Luzerner Regierung schmettert Tempo-50-Initiative der SVP ab

Die Luzerner Regierung will Tempo-30-Gesuche effizienter prüfen. Gleichzeitig erteilt sie der SVP und ihrem Kampf für Tempo 50 eine Absage.

Redaktion

Konstantin Kreibich

So etwas passiert selten: Was der Kanton Luzern Mitte März im Planungsbericht zu Tempo 30 auf Hauptstrassen innerorts aufzeigte, war weder Wasser auf die Mühlen der Gegner noch der Befürworter einer Temporeduktion. Es waren schlicht Fakten, was Tempo 30 bewirkt (zentralplus berichtete).

Das Ergebnis: Fahrzeiten verlängern sich marginal. Der Schleichverkehr durch Quartiere nimmt nicht zu. Der Ausstoss von Schadstoffen und der Treibstoffverbrauch bleiben ähnlich. Die Verkehrssicherheit und das Wohlbefinden der Anwohner steigen. Der Lärm geht zurück.

Nach der Vernehmlassung kommt der Bericht jetzt in den Kantonsrat

Mit dem Bericht wollte die Regierung die hitzige Debatte um Tempo 30 auf verkehrsorientierten Strassen innerorts «versachlichen». Ausserdem sollte ein neues Raster helfen, Gesuche für Tempo 30 zu prüfen. Im Frühling fand eine Vernehmlassung dazu statt, nun legt die Regierung dem Kantonsrat einen Entwurf zur Kenntnisnahme vor.

In seiner Mitteilung schreibt der Regierungsrat, der Bericht sei in der Vernehmlassung «von der Mehrheit» der 68 Beteiligten als «ausgewogen» empfunden worden. Neben Parteien, Privaten und Organisationen haben sich auch 44 Gemeindeverbände und Gemeinden zu dem 43-seitigen Bericht geäussert. Denn sie sind über das Vorgehen des Kantons verärgert.

Gemeinden fordern, hängige Gesuche endlich zu behandeln

Gemeinden erwarten durch Tempo 30 weniger Lärm, mehr Verkehrssicherheit und attraktive Zentren. Daher haben viele ein Gesuch auf Temporeduktion gestellt. Doch weil der Kanton die Gesuche auf Eis gelegt hat, müssen sie seit Jahren warten (zentralplus berichtete). Der Verband Luzerner Gemeinden (VLG) und eine Vielzahl von Gemeinden hätten daher gefordert, die hängigen Gesuche endlich zu behandeln, schreibt die Regierung.

Auf Basis der Vernehmlassung hat die Regierung den Planungsbericht präzisiert und das Raster entschlackt. Es enthält nun acht statt zehn Kriterien für die Beurteilung einer Tempo-30-Zone. Möglichst kurz und verhältnismässig soll sie sein. Letzteren Punkt kritisiert die SP gemäss einer Mitteilung. Die Benachteiligung langer Abschnitte sei in urbanen Räumen nicht zweckmässig.

Auf 0,3 Prozent der Kantonsstrassen gilt Tempo 30

Bürgerliche hätten dagegen in der Vernehmlassung begrüsst, dass der Kanton die Ausweitung von Tempo 30 auf Kantonsstrassen nicht «forciert». Bei der SVP währte die Freude allerdings nicht lang. Denn die Regierung hat auch über ihre Tempo-50-Initiative entschieden. Darin fordert die Partei, Tempo 50 auf Hauptverkehrsachsen innerorts gesetzlich zu verankern und zu begünstigen (zentralplus berichtete).

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Die Regierung lehnt das nun klar ab. «Der Kanton Luzern setzt bereits heute die Höchstgeschwindigkeit nur zurückhaltend herab», schreibt die Regierung. Tempo 30 auf Kantonsstrassen liesse sich nur aus «lärmrechtlichen Gründen oder für Verkehrssicherheit» einführen und nur nach einer «fundierten Prüfung im Einzelfall». Das würden auch die Zahlen beweisen.

Aktuell gelte auf rund 180 Kilometern Kantonsstrasse Tempo 50 und auf 1,5 Kilometern Tempo 30. Weitere 3,6 Kilometer seien für Tempo 30 «positiv» beurteilt worden. Insgesamt misst das Kantonsstrassennetz von Luzern 523 Kilometer. Tempo 30 gilt somit auf nur 0,3 Prozent der Kantonsstrassen.

SVP fürchtet, dass der Einzelfall zur Regel wird

Angela Lüthold, Fraktionspräsidentin der SVP, sagt dazu: «Unsere Sorge ist nicht übertrieben. Tendenziell greifen immer mehr Gemeinden zu diesem Instrument und stellen ein Gesuch um Temporeduktion.» Dies würden auch Erfahrungen aus anderen Kantonen zeigen.

Ihre Partei stehe dem Planungsbericht daher kritisch gegenüber. «Im Kanton Luzern werden angeblich die Interessen abgewogen. Eine Abweichung im Einzelfall ist möglich. Was, wenn der Einzelfall zur Regel wird?», fragt Lüthold. In einigen Gemeinden seien Temporeduktionen bereits bewilligt worden.

Aktuell müssen Gemeinden für ein Tempo-30-Gesuch beim Kanton ein Gutachten vorlegen, das den Zweck der Temporeduktion nachweist. Auf Nebenstrassen und in Wohnquartieren ist ein solches Gutachten seit Anfang 2023 nicht mehr nötig.

Luzerner Nationalrat beflügelt Tempo 50 innerorts

Die Forderung der SVP könnte trotz der Haltung der Luzerner Regierung Realität werden – allerdings in Bern.  Dort hat das Parlament eine Motion des Luzerner Nationalrats Peter Schilliger (FDP) überwiesen. Auch er fordert eine gesetzliche Verankerung von Tempo 50 auf «verkehrsorientierten» Strassen innerorts (zentralplus berichtete).

Wie auch die SVP Luzern argumentiert Schilliger, Tempo 30 verschlechtere den Verkehrsfluss, kreiere einen Flickenteppich an Tempolimits und verlangsame den Busverkehr, was Kosten verursache. Der Bundesrat sieht das anders, muss nun aber einen Vorschlag zur Umsetzung ausarbeiten.

Einige Kantonsräte haben die Luzerner Regierung in einer Anfrage daher gebeten, sich zu der Motion Schilliger und deren Einfluss auf die Tempo-30-Debatte im Kanton zu äussern. Der Regierungsrat antwortet jetzt, dass eine Anpassung der Bundesgesetze «noch längere Zeit in Anspruch nehmen kann».

Erst danach werde der Kanton prüfen, ob das kantonale Recht und die Bewilligungspraxis verändert würden. Sprich: In Luzern werden erst einmal Fakten geschaffen. Wenn Bern Tempo 50 auf Hauptstrassen in Ortschaften gesetzlich verankert, wird eventuell nachjustiert.