Weniger Autos, leiser, grüner

Mobilität: Luzern will aufbrechen – doch hängt an Fesseln

Rechts die Co-Leiterin Mobilität, Sibylle Lehmann, daneben Stadtrat Adrian Borgula und links ein Sprecher der Stadt Luzern. (Bild: kok)

Strassenlärm reduzieren, eigene Busspuren, sichere Velowege: Die Mobilitätsziele der Stadt Luzern sind klar. Doch die Unterstützung seitens des Kantons könnte grösser sein.

Jeder fünfte Bewohner der Stadt Luzern liegt nachts im Bett und hört Lärm jenseits der erlaubten Grenzwerte. Damit ist die wohl schönste Stadt der Deutschschweiz gleichzeitig auch die lauteste (zentralplus berichtete). Der Strassenlärm führt nicht nur zu Stress, sondern teils auch zu ernsten Krankheiten.

Daher hat die Stadt Luzern versprochen, Lärm zu reduzieren. Das Ziel: Bis 2027 soll nur noch jeder zehnte Bewohner von zu viel Lärm betroffen sein. Bis 2035 niemand mehr. Es handelt sich um eines der Ziele in der Mobilitätsstrategie 2024-2028, die am Dienstag präsentiert wurde. Doch das ist leichter gesagt als getan.

Stadt Luzern passt ihre Ziele der aktuellen Lage an

Seit 2014 hat die Stadt Luzern Mobilitätskonzepte. Sie bestehen aus Leitlinien und Kriterien und machen so Veränderungen sichtbar. Alle fünf Jahre, wenn der Bund den Mikrozensus «Mobilität und Verkehr» veröffentlicht, überprüft die Stadt den Stand der Dinge.

Am Dienstag tritt Adrian Borgula (Grüne), Mobilitätsdirektor der Stadt Luzern, vor die Medien und sagt: «Wir haben viel erreicht.» Auf Quartierstrassen gelte nun fast flächendeckend Tempo 30, die Verkehrsbelastung habe abgenommen und auch Velostrassen wurden errichtet.

Doch: Vieles liegt auch noch im Argen. Während der Coronapandemie hat der Anteil Autos am Gesamtverkehr zugenommen und der ÖV abgenommen. Ausserdem sinken die Treibhausgasemissionen kaum. «Technische Fortschritte werden aufgefressen durch mehr Verkehr und grössere Autos», mahnt der Mobilitätsdirektor.

Daher hat die Stadt ihre Ziele aus dem Jahr 2018 nun angepasst. Sie musste dafür mit den Mikrozensusdaten von 2021 arbeiten, die stark von der Coronapandemie beeinflusst sind. «Wir müssen nehmen, was vorhanden ist», meint Adrian Borgula.

Kanton besitzt die lautesten und gefährlichsten Strassen der Stadt

Auch die neue Strategie blickt auf einen Zeithorizont bis ins Jahr 2035. Dann soll sich in Sachen nachhaltiger Mobilität einiges getan haben. Die Stadt hat dafür sechs Schwerpunkte definiert.

Wandel zu Klimaquartieren: In der Stadt Luzern soll es künftig verkehrsarme, grüne Klimaquartiere geben, in denen kein Durchgangsverkehr herrscht (zentralplus berichtete). Weil die EWL ohnehin viele Strassen aufreissen muss, um Seewärmeleitungen zu verlegen (zentralplus berichtete), wittert die Stadt eine Chance. «Das gibt uns die Gelegenheit, die Strassen lebenswert umzugestalten», meint Sibylle Lehmann, Co-Leiterin Mobilität.

Nebenrouten für Velos: Bis 2033 muss die Stadt Luzern das Velohauptroutennetz ausbauen. Das ist ein Auftrag der Stimmbevölkerung (zentralplus berichtete). Doch das reiche nicht, erklärt Sibylle Lehmann. «Wir müssen auch gute Nebenrouten entwickeln.» Besonders herausfordernd sei die Planung auf Kantonsstrassen. Denn dort hat die Stadt nichts zu sagen.

Schweizerhofquai, Seebrücke, Halden- oder Zürichstrasse: Die lautesten und gefährlichsten Strassen der Stadt Luzern gehören dem Kanton. Er könnte zwar die Stadt Luzern beauftragen, dort Velorouten zu bauen, macht es aber nicht. Stattdessen überarbeitet er aktuell seine eigene Veloplanung. So hat es der Bund verlangt (zentralplus berichtete).

Was mit der Seebrücke passiert, entscheidet der Kanton. (Bild: bic)

Busspuren auf den Hauptachsen: Auch beim ÖV durchkreuzt der Kanton die Pläne und Wünsche der Stadt. Denn diese fordert schon lange durchgehende Busspuren an den grossen Kantonsstrassen in der Innenstadt. Auch der Verkehrsverbund Luzern (VVL) setzt auf die Spuren, mit denen Busse schneller ans Ziel kommen (zentralplus berichtete).

«Die Zusammenarbeit mit dem Kanton ist gut», meint Adrian Borgula. Sibylle Lehmann ergänzt: «Ohne den Kanton geht es nicht.» Doch spürbar ist: Die Stadt Luzern wünscht sich dringend, dass der Kanton ihrer Verkehrsentwicklung mehr Priorität einräumt. Bei den Busspuren, den Velowegen – und dem Lärm.

Weniger Lärm nur mit Tempo 30: Doch Bern bremst

«Alle haben einen Anspruch, an einem Ort zu leben, an dem es keine Überschreitung der Grenzwerte gibt», betont Sibylle Lehmann am Dienstag. Doch wieder liegt die Verantwortung vor allem beim Kanton. Denn die Lärmbelastung an den Kantonsstrassen mit Tempo 50 ist deutlich höher. Aber auch der Bund redet mit.

Aktuell können Gemeinden Gesuche stellen, dort Tempo 30 einzuführen, sofern ein Gutachten den positiven Effekt auf Lärm oder Sicherheit nachweist. Das aber könnte in Zukunft schwieriger werden. Denn der Nationalrat hat zwei Motionen gutgeheissen, die Tempo 50 auf Hauptstrassen in Städten zementieren wollen.

Tempo 30 auf Quartierstrassen können Gemeinden ohne Gutachten durchsetzen. (Bild: zvg)

Jene des Luzerner Nationalrats Peter Schilliger (FDP) ist bereits erfolgreich durch den Ständerat (zentralplus berichtete). Die andere steht noch aus. «Das verunsichert die Verwaltung», beobachtet Adrian Borgula und mahnt vor einer Annahme des zweiten Vorstosses. Denn: Um Lärm zu reduzieren, sind die städtischen Möglichkeiten begrenzt: –Gesuche stellen, Gemeindestrassen beruhigen, ÖV fördern.

Drei weitere Ziele der Mobilitätsstrategie

Parkieren nach Konzept: Ebenfalls in den Händen der Stadt liegen die städtischen Parkplätze. Bis 2040 soll der Parkplatzbestand auf öffentlichem Grund halbiert werden. Die Flächen will die Stadt dann für den Fuss-, den Velo- und den öffentlichen Verkehr nutzen. Auch die Planung der 8000 Veloabstellplätze für den Durchgangsbahnhof Luzern liegt auf den Schreibtischen der Planerinnen.

Öffentlichkeitsarbeit: Parkplätze sind ein heikles Thema, vor allem der Abbau. Daher müssen solche Schritte gut kommuniziert und Alternativen aufgezeigt werden, findet Adrian Borgula. Teil der Mobilitätsstrategie 2024-2028 ist es daher auch, eine proaktive sachliche Informationspolitik zu betreiben.

Güter- und Wirtschaftsverkehr: Das sechste Ziel betrifft den Logistikverkehr. Er soll möglichst vermieden werden, die Fahrten sollen kurz sein und, wenn möglich, zusammengelegt werden. Sprich: Nicht vier halbvolle Lastwagen in die Altstadt schicken, sondern einen gemeinsamen, am besten mit Elektroantrieb.

Sonderkredit für neue Stellen

Viele weitere Ziele stehen auf der Agenda der Stadt. Teils sehr ambitionierte, wie etwa: 2027 sollen 33 Prozent der Autos elektrisch fahren (2021 waren es 3 Prozent). Aber auch Ziele, die bereits weit fortgeschritten sind, wie die Verkehrssicherheit: Denn in den letzten Jahren hat die Anzahl Unfälle stetig abgenommen.

Für die Umsetzung der vielen Ziele beantragt die Stadt beim Parlament jetzt einen Sonderkredit von 6,5 Millionen Franken. Damit will sie viereinhalb neue Vollzeitstellen in der Verkehrsplanung und Öffentlichkeitsarbeit bezahlen. Der Grosse Stadtrat wird noch in diesem Jahr darüber beraten. Wenn dann noch der Kanton mitmacht, steht der nachhaltigen Mobilität in der Stadt Luzern nichts mehr im Wege.

Verwendete Quellen
  • Teilnahme an der Medienkonferenz
  • zentralplus-Medienarchiv
  • Website der Stadt zur Mobilitätsstrategie
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