Wegen Gewitter in Luzern

Vögeligärtli: Teil der Baumkrone kracht runter und befreit Bienen

Der abgesperrte Bereich im Vögeligärtli sorgt für Aufsehen. (Bild: kok)

Beim Gewitter vergangene Woche krachte im Luzerner Vögeligärtli ein Kronenteil der Ulme ab und fiel in die Sicherungsseile. Die Stadt hat den monströsen Ast am Mittwoch «mit Samthandschuhen» geborgen. Denn es wimmelt von Bienen.

Ist hier ein Baum gefällt worden? Diese Frage stellen sich viele Luzerner, die in letzter Zeit am Vögeligärtli vorbeigekommen sind. Denn im kleinen Park im Herzen der Luzerner Neustadt liegt ein rund 20 Meter langer und 15 Meter breiter Stamm, eingezäunt von Flatterband. Doch wer genauer hinschaut, erkennt: Dort liegt kein Baum, sondern ein Ast.

Die alte Ulme im Vögeligärtli

Der Ast gehört zu einer mächtigen Bergulme, die mitten in der Parkanlage thront. «Soweit man weiss, ist das eine der voluminösesten Ulmen der Schweiz», sagt Michael Sigrist, Baumpfleger von Stadtgrün, der am Donnerstag vor Ort ist. Die Ulme sei eine «recht wüchsige» Baumart, das Exemplar im Vögeligärtli messe über 30 Meter.

Er schätzt den Baum auf 100 bis 150 Jahre. Um es genau zu wissen, müsse man aber in Archiven nachschauen oder eine Bohrung machen. Dass der Baumpfleger diese Woche an der alten Ulme zu tun hat, geht auf das Gewitter vergangenen Dienstag zurück. Als Spitzenböen von bis zu 120 Kilometern pro Stunde über Luzern pfiffen (zentralplus berichtete).

In der Bruchstelle befindet sich ein Bienennest

«Bei dem Gewitter ist ein Kronenteil gebrochen und in den Sicherungsseilen hängen geblieben», erzählt Michael Sigrist. Die Sicherungsseile seien schon seit 13 Jahren angebracht, weil die Ulme verschiedene Defekte habe. Es gäbe «enge Vergabelungen» mit eingewachsener Rinde, die statisch «nicht optimal» seien. «Ausserdem gab es eine offene Höhle mit einem Bienennest.»

Alle ein bis zwei Jahre überprüft die Stadt die Sicherungen, alle acht bis zehn Jahre werden sie erneuert. Sie würden Bäume für Windbelastungen bis Windstufe Sturm absichern, schreibt Stadtgrün auf Anfrage. Der Wind vergangenen Dienstag sei aber «aussergewöhnlich stark» gewesen.

«Bisher haben wir uns in der Krone mit Samthandschuhen vorangetastet.»

Michael Sigrist, Baumpfleger von Stadtgrün

Am Mittwoch hat ein Team von Stadtgrün den abgebrochenen Teil mit einem Kranfahrzeug aus der Krone gehoben. Jetzt lässt sich die eindrucksvolle Bienenhöhle auch am Boden bewundern. Denn sie befindet sich genau in der Bruchstelle des mächtigen Astes, der seit Mittwochnachmittag im Vögeligärtli liegt.

«Wir haben jemanden im Betrieb, der privat imkert», erzählt der Baumpfleger. Die Person kümmere sich darum, die Bienen umzusiedeln. Auch jene, die noch immer in der Krone sind. «Zurzeit schwärmen recht viele Bienen um die Bruchstelle herum», sagt Michael Sigrist. «Bisher haben wir uns in der Krone mit Samthandschuhen vorangetastet.»

Am Donnerstag mussten er und sein Team wieder Sicherungsseile anbringen, da einige am Vortag entfernt wurden, um den beschädigten Kronenteil zu bergen. «Jetzt ist erst mal für die unmittelbare Sicherheit gesorgt», sagt der Baumpfleger. Wenn die Tierchen dann weg sind, wird Stadtgrün die bestehenden Sicherungsseile neu beurteilen und Anpassungen an der Krone vornehmen. «Um die Sicherheit zu gewährleisten», bestätigt Stadtgrün.

Restaurantgarten musste gesperrt werden

Unmittelbar betroffen von dem Sturmschaden war das Restaurant Bellini Locanda Ticinese. Denn sein Aussenbereich mit Tischen befindet sich unmittelbar unter der mächtigen Ulme. Josef Francis, Chef des Service, erinnert sich daran, als es gekracht hat.

«Es hat stark gewindet, und wir haben schon vorher den Garten zugemacht.» Alle Gäste und Mitarbeiter seien nach drinnen gegangen. Als er nach 15 Minuten wieder in den Garten kam, lagen grosse Äste verteilt auf dem Boden – und der abgebrochene Teil der Baumkrone hing in den Seilen.

Das Tessiner Restaurant hat seinen Aussenbereich unter der Ulme. (Bild: kok)

«Am nächsten Tag kam die Stadt und hat gesagt, wir dürfen den Garten nicht mehr öffnen, weil es zu gefährlich ist», erinnert sich Josef Francis. Auch der Spielplatz nebenan und Teile der Wiese seien abgesperrt worden. «Dann war der Garten eine Woche zu.»

Seit Mittwoch darf das Tessiner Restaurant seinen Aussenbereich wieder öffnen. Darüber freut sich das Team. «Die ganze vergangene Woche war sehr schön, wir konnten aber nur drinnen und einige Tische auf dem Trottoir nutzen.» Jetzt kann das Sommergeschäft wie gewohnt weitergehen, unter der wohl voluminösesten Ulme der Schweiz.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Josef Francis, Chef des Service, Bellini Locanda Ticinese
  • Gespräch mit Michael Sigrist, Stadtgrün Baumpfleger
  • Schriftlicher Austausch mit David Risi, Fachbearbeiter bei Stadtgrün
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