Zweites Leben für abgeschnittene Haarpracht

Diese Luzerner Coiffeure verwerten kiloweise alte Haare

Stefan Jurendić und Sandra Jurendić-Iten legen grossen Wert auf Nachhaltigkeit. (Bild: Caroline Mohnke)

In Luzerner Coiffeursalons sammeln sich Tag für Tag Unmengen von Haaren an. Doch nicht überall landen diese im Abfall. Immer mehr Geschäfte sammeln die Haare, um sie wiederzuverwenden.

«Sandra kommt aus einer Familie, in der man nichts anderes kennt, als alles zu trennen bei der Entsorgung», erzählt ihr Mann Stefan Jurendić. Seine Grosseltern waren Selbstversorger. Beiden ist eine bewusste Nachhaltigkeit enorm wichtig. «Ökologisches Denken funktioniert ohne Körnlipicken», sagt der Mitinhaber und Familienvater beim Besuch von zentralplus. Zusammen führen sie seit rund anderthalb Jahren das Coiffeurgeschäft Nevanu an der Luzerner Bahnhofstrasse.

Und so handhaben sie auch den «Abfall», der sich im Salon jeden Tag anhäuft. Die abgeschnittenen Haare der Kundschaft landen nicht einfach im Kübel, sondern in einem Sack, welcher einmal im Monat von einem Recyclingunternehmen abgeholt wird. Sandra Jurendić-Iten zeigt auf die gesammelten Haare und erklärt: «In einem Monat sammeln wir ungefähr einen 35-Liter-Abfallsack.» Daraus entstehen Ölauffangmatten, da Haare Flüssigkeit binden.

Die Matten würden in Werkstätten genutzt, erklären die beiden, sie würden aber auch Seen und Gewässer vor auslaufendem Öl schützen. «Haare können bis zu achtmal mehr vom Eigengewicht an Öl aufsaugen», sagt die Coiffeuse und Unternehmerin, welche 2016 mit dem « l’atelier h19» ihren ersten Salon in Luzern eröffnete.

Stadtgärtnerei nutzte Haare aus Coiffeurgeschäft

Haare sammeln, um diese wiederzuverwenden, liegt im Trend. Zu den Ersten, die damit begannen, gehört Karin Ierone, die ihr Geschäft an der Bundesstrasse hat. Sie erinnert sich rund 30 Jahre zurück: «Damals landete das Haar in einem Kübel, die IG-Arbeit holte es ab für die Stadtgärtnerei», sagt sie lachend. Heute spendet sie das Haar zum Schutz der Meere, Flüsse und Seen.

Es gibt viele Möglichkeiten, wie man Haare wiederverwenden kann. Dabei engagieren sich auch Kundinnen. Mile Sucic, Mitinhaber vom Coiffeursalon Wunderland an der Brünigstrasse, sagt: «Wir haben eine Kundin, die sich ihre Haare immer sehr lange wachsen lässt. Die abgeschnittenen Haare flechten wir dann zu einem schönen Zopf.» Die Kundin spende ihre Haare für krebskranke Menschen. Und auch die restlichen geschnittenen Haare landen im «Wunderland» nicht im Abfall, sondern werden einmal monatlich abgeholt für das Recycling.

Eine nicht alltägliche, haarige Idee hatte Nelya Meister in ihrem Coiffeursalon an der Moosstrasse: Sie fertigt aus den abgeschnittenen Haaren Mäntel, die auf den ersten Blick aussehen wie Pelzmäntel (zentralplus berichtete). Sie wollte eine Alternative zum Pelz. «Eine, die schön aussieht, warm gibt – und exklusiv ist.» In einer Jacke mit Haaren stecken mehrere Wochen Arbeit.

«Wir müssen wieder bewusster und achtsamer werden»

Zurück an die Bahnhofstrasse: «Leider sind wir zur Wegwerfgesellschaft geworden. Wir müssen aber auch an unsere Kindeskinder denken», sagt Stefan Jurendić. Und fügt an: «Wir möchten Plastik gänzlich aus unserem Geschäft verbannen.» Er nimmt ein ästhetisches Glasfläschchen aus dem Regal und hält es in den Händen: «Sie sind so ursprünglich – wie früher in Apotheken. Wein trinkt man auch nicht aus Plastik», sagt er lachend.

Die meisten Shampoos und Pflegemittel sind in Braunglas verpackt. Die Inhaltsstoffe seien aus biodynamischen Feldern aus Bologna. Alles bestehe aus natürlichen Inhaltsstoffen zwischen 96 und 100 Prozent. «Wir müssen wieder bewusster und achtsamer werden», sagt der Kommunikations- und Marketingfachmann.

Die beiden würden darauf achten, bei Neuanschaffungen oder Ausbauten nachhaltige Werkstoffe zu verwenden. So wurde im ersten Obergeschoss ein alter Schiffssteg aus Bali wiederverwendet, der nun als Boden ein zweites Leben erhält. Der Name des Geschäfts Nevanu entstand aus den beiden Namen der Kinder des Unternehmerpaares: Neven sei der kroatische Name für die Ringelblume Calendula, und Keanu bedeute auf Hawaiianisch «kühle Brise». «Beide Namen symbolisieren unsere Verbindung und Liebe zur Natur», sagt Sandra Jurendić-Iten.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Stefan Jurendić und Sandra Jurendić-Iten
  • Telefongespräch mit Karin Ierone
  • Telefongespräch mit Mile Sucic
0 Kommentare
Apple Store IconGoogle Play Store Icon