Autobahn-Anschluss geht wieder auf

Emmen-Nord: Wo bald kein Stein auf dem anderen bleibt

Der Autobahnanschluss Emmen-Nord. Bislang waren die oberen beiden Ein- und Ausfahrten zu. Das wird sich bald ändern. (Bild: Emanuel Ammon)

Bund und Kanton spannen zusammen und planen bei der Autobahnausfahrt Emmen-Nord ein grosses Strassenbauprojekt. Dafür müssen zahlreiche Eigentümer einen Teil ihrer Grundstücke opfern.

Emmen-Nord wird bald wieder zu einem vollwertigen Autobahn-Anschluss. Vor rund einem Jahr hat der Bundesrat entschieden, die Einfahrt in Richtung Basel und die Ausfahrt von Basel her kommend wieder zu eröffnen (zentralplus berichtete). Aus Halbanschluss wird Vollanschluss. Klingt eigentlich ziemlich unspektakulär. Doch sobald die beiden Anschlüsse offen sind, wird sich das Verkehrsgeschehen in der Luzerner Agglomeration deutlich verändern.

Nicht nur, weil mit der wiedereröffneten Ein- respektive Ausfahrt neue Möglichkeiten im Verkehr geschaffen werden. Sondern weil der Kanton Luzern zeitgleich die Rothenburgstrasse sanieren und umbauen wird. In den kommenden Jahren wird das Gebiet rund um den Autobahnanschluss und die Brücke somit zur Grossbaustelle.

Warum? Schliesslich muss man doch bloss zwei Schranken hochfahren, um die beiden Anschlüsse wieder zu öffnen. Doch so einfach ist es nicht. Der Bund lässt sich das ganze Projekt rund 31 Millionen Franken kosten. Und in diesen Kosten ist natürlich mehr enthalten, als bloss das Heben zweier Schranken.

Bund plant neue Einfahrt bei Emmen-Nord

Kernelement der Pläne ist die Verlängerung der Autobahneinfahrt. Die bestehende war bis zu ihrer Schliessung unter Autofahrern wegen ihrer kurzen Länge gefürchtet. Das Bundesamt für Strassen (Astra) verlängert diese nun von heute 120 auf künftig 300 Meter. Die dortige Lärmschutzwand wird dafür abgebrochen und weiter oben am Hang auf 120 Metern Länge ersetzt.

«Die Abklärungen zeigen, dass sich damit Verkehr auf die Autobahn verlagert und die regionalen Strassen entlastet werden.»

Samuel Hool, Mediensprecher Astra

Auch auf der Autobahnbrücke bleibt kein Stein auf dem anderen. Für diese Massnahmen ist ebenfalls das Astra zuständig. Das Astra verbreitert die Brücke um knapp 5 Meter. So entsteht auf beiden Seiten ein durchgehender Velostreifen – etwas, das bislang fehlte. Während rund eineinhalbjährigen Bauzeit stellt das Astra extra eine neue Hilfsbrücke auf, mit zwei Kreiseln an beiden Enden der Brücke.

Warum der Sinneswandel beim Bund?

Warum dieser riesige Aufwand und die hohen Ausgaben? Ausgerechnet für einen Anschluss, von dem der Bund vor zehn Jahren noch der Ansicht war, dass es ihn nicht mehr braucht und deshalb die entsprechende Ein- und Ausfahrt schloss? Denn die beiden Anschlüsse gingen erst zu, als der 2012 der Autobahnanschluss Rothenburg eröffnet wurde.

Pat Willener mit Musikanlage auf der A2 1981, vor der Eröffnung des Abschnitts Emmen-Nord. (Bild: Emanuel Ammon)

Wegen der unmittelbaren Nähe der zwei Anschlüsse war die Eröffnung des Anschlusses in Rothenburg an die Bedingung geknüpft, den Anschluss Emmen-Nord zu verkleinern. Nun ist der Anschluss in Rothenburg aber noch immer in vollem Umfang offen und trotzdem geht Emmen-Nord wieder voll auf – warum also der Sinneswandel beim Bund?

Dieser Sinneswandel wurde angestossen durch eine Motion des ehemaligen Luzerner SVP-Nationalrats Felix Müri. In der Motion forderte er den Bund lediglich zwei Jahre nach der Schliessung der Anschlüsse dazu auf, Varianten zu deren Wiedereröffnung zu prüfen. Das hat der Bund gemacht, und: «Die Abklärungen zeigen, dass sich damit Verkehr auf die Autobahn verlagert und die regionalen Strassen entlastet werden», sagt Astra-Sprecher Samuel Hool auf Anfrage.

So wird sich das Projekt auf den Verkehr auswirken

Wobei sich das so nicht in den Zahlen widerspiegelt. Gemäss Verkehrsprognosen des Bundes kommt es auf den umliegenden Strassen zu einer Verkehrszunahme mit der Wiedereröffnung des Anschlusses. Mit offenem Anschluss werden gemäss Schätzung 2040 bei der Sprengi täglich 37 Prozent mehr Autos durchfahren, als wenn der Anschluss zubliebe. Auf der Gerliswilerstrasse beträgt die Verkehrszunahme circa 9 Prozent.

Dafür rechnet der Bund mit einer deutlichen Verkehrsabnahme auf der Neuenkirchstrasse. Diese soll 2040 dank der Anschlussöffnung 27 Prozent kleiner sein als ohne. Auf der Rothenburgstrasse rechnet der Bund mit einer minimalen Verkehrsabnahme von rund 4 Prozent.

Heute fahren täglich knapp 18’000 Autos über die Rothenburgstrasse. Das macht die Verkehrssituation aus Sicht des Kantons unbefriedigend. Während der Stosszeiten stecke der öffentliche Verkehr oft im Stau fest. Und auch hier gibt es keine Velostreifen. Der Kanton packt die Gelegenheit der Astra-Bauarbeiten deshalb beim Schopf und saniert die Rothenburgstrasse für rund 15 Millionen Franken. Der betroffene Abschnitt ist über 500 Meter lang und reicht von der Autobahnbrücke bis zum Kreisel Chapf.

Ja zu lärmarmem Belag, Nein zu Tempo 30

Die Sanierung ist sehr umfassend. Für Velos gibt es auf beiden Strassenseiten einen neuen Velostreifen. In Richtung Sprengi müssen sich die Velofahrerinnen ihre Spur mit den Bussen teilen, denn es entsteht eine separate Bus- und Velospur zwischen dem Kreisel St. Christoph und der Brücke. Die Bushaltestellen werden behindertengerecht, der Strassenraum zusätzlich begrünt. Und wohl zur Freude der Anwohner baut der Kanton einen lärmarmen Belag. Bei sämtlichen Gebäuden entlang der Rothenburgstrasse wird der Lärmschutzwert nämlich auch nach der Sanierung überschritten.

«Zudem wäre Tempo 30 auch für den Busbetrieb nachteilig.»

Joana Büchler, Mediensprecherin Baudepartement Kanton Luzern

Dennoch bleibt es laut an der Strasse. Tempo 30 als Massnahme zur Lärmsenkung sei denn auch geprüft worden, sagt Joana Büchler, Mediensprecherin beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement des Kantons (BUWD). «Tempo 30 wurde jedoch verworfen, weil in Bezug auf die Verkehrssicherheit und den Verkehrsfluss durch die Geschwindigkeitsreduktion kein zusätzlicher Mehrwert im entsprechenden Abschnitt erzielt werden kann. Zudem wäre Tempo 30 auch für den Busbetrieb nachteilig.»

Autobahnanschluss Emmen-Nord mit Blickrichtung Osten. (Bild: Emanuel Ammon)

Für viel Gesprächsstoff wird an der Rothenburgstrasse letztlich aber nicht der Lärm, sondern der Platz sorgen. Denn die verschiedenen Massnahmen des Kantons brauchen Raum – viel Raum. Die Strasse wird mit den Velowegen und zusätzlichen Grünelementen rund 5,5 Meter breiter. Für das Sanierungsprojekt müssen darum zahlreiche Anwohnerinnen Teile ihrer Grundstücke hergeben.

Kanton will ein halbes Fussballfeld enteignen

«Entlang der Rothenburgstrasse wird es im noch anstehenden Landerwerbsverfahren um rund 2’300 Quadratmeter gehen», sagt Büchler vom BUWD. Das ist immerhin ein halbes Fussballfeld. «Davon betroffen sind rund 25 private Grundstücke», fährt die Mediensprecherin fort. Streit um den Boden ist somit vorprogrammiert.

Die Anwohner seien bereits über die Enteignung informiert worden. Die echte Knacknuss steht dem Kanton aber erst noch bevor – der Landerwerb. Mit welcher Entschädigung dürfen die Eigentümerinnen rechnen? Lohnt es sich finanziell immerhin ein wenig, seinen Garten hergeben zu müssen?

Hier gibt sich der Kanton noch bedeckt. «Umfang und Höhe der Entschädigungen werden im Landerwerbsverfahren verhandelt», sagt Büchler. Dieses Verfahren startet aber erst, nachdem mögliche Einsprachen bereinigt sind und auch der Regierungsrat grünes Licht für die Sanierung gegeben hat.

Noch also muss das Gesamtprojekt zahlreiche Hürden überwinden. Die öffentliche Auflage des Astra-Projekts startet am 5. September und dauert 30 Tage. Jene des kantonalen Projekts beginnt zwei Tage später und dauert 20 Tage. Wenn alles nach Plan verläuft, beginnen die Bauarbeiten 2025. Ab 2026 soll es dann möglich sein, ab der Rothenburgstrasse direkt auf die Autobahn in Richtung Basel zu fahren – oder umgekehrt. Ein Vollanschluss halt.

Verwendete Quellen
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