«Da kommt was auf uns zu»

Zuger warnt vor Killer-Shrimps und Kannibalen-Fischen

Norbert Oberholzer ist besorgt um die Fische im Zugersee. (Bild: Andreas Busslinger/wia)

Invasive Wassertiere bedrohen den Zugersee. Ein Zuger Fischer ist überzeugt, dass wir vor einem grossen Problem stehen.

Es ist eine gruselige Situation, die sich in den Tiefen des Sees abspielt. Während Karpfen im Winter am schummrigen Seegrund ihre Winterstarre halten, kommt ein kleiner Fisch daher. Harmlos sieht er aus, der zehn Zentimeter grosse Kerl mit dem herzigen Namen Blaubandbärbling. Die Niedlichkeit hält so lange an, bis dieser beginnt, seine Zähnchen ins Fleisch der ruhenden Fische zu hauen, die sich in ihrem reduzierten Modus nicht wehren können. Es entstehen Wunden, diese verursachen Krankheiten und führen nicht selten zum Tod der Karpfen.

Wäre das ein Einzelfall, wäre das nicht so schlimm. Der silberne Fisch vermehrt sich jedoch massenhaft und verdrängt somit andere Fischbestände.

Der Blaubandbärbling ist bereits in österreichischen Seen zuhause. Auch im Rhein wurde er bereits festgestellt. In den Zugersee hat er es jedoch noch nicht geschafft.

In Österreich bereits anzutreffen, im Zugersee noch nicht: der Blaubandbärbling. (Bild: Wikipedia/CC Seotaro)

Ganz im Gegensatz zu anderen invasiven Spezies, sogenannten Neozoen, welche es sich in den hiesigen Gewässern schon gemütlich gemacht haben und ein ernsthaftes Problem darstellen. Es ist längst nicht nur die Quaggamuschel, die Norbert Oberholzer bekümmert.

Hobbyfischer will die Bevölkerung sensibilisieren

Der Hobbyfischer sagt: «Für mich ist klar: Wenn die Bevölkerung jetzt nicht sensibilisiert wird, haben wir bald ein Problem. Nun, eigentlich haben wir jetzt schon ein Problem. Da kommt was auf uns zu.» zentralplus trifft den 82-Jährigen im Fischereimuseum Zug, wo er gerade eine Ausstellung zum Thema invasive Arten realisiert hat. «Die Bevölkerung muss informiert werden», sagt er dezidiert.

«Gerade erst wurde in Olten ein Egel gefunden, der eigentlich in Australien heimisch ist. Wir müssen uns wirklich Gedanken darüber machen, was wir hier in die Schweiz einschleppen, egal ob es sich um invasive Pflanzen oder Tiere handelt», sagt Oberholzer ernst. «Bei der Quaggamuschel haben wir zu spät reagiert.» Zu den Ausmassen dieses invasiven Seebewohners jedoch später.

«Der Höckerflohkrebs frisst nicht nur abgestorbene Pflanzen, sondern auch Artgenossen. Wir nennen ihn auch den Killer-Shrimp.»

Norbert Oberholzer, Zuger Hobbyfischer

Stattdessen erzählt Oberholzer von einer anderen Spezies, die es bereits vom Schwarzen Meer bis in unsere Breitengrade geschafft hat: Der Höckerflohkrebs. «Dieser frisst nicht nur abgestorbene Pflanzen, sondern auch Insekten sowie Artgenossen. Wir nennen ihn daher auch den Killer-Shrimp.» Der Fischer weiter: «Wir müssen damit rechnen, dass der hier einheimische Bachflohkrebs deshalb über kurz oder lang verschwindet.»

Ob es wirklich so weit kommt, weiss noch niemand. «Das ist das Problem bei diesen invasiven Arten. Es ist stets unklar, was ein neues Tier oder eine Pflanze für das Ökosystem bedeutet.» Im Norden der Schweiz, genauer gesagt am Bodensee, spielen sich derzeit wenig erbauliche Szenen ab. Dies nicht nur bezüglich Quaggamuschel, die sich dort in rasendem Tempo verbreitet.

Der Dreistachlige Stichling klingt lustiger als er ist

«Auch der Dreistachlige Stichling ist ein riesiges Problem im Bodensee. Dieser vermehrt sich in grossem Ausmass und ernährt sich von Plankton, von dem sich auch andere Fische ernähren. Damit ist er ein Nahrungskonkurrent», sagt Oberholzer. «2013 wurde der Fisch zum ersten Mal im Bodensee festgestellt. Heute bildet er rund 80 Prozent des Fischbestandes im Bodensee-Obersee und landet entsprechend oft in den Netzen. Das Problem: Er ist so klein, dass er nicht verwertbar ist.»

Der Dreistachliger Stichling ist wohl auch einer der Hauptschuldigen dafür, dass es momentan verboten ist, im Bodensee Felchen zu fischen. «Es gibt schlicht zu wenig davon.» Auch in Zug ist der Dreistachliche Stichling kein Unbekannter. «Obwohl er hier bislang nur vereinzelt vorkommt.» Ähnlich ungemütlich ist die Situation am Rhein mit der Schwarzmeergrundel. «Bei Basel wimmelt es am Flussboden nur so von dieser Fischart. Sie hat wohl mit Frachtschiffen den Weg in die Schweiz gefunden. Immerhin kann man sie essen.» Mittels Sperren will man die Invasion nun eindämmen.

Frachtschiffe bringen nicht nur Plastik, sondern auch invasive Arten

Die erwähnte Einschleppung durch Frachtschiffe ist nur eine Möglichkeit, wie Neozoen in hiesige Gewässer gelangen. Um genügend stabil zu bleiben, werden Frachter bei geringer Beladung mit Ballastwasser, also Meerwasser, befüllt. Kommen Container auf die Schiffe, lassen sie dieses Wasser wieder ab. Auf diese Weise können Organismen aus aller Welt – trotz klarer Vorschriften – in andere Gegenden gelangen. Dazu kommt, dass Schifffahrtswege in Europa sehr gut erschlossen sind.

Doch auch Einzelpersonen sorgen immer wieder dafür, dass sich fremde Arten ausbreiten. Ein Beispiel von Norbert Oberholzer: «Der Sonnenbarsch ist ein exotischer Zierfisch. Dieser ist mit Sicherheit in den Zugersee gelangt, weil er von Aquariumbesitzern ausgesetzt wurde.» Immerhin lasse er sich sowohl gut fischen als auch auftischen.

Auch Quallen finden den Weg in Schweizer Gewässer

Apropos exotisch. Wer gerne im See badet, weil er hier im Süsswasser von Quallen und anderem Getier sicher ist, dürfte diese Nachricht nur ungern lesen: «Seit 2020 existiert im Bodensee die Süsswasserqualle, welche eigentlich aus Ostasien stammt.» Das kuriose Tier trägt, wie es Quallen so tun, einen Schirmrand mit über 600 nesselbesetzten, fadenförmigen Tentakeln und ist 2,5 Zentimeter gross.

«Das Problem bei der Quaggamuschel ist, dass sie sich rasant und bis in grosse Tiefen verbreitet.»

Norbert Oberholzer, Zuger Hobbyfischer

«Bei der Süsswasserqualle gibt es jedoch eine Entwarnung. Sie nesselt nicht, das heisst, sie ist für Menschen ungefährlich. Ausserdem mag sie Wassertemperaturen von mindestens 25 Grad, was die Ausbreitung verhindert.» Trotzdem gibt Oberholzer du bedenken: «Es ist aufgrund der Klimaerwärmung nicht ausgeschlossen, dass dereinst auch grössere Quallenarten den Weg zu uns finden. Darunter auch solche, die nesseln.»

Die Süsswasserqualle wurde in der Schweiz bereits gesichtet. Eine Bedrohung stellt sie nicht dar. (Bild: Wikipedia)

Muscheln reinigen das Wasser – leider etwas zu stark

Letztlich kommt man nicht drumherum, doch noch über die Quaggamuschel zu sprechen. Oberholzer: «Das Problem ist, dass sie sich rasant und bis in grosse Tiefen verbreitet.» Und hier liegt der grosse Unterschied zur Dreikant-Muschel, einem weiteren Neozoon, das schon länger im Zugersee zu finden ist. «Diese vermehrt sich nur bei Temperaturen über 15 Grad. Ausserdem findet man sie nur bis in Tiefen von 20 Meter, womit sie Wasservögeln als Futter dienen und so reguliert werden», sagt Oberholzer.

Wie die Quaggamuschel macht es sich auch die Dreikant-Muschel gern auf Leitungen gemütlich und verstopft diese. «Aufgrunddessen wurden diese vor Jahren einfach tiefer herabgesetzt. Mit der Quagga-Muschel geht das jedoch nicht mehr.» Ein weiteres Problem, das Muscheln mit sich bringen: «Sie filtern eine ungeheure Menge an Wasser. Das ist per se nicht schlecht, doch brauchen die Fische ein gewisses Mass an Nährstoffen wie Plankton, um zu überleben.»

Was könnte die Lösung sein im Bezug auf die Neozoen? Darauf gibt es laut Oberholzer keine abschliessende Antwort: «Mit der Quaggamuschel müssen wir nun leben. Anders als die Körbchenmuschel, die bereits im Bodensee zu finden ist, kann man die Quaggamuschel aufgrund ihres geringen Fleischanteils nicht einmal essen.»

Weiter sagt Oberholzer: «Wir können ausserdem nicht einfach grössere Fische aussetzen, damit diese die invasiven Arten fressen. Verschiedene Beispiele haben gezeigt, dass man die Auswirkungen, welche neue Arten aufs Ökosystem haben, nicht voraussehen kann. Diese wiederum können zu neuen Problemen führen.»

Für den Hobbyfischer ist klar: «Jedes Tier ist für mich schön. Und jede Art hat ihre positiven Eigenschaften. Nur wird es dann problematisch, wenn die negativen Eigenschaften derart überwiegen wie bei den genannten Spezies.»

Verwendete Quellen
  • Persönliches Gespräch mit Norbert Oberholzer
  • Besuch der Ausstellung
  • Informationen der Umweltberatung Luzern zur Schwarzmeergrundel
  • Infos von «Focus» zum Blaubandbärbling
  • Informationen des deutschen Bundesamtes für Seeschifffahrt über Ballastwasser
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