So klappt es mit dem Durchgangsbahnhof

Bahnexperte will Luzern als neuen nationalen Knoten

Der Verkehrsplaner Philipp Morf kritisiert, wie der Durchgangsbahnhof begründet wird. (Bild: zvg / Visualisierung: Team Güller Güller, Atelier Brunecky, Zürich))

Auch ohne Ausbau des Schienennetzes könnten deutlich mehr Züge nach Luzern fahren, sagt ein Experte. Für den Bau des Durchgangsbahnhofs brauche es bessere Argumente.

In der Schweiz könnten 25 Prozent mehr Züge fahren – ohne einen einzigen Franken in Beton und Stahl zu stecken. So berichtet der «Tagesanzeiger», was Benedikt Weibel am Mittwoch im Verkehrshaus Luzern gesagt hat. Der ehemalige SBB-Chef will die Baupläne der SBB und des Bundes bremsen – wegen der Milliardenkosten.

Nach der Breitseite des 77-Jährigen wird nun auch der Durchgangsbahnhof Luzern (DBL) in die Mangel genommen. Nicht, weil ein Ausbau in Luzern nicht nötig sei – sondern, weil der Kanton eine bessere Begründung für das Milliardenprojekt brauche, sagt der Verkehrsplaner Philipp Morf. «Wenn man in Luzern erfolgreich sein will, ist es wichtig, eine nationale Begründung für den Durchgangsbahnhof zu entwickeln», erklärt er gegenüber zentralplus.

Der DBL ist ein Tiefbahnhof, der 3,3 Milliarden Franken kosten und die Anbindung der Stadt an den Rest des Landes deutlich verbessern soll. Über einen Baustart Anfang der 2030er-Jahre entscheidet das Bundesparlament voraussichtlich 2026.

Luzerner Büro hat eigenes Angebotskonzept errechnet

Philipp Morf ist CEO der Verkehrsplanungsfirma Otimon GmbH mit Sitz in Luzern. Er hat zwei Jahre lang ein eigenes Angebotskonzept für das Schienennetz der Bundesbahnen entwickelt. Gemeinsam mit führenden Verkehrsexperten, wie er sagt. Die Breitseite von Benedikt Weibel am Mittwoch im Verkehrshaus basiert auf den Berechnungen von Morf.

Der Winterthurer kann von seinem Büro beim Paulusplatz direkt auf das Luzerner Nadelöhr schauen. Das ist ein Abschnitt mit nur zwei Gleisen, durch den alle Züge – mit Ausnahme der Zentralbahn – durch müssen, bevor sie den Bahnhof Luzern erreichen. «Es gibt in der Schweiz keinen krasseren Engpass. Luzern ist im Schweizer Bahnnetz die Knacknuss», sagt er.

Philipp Morf vor der berühmten Engstelle der Bahn in der Neustadt Luzern. (Bild: zvg)

Den geplanten Ausbauschritt 2035 des Bundesrats – darin erwähnt ist auch der DBL – kritisiert Morf daher. Für Luzern sei keine Beseitigung des Engpasses inklusive der Einspur am Rotsee geplant. Ausserdem habe der Bund nicht überprüft, was auf dem heutigen Netz möglich sei – und nicht gezeigt, warum es die neuen Tunnel und Strecken im ganzen Land in ihrer Form brauche.

Experte: Deutlich mehr Züge von Luzern schon heute möglich

Nach seinen Berechnungen seien bereits jetzt deutlich mehr Züge von und nach Luzern möglich: halbstündliche Verbindungen nach Bern und Basel und viertelstündliche Verbindungen nach Zürich zum Beispiel. Es brauche einzig kluge Planung und politischen Willen. Vor acht Jahren lehnte der Kanton Luzern die Anbindung alle 15 Minuten an Zürich allerdings ab – wegen des Regionalverkehrs.

Ebenfalls möglich gemäss Morf: viertelstündliche S-Bahnen nach Sursee und Rotkreuz sowie mehr Züge nach Wolhusen und Hochdorf. Dazu stündliche Direktverbindungen ins Tessin, direkte Züge zum Flughafen Kloten, Winterthur und in die Westschweiz. «Wir müssen schon heute unsere Möglichkeiten voll ausschöpfen und alle Angebote umsetzen, die machbar sind», findet der Planer.

Strecke Luzern–Zürich wird nur mit Ausbauten schneller

Doch was bedeutet das für die Planung des Tiefbahnhofs in Luzern? Er soll einen Viertelstundentakt nach Zürich und bei den S-Bahnen ermöglichen und Reisezeiten Richtung Süden und Norden verkürzen. Braucht es ihn überhaupt, nachdem diese Takte gemäss Morf schon heute möglich sind?

«Wir wissen, dass es einen unterirdischen Bahnhof in Luzern braucht», sagt der Planer. Nur mit einem Ausbau könne die Bahn langfristig die Kapazitäten steigern und die Fahrzeiten in andere Zentren verkürzen. Mit über 40 Minuten sei die Strecke Luzern–Zürich gegenüber dem Auto heute nicht konkurrenzfähig. Schneller wird es erst nach dem Bau des Zimmerbergbasis-Tunnels II zwischen Zug und Zürich. Das zeige: «Ich bin nicht gegen Ausbauten im Netz, nur die Begründungen in der Politik sind häufig die falschen.»

Vielleicht brauche es sogar mehr als einen DBL, ergänzt der Verkehrsplaner. Damit meint er neue Infrastruktur, um die Stadt Kriens besser anzubinden – und eine gänzlich neue Achse durchs Land.

Durchgangsbahnhof als Knoten auf einer neuen Strecke West–Ost

Denn: Die Städte Luzern und Zug seien heute sehr schlecht an die Achse West–Ost angebunden. Daher machen er und sein Team einen Vorschlag für eine zweite West-Ost-Achse durchs Land – vom Raum Bern über Luzern bis nach St. Gallen. Davon hat auch Benedikt Weibel am Mittwoch im Verkehrshaus gesprochen.

Eine solche Achse würde laut Morf auch einen Ausbau am Bahnhof in Luzern nötig machen. Und die Chancen für den Bau des Durchgangsbahnhofs steigern. «Aktuell wird der DBL im übrigen Land als Partikularinteresse wahrgenommen. Dabei hat Luzern die ideale Lage, um zu einem nationalen Knoten im Schienenverkehr zu werden», sagt Philipp Morf. «Das fehlt in der aktuellen Planung.»

Verwendete Quellen
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon