Gemeinde «sind Hände gebunden»

Dieser Luzerner Fussgängerstreifen führt vermeintlich ins Nichts

Hinter dem Übergang liegt eine Weide. (Bild: Google Street View)

Eine Gemeinde akzeptiert seit Jahrzehnten einen Fussgängerstreifen, der hauptsächlich in eine Wiese mündet. Es ist eines von zig Hindernissen für eine unterschätzte Mobilitätsform.

Die Zukunft der Mobilität ist ein heiss umkämpftes Thema. Dabei läuft der politische Grabenkampf meist nach einer einfachen Formel: mehr Strassen für Autos oder mehr Velowege und Busse. Häufig ignoriert wird ein anderes Mittel der Fortbewegung – das in der Stadt Luzern jede zweite Person mehrheitlich nutzt (zentralplus berichtete).

Laufen, gehen, rennen, eilen, sprinten, spazieren – die deutsche Sprache kennt viele Umschreibungen für die älteste Mobilitätsform der Welt: Das Zu-Fuss-Gehen. Vier von zehn Wegen werden gelaufen, mahnen der Fachverband Fussverkehr Schweiz und der Verein Moveable in einer Mitteilung. Sie haben daher die Plattform «Walkable» lanciert.

Der Fussgängerstreifen «ins Nirgendwo» liegt in Udligenswil

Die Website funktioniert wie der Luzerner Schadensmelder (zentralplus berichtete). Mitglieder können Schäden, Schwachstellen und Gefahrenstellen auf Schweizer Fusswegen dort veröffentlichen. Auf einer Karte werden die Einträge dargestellt. Das Ganze funktioniert wie die App «Bikeable» (zentralplus berichtete).

In den Kantonen Zug und Luzern ist die Karte noch recht leer – obwohl Sursee, Egolzwil, Ermensee, Ebikon, Root und Hitzkirch offizielle Partner der Plattform sind. Ebenfalls unterstützt wird das Projekt von den Städten Bern, Dübendorf, Zürich und den Kantonen Zürich, Aargau und St. Gallen.

Ein Punkt im Kanton Luzern fällt aber doch auf. In der Gemeinde Udligenswil, auf halber Strecke zwischen Luzern und dem Zugersee, gibt es einen Fussgängerstreifen, der «ins Nirgendwo führt», schreibt ein Mitglied.

Auf einer Seite Wiese, auf der anderen nicht normgemäss

Hinter dem Eintrag steckt die VCS-Sektion Aargau. Sie hat den Fussgängerstreifen an der Ecke Luzernerstrasse/Dorfstrasse entdeckt. Er führt von einem Trottoir auf der Dorfseite zu einer Wiese. Dort beginnt ein 20 Meter langer Trampelpfad an der Strasse, der an einer Weide vorbeiführt, bevor er auf eine Nebenstrasse mit Wanderweg trifft.

Der Fussgängerstreifen liegt am Dorfeingang. (Bild: walkable)

Der VCS Aargau mahnt, dass ein Trottoir fehle und der Übergang auch auf der Dorfseite nicht normgemäss gestaltet sei. Weil er nicht rechtwinklig vom Trottoir abgeht, sei er für Sehbehinderte nicht nutzbar.

Kanton Luzern hält den 20 Jahre alten Weg für «zweckmässig»

Bei der Gemeinde Udligenswil gibt man sich zu dem Thema wortkarg. Am Telefon sagt ein Mitglied der Verwaltung, der Weg befinde sich auf einer Kantonsstrasse, und der Gemeinde seien «die Hände gebunden». Ob sich Udligenswil eine Verbesserung wünsche angesichts des skurrilen Wegs? Kein Kommentar. Wenn, kommuniziere man direkt mit dem Kanton, und nicht über die Medien.

Dieser hält die Situation vor Ort für angemessen. «Der Trampelpfad ist im Ortsplan eingezeichnet und zusammen mit dem Fussgängerstreifen ist die Situation für das Überqueren der Strasse zweckmässig», schreibt Oliver Cometto, zuständig für Verkehrssicherheit. «Der Fussgängerstreifen besteht seit mehr als 20 Jahren an dieser Stelle.» Beschwerden seien beim Kanton bisher keine eingegangen.

Somit scheint der VCS Aargau der erste zu sein, dem der Fussgängerstreifen missfällt. Ob hier jemand zu Besuch war und die wilden Wege der Luzerner nicht kennt? Möglich. Oder aber, Fussgänger haben keine Lobby. Man stelle sich vor, ein Veloweg würde in eine Wiese führen oder eine Gemeindestrasse. Der Aufschrei wäre sicherlich lauter.

Verwendete Quellen
  • Medieninformationen von «Walkable»
  • Telefonat mit einem Sprecher der Gemeinde Udligenswil
  • Schriftlicher Austausch mit Oliver Cometto, Dienststelle Verkehr- und Infrastruktur (Vif)
  • Eintrag auf der Plattform «Walkable»
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