Luzern und Zug mit Negativrekorden

Warum 2024 für unsere Seen schlimm wird

Neun von zehn Felchen im Hallwilersee werden künstlich zugesetzt, da die Reproduktion stockt. (Bild: Archivbild: zvg)

Niedriger Sauerstoffgehalt, Phosphorbelastung, Fischleiden: Luzerner und Zuger Seen geht es schon lange nicht gut. Starker Regen könnte das nun verschlimmern, warnen Umweltschützer.

Luzerns Seetal sorgt seit Jahrzehnten für Negativschlagzeilen. Wegen des hohen Phosphorgehalts sind die Seen erkrankt, der Sauerstoffgehalt in der Tiefe zu gering, und in der Folge leiden die Fische. Künstliche Belüftungsanlagen haben die Situation zwar stark verbessert, doch die Natur bleibt aus dem Gleichgewicht.

Pro Natura Luzern beobachtet die erkrankten Seen mit Sorge. Geschäftsführerin Patricia Burri sagt zu zentralplus, der Kanton benötige ein Umdenken bei der Tierhaltung. Denn: Das Jahr 2024 und sein Regensommer könnten die Lage im Seetal verschlimmern. Der Bauernverband Luzern zweifelt daran.

Mai war in Luzern und Zug doppelt so nass wie normal

Regen, Sommer, miese Laune: So ging es vielen Schweizerinnen an einem der zig grauen Wochenenden im Frühsommer. In Luzern und Zug fiel im Mai rund 200 Prozent mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel für den gleichen Monat, wie Daten von Meteo Schweiz zeigen (blaue Flächen).

Niederschlagssummen im Mai 2024 im Verhältnis zur mittleren Mai-Niederschlagssumme 1991–2020. (Bild: Meteo Schweiz)

Der Regen hatte Folgen: Im Wallis, wo es stellenweise dreimal mehr Niederschlag gab als im langjährigen Schnitt, gab es Überschwemmungen, in Graubünden zerstörte Brücken und Hangrutsche. Und in Zug und Luzern seien die bereits erkrankten Seen wohl noch kränker geworden, vermutet Patricia Burri von Pro Natura Luzern.

In regenreichen Jahren gelange durch Auswaschung der Böden besonders viel Phosphor in die Seen, schreibt die Geschäftsführerin. «Es muss deshalb für 2024 ein hoher P-Wert befürchtet werden.»

Luzerner Seen leiden unter Sauerstoffmangel

Verantwortlich für den Phosphor in den Seen ist vor allem die Landwirtschaft. Bauern rund um den Baldegger-, Hallwiler- und Sempachersee nutzen Gülle, um ihre Felder mit Nährstoffen zu versorgen. Darin enthalten ist Phosphor. Versickert Regenwasser, spült es den Phosphor in die Seen, wo der Stoff den Algenwuchs fördert: je mehr Regen, desto mehr Algen.

Sterben diese Algen brauchen Bakterien wiederum Sauerstoff, um sie abzubauen, wodurch der Sauerstoffgehalt am Seegrund sinkt. Die Folge: Einheimische Fischarten können sich schlechter fortpflanzen, vor allem Felchenarten. 90 Prozent der Felchen im Hallwilersee seien zugesetzt worden, schreiben Fachmedien für Fischer.

Belüftung von Seen – und neue Regeln für Luzerner Bauern

Seit 40 Jahren werden die Luzerner Seen daher künstlich belüftet, haben aber immer noch leicht erhöhte Phosphorwerte. Noch mindestens zehn Jahre werden im Seetal daher Belüftungsanlagen gebraucht (zentralplus berichtete).

Schlechter geht es dem Zugersee: Weil er noch immer deutlich über dem gewünschten Wert für Phosphor liegt, plant der Kanton Zug ebenfalls eine künstliche Belüftung (zentralplus berichtete).

Phosphor im Baldeggersee ist seit 1970 stark zurückgegangen. (Bild: BAFU, CIPEL, BOWIS)

Neben der Belüftung hat der Kanton Luzern Ursachen bekämpft: Vor rund drei Jahren wurde die Phosphorverordnung so angepasst, dass Landwirte an den drei Seen weniger düngen – und ihre Tierbestände nicht aufstocken dürfen. 145 Bauern hatten sich dagegen bis vor Bundesgericht gewehrt, doch verloren (zentralplus berichtete).

Pro Natura fordert strengere Regeln für Bauern

Patricia Burri ist das nicht genug. Sie sagt: «Die Massnahmen reichen nicht aus, damit die vereinbarten Ziele erfüllt werden.» Der Verband fordert, die Düngergaben weiter zu reduzieren – und den Tierbestand ebenfalls. Schon vor 20 Jahren habe Pro Natura dies vorgeschlagen – umgesetzt worden sei es aber nie.

Die Bauern können mit ihrem Vorschlag wenig anfangen. Raphael Felder ist Geschäftsführer des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands und schreibt: «Die Begrenzung der Tierbestände hat kaum Einfluss auf den Phosphoreintrag in die Seen.» Denn eine Überdüngung sei schon heute verboten.

Bauern: Düngen wird bereits eingeschränkt

Wegen der neuen Regeln dürfen Bauern am Baldegger- und Sempachersee nur noch 80 respektive 90 Prozent der von den Pflanzen benötigten Nährstoffe auf den Feldern ausbringen. Den Rest müssen die Pflanzen aus den Böden ziehen, die wegen der letzten Jahrzehnte überdüngt sind (zentralplus berichtete).

Auch Siedlungsabwasser würden Phosphor in die Seen spülen, betont Raphael Felder, und fordert eine genaue Analyse der Phosphorquellen. Gemäss dem Kanton werden nur zehn Prozent der Chemikalie durch gereinigtes Wasser aus den Kläranlagen in die Seen gespült. Unter anderem ist der Stoff auch in Waschmitteln enthalten.

Hitze und starke Regenfälle schaden den Luzerner Seen

Weiter bezweifelt Raphael Felder, dass der Regensommer den Luzerner Seen schaden wird. «Wäre die gleiche Wassermenge in kurzen Starkregenereignissen gefallen, wäre mit deutlich höheren Einträgen zu rechnen.» Weil es aber viel Niederschlag mit geringer Intensität gegeben habe, wolle er Pro Naturas Einschätzung nicht «ohne Weiteres» bestätigen.

Regenfälle sind allerdings nicht das einzige Problem. Der Gemeindeverband Baldegger- und Hallwilersee erklärte kürzlich, dass auch Hitze zum Problem werde. «Je heisser es ist, desto schwieriger wird die Belüftung der Seen» (zentralplus berichtete). Ob nun die Hitze oder der Regen schuld ist: 2024 wird für unsere Seen kein gutes Jahr.

Verwendete Quellen
  • Bericht des Kantons Luzern zur Abwasserreinigung von 2019
  • zentralplus-Medienarchiv zur Belüftung Seen
  • Schriftlicher Austausch mit Patricia Burri, Geschäftsführerin Pro Natura Luzern
  • Beitrag des Bundesamts für Umwelt zur Wasserqualität in Schweizer Seen
  • Artikel auf «Petri Heil»
  • Beitrag des Bundesamts für Statistik zur Wasserqualität in Schweizer Seen
  • Schriftlicher Austausch mit Raphael Felder, Geschäftsführer des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbands
  • Wetterdaten von Meteo Schweiz zum Mai 2024
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