den Einsatz der Lärmblitzer. 2023 hat das Bundesamt für Umwelt (Bafu) im Genf ein Pilotprojekt durchgeführt. Suter schreibt in ihrer Motion, der Test sei ein Erfolg gewesen.

So sehen Lärmblitzer in Frankreich aus. (Bild: bruitparif.fr)

Die Lärmblitzer in Genf hätten die lautesten Autos und Töffs identifizieren und deren Nummernschilder fotografieren können. Der Schwellenwert von 82 Dezibel für Personenwagen habe garantiert, dass «wirklich nur die lautesten Fahrzeuge erfasst werden». In Genf seien das gerade einmal 0,7 Prozent der Fahrzeuge gewesen.

London, Berlin, Paris, Taipeh: Weltweit wird getestet

Ähnliche Erfahrungen haben auch andere Länder mit Lärmblitzern gemacht. Im Jahr 2021 berichtete zentralplus über Testversuche in den schicken Londoner Quartieren Kensington und Chelsea. Zwei Wochen und 100 Verwarnungen, lautete das Ergebnis (zentralplus berichtete).

Im Sommer 2023 testete Berlin ein solches Gerät an der Luxuseinkaufsmeile Kurfürstendamm und liess die Ergebnisse von einer Uni auswerten. In einem Monat wurden 1144 Krachmacher erfasst, der Schwellenwert lag bei 82 Dezibel. Über die Hälfte des Lärms stammte von Töffs, rund 30 Prozent von Bussen und 19 Prozent von Autos.

Berlin hatte sich dafür einen Lärmblitzer aus Paris ausgeliehen. Bereits 2019 hat die französische Hauptstadt drei solcher Geräte installiert. Gabriela Suter schreibt in der Motion auch, dass die Geräte in Taiwan genutzt würden. Beschwerden wegen Lärm seien in der Hauptstadt Taipeh seither um ein Drittel zurückgegangen. In der Schweiz geht die Diskussion um Lärmblitzer jetzt erst los – zum wiederholten Mal.

Verwendete Quellen
  • zentralplus-Medienarchiv
  • Vorstoss von Suter zur Schaffung gesetzlicher Grundlagen für Lärmblitzer
  • Schriftlicher Austausch mit Christian Wandeler, Sicherheitsmanager Stadt Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Frank Kleiner, Sprecher Zuger Polizei
  • Artikel in «20 Minuten»
  • Schriftlicher Austausch mit Dieter Müller, Sprecher der Stadt Zug
  • Artikel in «Bild» zu Tests in Berlin
  • Schriftlicher Austausch mit Urs Wigger, Sprecher Luzerner Polizei
  • Artikel im «BR» zu Tests in Paris
  • Schriftlicher Austausch mit den Medienstellen der Kantone Luzern und Zug
  • Artikel auf «Streetlife» zu Lärmblitzern der Schweiz
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