Aus dem Ausland eingeschleppt

Gefundenes Pestizid auf Spielplatz in Unterägeri ist illegal

Das Pestizid, das auf dem Spielplatz Birkenwäldli in Unterägeri gefunden wurde, ist in der Schweiz illegal. (Bild: Kinderdings)

Auf mehreren Spielplätzen in der Schweiz wurden Rückstände von Pestiziden gefunden – so auch in Unterägeri. Wie sich jetzt zeigt, ist einer der Wirkstoffe in der Schweiz illegal.

Das Magazin «K-Tipp» hat seine Mitarbeiter losgeschickt, um auf Spielplätzen nach Rückständen von Pestiziden zu suchen. Auf sechs von zehn untersuchten Spielplätzen sind sie fündig geworden. Auch auf dem Spielplatz Birkenwäldli in Unterägeri.

Gras, Blumen, Blätter und Holzschnitzel hat das Magazin aufgesammelt und auf 600 Pestizide testen lassen. In Unterägeri fanden sie dabei die drei Insektizide Formetanat und Pyrethrin I und II. Die Vermutung der Journalisten: Die Giftstoffe könnten von nahen Äckern und Feldern mit dem Wind auf den Spielplatz geblasen worden sein.

Doch nun zeigen Recherchen von zentralplus, dass diese Erklärung unwahrscheinlich ist. Denn der gefundene Stoff Formetanat ist in der Schweiz illegal. Das wirft die Frage auf, ob die Gemeinde nicht dafür Sorge tragen müsste, die Giftstoffe zu beseitigen.

Die Gefahren von Formetanat

Alle in der Schweiz genehmigten Pestizide befinden sich im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Der Wirkstoff Pyrethrin, der ebenfalls in Unterägeri festgestellt wurde, ist dort aufgeführt. Nicht aber Formetanat.

Das ist nicht überall so. In der EU kann Formetanat seit Oktober 2007 zugelassen werden. Die Länder sollen aber «besonders darauf achten», Vögel, Säugetiere, Bienen und Insekten vor dem Wirkstoff zu schützen. Auch in Deutschland, wo Formetanat erlaubt ist, warnt der Bund vor den Gefahren für das Tierreich, insbesondere für Fische.

Pestizid
Der Wind kann den Pestizid-Nebel auch in die umliegende Landschaft tragen. (Bild: Adobe Stock)

In die Schlagzeilen geriet Formetanat vor rund 15 Jahren, als Spuren davon in deutschen Erdbeeren gefunden wurden. Da der Wirkstoff nur in höheren Mengen für Menschen gefährlich ist, stufte das Bundesinstitut für Risikobewertung den Fall als unbedenklich ein. Bei der Verwendung ist darauf zu achten, dass der Stoff vom Wind abgetragen werden oder ins Grundwasser sickern kann.

Verbreitung über importierte Zierpflanzen

Wie ist also der verbotene Wirkstoff auf dem Spielplatz Birkenwäldli gelandet? Da Formetanat hierzulande verboten ist, sei es «äusserst unwahrscheinlich», dass der Stoff von «landwirtschaftlichen Anwendungen auf benachbarten Parzellen» stamme, schreibt das BLV auf Anfrage.

Das Bundesamt hat eine andere Vermutung. «Allenfalls könnten aus dem Ausland importierte Zierpflanzen, die in den untersuchten Spielplätzen gepflanzt wurden, im Herkunftsland mit diesem Wirkstoff behandelt worden sein», mutmasst das BLV.

«Die Mengen, die gefunden wurden, sind sehr gering und nicht gefährlich.»

Fridolin Bossard, Gemeindepräsident von Unterägeri

Eine ähnliche Vermutung äussert auch Fridolin Bossard, Gemeindepräsident von Unterägeri, auf Anfrage. «Es könnte sein, dass die Pestizide aus irgendeinem Garten stammen.» Denn die Gemeinde selbst verwende keine Pestizide. Und der Spielplatz Birkenwäldli sei zuletzt nicht mit Pflanzen, sondern nur mit neuen Spielgeräten bestückt worden.

Artikel sorgt für Ärger in der Gemeinde Unterägeri

Daher ärgert sich der Gemeindepräsident über den Bericht von «K-Tipp». «Die Mengen, die gefunden wurden, sind gemäss dem «K-Tipp»-Artikel sehr gering und nicht gefährlich. Es ist kein Problem, weswegen wir handeln müssen.»

Stattdessen sei Unterägeri bei dem Magazin vorstellig geworden und habe erklärt, mit der Berichterstattung nicht einverstanden zu sein. Eigene Abklärungen, wie gefährlich der Stoff für die Insekten- und Fischwelt ist, wurden keine eingeleitet.

Anders gehandhabt hat es die Gemeinde Berikon im Aargau. Denn auch dort hatte «K-Tipp» den verbotenen Wirkstoff festgestellt. «Wir haben beim K-Tipp nachgefragt, wie hoch die Belastung ist und mit dem Kanton geklärt, wo die zulässigen Grenzwerte liegen», sagt der Gemeindeammann auf Anfrage. Denn wie hoch die gemessene Pestizid-Belastung auf den Spielplätzen genau war, hat «K-Tipp» nicht veröffentlicht. Die Abklärungen in Berikon hätten ergeben, dass es keine Massnahmen brauche.

In den übrigen betroffenen Gemeinden konnte zentralplus die Fachpersonen aufgrund von Absenzen nicht erreichen. Ausser in der Zürcher Gemeinde Männedorf. Dort dankt die Gemeindeschreiberin für die neue Information: «Wir haben noch keine Kenntnis dieser Auswertung und werden dem Thema nachgehen.»

Verwendete Quellen
  • Artikel von «K-Tipp»
  • Pflanzenschutzmittelverzeichnis des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV
  • Schriftlicher Austausch mit dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV
  • Telefonischer Austausch mit Stefan Bossard, Gemeindeammann Berikon AG
  • Telefonischer Austausch mit Fridolin Bossard, Gemeindepräsident Unterägeri
  • Telefonischer Austausch mit Nadja El Hemdi, Gemeindeschreiberin Männedorf
  • Merkblatt zum Wirkstoff Formetanat
  • Deutsches Datenblatt zu Formetanat
  • Bundesinstitut für Risikobewertung zu Formetanat in Erdbeeren, 2008
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung» zur Pestizidbelastung in Zuger Seen
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