«Wussten Sie, dass der Luzerner Bahnhof kein Gleis 1 hat?» So beginnt die Mitteilung des Hotels Waldstätterhof, die kürzlich an die Medien verschickt wurde (zentralplus berichtete). Mit dem neu eröffneten Restaurant Gleis 1 solle sich das nun ändern. Tatsächlich suchen Pendlerinnen und Touristen am Luzerner Bahnhof vergebens nach einem Gleis 1. Die offizielle Zählung beginnt beim Gleis 2 (nach hinten versetzt auf der Seite Zentralstrasse) bis zu Gleis 15 auf der Seite der Uni Luzern. Wo also ist Gleis 1 abgeblieben?
zentralplus hat bei den SBB nachgefragt. Wie sich zeigt, existiert es doch. Nur ist es noch etwas versteckter als das Gleis 2. Das Gleis 1 am Luzerner Bahnhof liegt neben dem Gleis 2 – so weit, so selbstverständlich. Es hat aber kein Perron und wird entsprechend nicht für den Publikumsverkehr genutzt. Es gibt also keinen offiziellen Weg, das Gleis zu erreichen, sofern man nicht – was nicht erlaubt ist – über die Gleise geht. Wie Mediensprecher Felix Bossel schreibt, würden die SBB das heutige Gleis 1 als Abstellplatz von Zügen nutzen.
Früher gab es in Luzern ein «normales» Gleis 1
Das war aber nicht immer so. Denn früher, so erklärt Bossel, sei das heutige Gleis 2 das Gleis 1 gewesen. Im normalspurigen Teil des Bahnhofs Luzern reichte die Gleiszahl damals von 1 bis 13. Das änderte sich, als 1971 der Bahnhof einem Brand zum Opfer fiel (zentralplus berichtete). Nach dem «anschliessenden Neuaufbau wurde das neue Abstellgleis gebaut und als Gleis 1 bezeichnet», schreibt Bossel.
Nach welchen Kriterien Gleise beziffert werden, erfolgt einer reglementarischen Vorgabe. «Die Hauptgleise werden beginnend mit Gleis 1 ab dem Bahnhofsgebäude durchnummeriert.» Überall könne diese Regel aber nicht umgesetzt werden. «Beispielsweise wenn das Bahnhofsgebäude in der Mitte der Gleisanlage liegt, wie etwa im Bahnhof Olten», erklärt der SBB-Sprecher. Hier befinden sich die Gleise 1 bis 4 auf einer Seite des Gebäudes und die Gleise 7 bis 12 auf der anderen. Die Gleise dazwischen fehlen.
Luzern ist nicht das einzige Kuriosum
So etwas kommt beispielsweise vor, wenn Bahnhöfe oder Perrons im Laufe der Jahre umgebaut werden. Da kommen neue Gleise dazu oder andere fallen weg. «Da die Gleisnummerierung mit dem Stellwerk verknüpft ist, kann man die Gleisnummerierung nicht oder nur sehr aufwendig anpassen», erklärt Felix Bossel.
So wurden und werden mit mehr oder weniger Kompromissen die Gleisnummerierungen im Laufe der Zeit angepasst oder erweitert. Und damit kommt es an gewissen Bahnhöfen zu «speziellen» Gleisnummerierungen, wie etwa ein Gleis 0 im Bahnhof Aarau. Oder zu «fehlenden Gleisen», wie jene in Olten, oder die Gleise 35 bis 40 am Hauptbahnhof in Zürich. Oder eben zum Gleis 2 im Bahnhof Luzern, das eigentlich Gleis 1 ist.
Neue Chance mit dem Durchgangsbahnhof
Wird der Bahnhof Luzern je wieder ein «normales» Gleis 1 haben? Die Chancen bestehen. Besonders im Hinblick auf den in der Politik heiss diskutierten Durchgangsbahnhof (zentralplus berichtete). Grundsätzlich bietet sich gemäss Bossel bei einem kompletten Bahnhofsneubau – inklusive neuem Stellwerk – jeweils wieder die Gelegenheit, «Ordnung zu schaffen» und die Gleise neu zu nummerieren.
Bis es in Luzern allerdings so weit ist, streichen noch einige Jahre ins Land. Darum ist diese Frage laut Bossel «für Luzern tatsächlich noch verfrüht». Stand jetzt ist vorgesehen, dass das Grossprojekt frühestens in den 2030er-Jahren realisiert wird. Mit dem Durchgangsbahnhof Luzern soll nicht nur ein Tiefbahnhof mit besseren Anbindungen entstehen, sondern auch ein neues Quartier mitten im Zentrum der Stadt. Mit neuen Strassen, Haltestellen und Verkehrswegen.
Arbeitet seit 2020 bei zentralplus und betreut den Bereich Gastronomie.
In Luzern und Zug aufgewachsen und schon seit bald 20 Jahren als Texter und Autor unterwegs. Steht privat gerne am Herd und war während mehreren Jahren als Assistenz einer Luzerner Störköchin tätig.