Projekt setzt Anreize für Zuger Bauern

Kanton zahlt Geld für Kühe, die weniger furzen

Zuger Bauern werden mit Anreizen gelockt, mehr für den Umweltschutz zu tun. (Bild: zvg)

Bauern, die der Natur Sorge tragen, werden per sofort vom Kanton Zug belohnt. Ein neues Projekt ist soeben gestartet, es ist jedoch noch lange nicht fertig. Denn aus den sieben aktuellen Massnahmen sollen Dutzende werden.

Die Landwirtschaft ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen brauchen wir sie, ermöglicht sie der Schweiz doch ein Stück Unabhängigkeit und Ernährungssicherheit. Zum anderen verursachen Bauernbetriebe Emissionen, die der Umwelt teils markant schaden. Angefangen bei Methangas, das geblähten Kühen entweicht, über Gülle, die ins Grundwasser gelangt, bis hin zu Pestiziden, die zwar der Schnecke den Garaus machen, aber leider auch Wildbienen zum Verhängnis werden.

Das soll sich nun ändern. Im Herbst forderte der Zuger Kantonsrat die Regierung auf, ein Projekt zur Förderung von zukunftsgerichteten Massnahmen in der Zuger Landwirtschaft zu erarbeiten. Der Kanton erarbeitete daraufhin das aufs Landwirtschaftsgesetz gestützte Projekt Kerb (Klima, Energie, Ressourcen, Biodiversität).

Bislang wurden sieben Massnahmen festgelegt, für die sich Zuger Landwirtinnen auf freiwilliger Basis anmelden können. Ziele sind unter anderem ein tieferer Ressourcenverbrauch sowie die Senkung der Umweltbelastung im Boden, Wasser und der Luft. Auch die Energiewirtschaft und resiliente Anbausysteme sollen gefördert werden.

30 Franken für eine Kuh, die weniger furzt

Ein Beispiel: Wer neu seinem Vieh methanhemmende Pflanzenextrakte verabreicht und damit dafür sorgt, dass diese weniger Gas ausstossen, erhält pro Milchkuh 30 Franken im Jahr.

«Die Sonnenblume braucht fast kein Pflanzenschutzmittel.»

Thomas Wiederkehr, Leiter Landwirtschaftsamt

Auch gewisse Kulturen werden neuerdings gefördert. So beispielsweise der Anbau der Sonnenblume. Thomas Wiederkehr, der Leiter des kantonalen Landwirtschaftsamtes, erklärt auf Anfrage: «Aus Sonnenblumen wird insbesondere Speiseöl gewonnen, die Kultur ist also vergleichbar mit Raps.» Doch verfüge die Sonnenblume über einen bedeutenden Vorteil: «Sie braucht fast kein Pflanzenschutzmittel. Es ist im Sinne der menschlichen Ernährung positiv, wenn wir solche riskanten Mittel einsparen können.»

Das sind die sieben Startmassnahmen

Mit folgenden Massnahmen ist das Projekt gestartet:

Kerb 01: Ersatz von offenen und defekten Schachtdeckeln

Kerb 02: Methanhemmende Fütterung von Kühen

Kerb 03: Förderung Körnerleguminosen und Sonnenblumen

Kerb 04: Kulturen für die Humanernährung

Kerb 05: Abdeckung offener Güllelager

Kerb 06: Biosicherheit auf Schweinebetrieben

Kerb 07: Robuste Stein- und Kernobstsorten

Doch gibt es gute Gründe, weshalb die hübsche Pflanze hierzulande kaum flächendeckend anzutreffen ist. «Die Sonnenblume braucht mehr Sonne als etwa Mais. Zwar ist man heute mit den Züchtungen so weit, dass die Pflanze auch hier wächst.» Doch bedürfe sie anderer Maschinenaufsätze und einer anderen Verarbeitung als etwa Mais oder Korn.

Neu wird der Anbau mit 800 bis 1200 Franken pro Hektare vergütet. «Der Kanton federt mit den Beiträgen das Startrisiko ab», sagt Wiederkehr.

Wie knifflig es ist, Sonnenblumen anzubauen, hat bereits mindestens ein Zuger Landwirt heuer erfahren. Beim Versuch, die Ölpflanze anzubauen, scheiterte Landwirt Philipp Freimann aufgrund des nassen Wetters schon vor der Aussaat. Er schwenkte, zumindest für dieses Jahr, auf Mais um.

Einige Massnahmen betreffen nur wenige Bauern

Eine der sieben Massnahmen beinhaltet den Ersatz offener und defekter Schachtdeckel. Damit soll Dünger nicht direkt ins Wasser fliessen. Dafür erhalten Landwirte eine Entschädigung von 150 Franken pro Deckel. Nanu? Ist das nicht eine Massnahme, die doch eher selbstverständlich ist?

Wiederkehr sagt dazu: «Tatsächlich gibt es im Kanton Zug nicht viele solcher offener Schächte. Die meisten befinden sich zudem im Naturschutzgebiet, wo sowieso nicht mit Dünger und Pflanzenschutzmittel gearbeitet wird.»

Handelt es sich demnach um eine PR-Massnahme? «Nein. In anderen Kantonen wurde diese Massnahme ebenfalls aufgeführt, weil sie dort einige Landwirte betrifft. Das Problem ist also nicht frei erfunden, und wir wollten diesbezüglich mitgehen, obwohl bei uns nur wenige Betriebe betroffen sind.»

20 Prozent der Zuger Bauern machen bisher mit

Rund 20 Prozent der Zuger Bauernbetriebe, 96 an der Zahl, haben sich bislang beim Kanton für das Projekt Kerb angemeldet. Durchschnittlich möchten sie rund 1,4 Massnahmen (136 total) übernehmen, wie Wiederkehr sagt. «Die Einführungszeit war sehr kurz und die Betriebe hatten nur ein paar Wochen, um sich anzumelden. Diesbezüglich werte ich diese Quote als gut.»

Dennoch hoffe er, dass die Zahl der teilnehmenden Landwirte weiter steige. «Es gilt jedoch zu bedenken, dass viele Betriebe nicht bei allen Massnahmen mitmachen können. Jene im Bereich Ackerbau gelten beispielsweise nicht für Bauern in den Berggebieten.»

«Durch die Reduktion des Viehbestands liesse sich der ökologische Fussabdruck markant verbessern.»

Romed Aschwanden, Geschäftsleiter WWF Zug

Bei der Erarbeitung des Projekts skizzierten Landwirte 50 Massnahmen, von denen sieben durch den Kanton umgesetzt wurden. Doch es sollen immer mehr werden. Bereits für kommenden Sommer stehen 20 weitere Massnahmen zur Diskussion.

«Gemeinsam mit dem landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungszentrum Schluechthof (LBBZ) wollen wir das Projekt stetig weiterentwickeln. Dabei soll es nicht nur um Anschubfinanzierungen gehen, sondern in weiteren Projekten etwa auch um Weiterbildungen oder Pilotprojekte, die wir fördern möchten.» Das Projekt Kerb stehe am Anfang und werde jährlich überarbeitet, betont Wiederkehr. Das Kostendach des Kantons liegt bei 400’000 Franken für alle Massnahmen und unterliegt der jährlichen Genehmigung durch den Kantonsrat.

WWF sieht noch mehr Potenzial

Bei der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF ist man dem Projekt gegenüber positiv gestimmt. «Wir wissen den Effort des Kantons zu schätzen. Die sieben ersten Massnahmen sind als sofortige Schritte griffig. Es ist also mit einem unmittelbaren Effekt zu rechnen», sagt WWF-Zug-Geschäftsleiter Romed Aschwanden. «Doch braucht es langfristig mehr Einsatz.»

Was sich Aschwanden wünschen würde? «Ein sehr wichtiger Faktor in Sachen Umweltschutz ist die Fleisch- und Milchproduktion. Viele Zuger Landwirtschaftsbetriebe sind darauf ausgerichtet. Durch die Reduktion des Viehbestands liesse sich der ökologische Fussabdruck markant verbessern.» Er sei sich jedoch bewusst, dass das leichter gesagt sei als getan. «Solche Vorschläge werden, gerade in Landwirtschaftskreisen, nicht unbedingt positiv wahrgenommen. Letztlich hängt die Fleisch- und Milchproduktion mit unseren Konsumgewohnheiten zusammen.»

Auch im Bereich der regenerativen Landwirtschaft, bei der der Humusaufbau bewusst gefördert wird, ortet er Potenzial. «In der konventionellen Landwirtschaft werden die Böden mit grossen Maschinen gepflügt. Darunter leiden der Boden und die Bodenlebewesen stark. Über kurz oder lang schadet dies der Fruchtbarkeit des Bodens», erklärt Aschwanden.

Bio als Lösung?

Weniger wohlwollend gegenüber dem Projekt äussert sich Peter Waltenspül, der in Neuheim einen Bio-Hof betreibt. Er ist der Ansicht, dass die Wirkung auf eine ressourcenschonende Lanwirtschaft mit den aktuell beschlossenen Massnahmen eher von geringer Bedeutung seien. Viel eher sei das Problem an der Ursache anzugehen «und nicht bei den Symptomen». Waltenspül weiter: «Die geschaffene Systematik in der wir uns befinden, beruht immer auf der Bekämpfung der Symptomen. Und so drehen wir uns immer im Kreis.»

«Eine Biooffensive würde die gesteckten Ziele grösstenteils erfüllen.»

Peter Waltenspül, Biobauer aus Neuheim

Der biologische Landbau sieht er als Lösung, sie sei «erwiesenermassen eine der nachhaltigsten Produktionsmethoden». «Eine Biooffensive würde die gesteckten Ziele grösstenteils erfüllen. Mit einer standortangepassten Tierhaltung im geschlossenen Kreislauf gäbe es weniger Emissionen und Senkung der Treibhausgasen.»

Ebenfalls, so findet der Präsident der Biobauern Zug, sollten die Haltungssysteme angepasst werden. «Der Umgang mit unserer wichtigsten Ressource, dem Boden, ist dringend mehr Beachtung zu schenken in Form von Aus und Weiterbildungen.»

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Thomas Wiederkehr
  • Telefonat mit Romed Aschwanden
  • Telefonat und schriftlicher Austausch mit Bio-Landwirt Peter Waltenspül
  • Artikel in der «Zuger Zeitung»
  • Informationen des Kantons
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