Einschneidende Folgen für Luzern

Felssturzgefahr am Gütsch trifft Notschlafstelle hart

Der Verein Jobdach sehe sich als Betreiber der Notschlafstelle an der Gibraltarstrasse 29 mit einer unsicheren Zukunft konfrontiert, erklärt Geschäftsleiterin Annamarie Käch. (Bild: Screenshot: Google Maps/zvg)

Ein möglicher Felssturz am Gütsch wäre für die SBB verkehrstechnisch verheerend. So oder so umdisponieren muss die Notschlafstelle – und zwar ab sofort. Geschäftsleiterin Annamarie Käch gibt Auskunft.

Er hängt wie ein Damoklesschwert über der Stadt Luzern: der 12’000 Tonnen schwere Felsbrocken, der im schlimmsten Fall vom Gütsch donnern könnte. In der akuten Gefahrenzone befinden sich auch die Notschlafstelle des Vereins Jobdach an der Gibraltarstrasse 29 und die Gleise des Hauptzugangs zum Bahnhof Luzern.

«Das Risiko ist nicht tragbar», stellte Geologe Beat Keller am Freitagmorgen an der Pressekonferenz der Stadt Luzern klar und erklärte die vorgenommenen und geplanten Sofortmassnahmen (zentralplus berichtete). Inzwischen hat beispielsweise ein Helikopter Stahlpalisaden ins Sperrgebiet geflogen.

So erfuhr Notschlafstelle von Felssturzgefahr am Gütsch

Etwas früher als die Medien hat Annamarie Käch von der akuten Felssturzgefahr am Gütsch erfahren. Sie ist Geschäftsleiterin des Vereins Jobdach, der die Notschlafstelle an der Gibraltarstrasse betreibt. Am Donnerstagabend um 22 Uhr habe sie ein Telefon erhalten und sei auf den neuesten Stand der Dinge gebracht worden. Zu diesem Zeitpunkt waren zwei Zimmer der Notschlafstelle bereits evakuiert worden.

«Um 21 Uhr klopften die Geologen der Stadt Luzern bei der Notschlafstelle an», erzählt Käch gegenüber zentralplus. Sie hatten den Mitarbeiterinnen vor Ort die Situation geschildert, ihnen Flugblätter übergeben, welche aufzeigen, dass sich das Gebäude im Gefahrenbereich befindet und die sofortige Evakuierung der zwei hangseitigen Zimmer veranlasst.

Keine Panik bei Klienten und Mitarbeitern der Notschlafstelle

Für diese gilt seither ein Nutzungsverbot. Sprich: Die Notschlafstelle verfügt nur noch über vier statt sechs Zimmer. «Die in den beiden gefährdeten Zimmern schlafenden Personen wurden sofort umquartiert», sagt Käch. Seither würden die Klienten, welche die Notschlafstelle besuchen würden, laufend über die Neuerungen informiert. Auch über den Notfallplan, der in Kraft trete, sollte der Fels tatsächlich nachgeben.

Dieser Hangabschnitt bereitet den Experten sorgen. (Bild: jdi)

«Bei unmittelbarer Gefährdung dröhnen Signalhörner und blinken Drehleuchten – es herrscht dann Lebensgefahr», warnte die Stadt Luzern an der Pressekonferenz. Doch von Panik in der Notschlafstelle könne keine Rede sein, beteuert Käch. Zwar habe sie intern klar kommuniziert, dass Mitarbeiter, die sich wegen der Felssturzgefahr nicht wohlfühlen würden, der Arbeit fernbleiben könnten. Doch von diesem Recht scheint niemand Gebrauch machen zu wollen.

Und auch die Klienten sollen die Umquartierung und die Informationen über die Gefahrenlage kurz etwas erschrocken, dann aber ruhig und gelassen aufgenommen haben. «Sie vertrauen unseren Mitarbeitern», ist Käch überzeugt, «haben aber auch sonst einen anderen Fokus als andere Bevölkerungsgruppen.»

Verein Jobdach muss neue Schlafplätze schaffen

Dennoch macht sich Annamarie Käch Sorgen. Wie lange die Notschlafstelle auf die beiden Zimmer, für die nun ein Nutzungsverbot gilt, verzichten müsse, weiss sie trotz des engen Austausches mit der Stadt Luzern noch nicht. Bis Ende Jahr dürften die Sicherungsarbeiten andauern, liess die Stadt an der Pressekonferenz durchsickern – für die Notschlafstelle zu lange. Käch weist auf die erhöhte Nachfrage nach Schlafplätzen hin (zentralplus berichtete). Der plötzliche Kälteeinbruch verschärfe die Situation weiter.

Mit anderen Worten: Der Verein Jobdach ist dringend auf eine Übergangslösung angewiesen. Wie diese aussehen könnte, kann Käch am Freitagnachmittag noch nicht sagen.

SBB wären für Horrorszenario gewappnet

Auch die SBB können noch nicht allzu viel zum möglichen Horrorszenario Felssturz am Gütsch sagen. «Als Sofortmassnahme wurde unmittelbar nach der Entdeckung des Felskörpers Mitte August ein automatisches Überwachungs- und Alarmierungssystem eingerichtet», erklärt Mediensprecher Martin Meier gegenüber zentralplus. «Werden kritische Bewegungen der Felsmasse gemessen, würde die SBB-Linie bei einem Alarm automatisch gesperrt», fährt er fort.

Dass ein Zug von herandonnernden Felsbrocken und Geröll getroffen werden könnte, scheint somit eher unwahrscheinlich. Doch weil die SBB-Linie abgesehen von der Zentralbahn von sämtlichen Zügen genutzt wird, die in den Bahnhof Luzern fahren, hätte ein Felssturz fatale Folgen für den Verkehr in und um Luzern.

Chaos wie 2017?

«Ersatzkonzepte für den Bahnhof Luzern existieren und würden bei Bedarf an die Situation angepasst umgesetzt werden», sagt Martin Meier. An der Pressekonferenz wurde klar, dass das Ausmass der Einschränkung ähnlich gross sein dürfte wie im Frühling 2017. Dort war eine dem Bahnhof vorgelagerte Weiche beschädigt, was zur Entgleisung eines Zuges führte (zentralplus berichtete). Damals dienten Busse als Bahnersatz. Das Verkehrschaos gab in ganz Luzern zu reden (zentralplus berichtete).

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Annamarie Käch, Geschäftsleiterin des Vereins Jobdach
  • Telefonat mit Martin Meier, Mediensprecher der SBB
  • Teilnahme an Medienkonferenz der Stadt Luzern
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