Ist die Stadt zu voll?

Touristin in Luzern: «Verglichen mit Paris ist Luzern grossartig»

Samira Fatima und ihr Vater sind aus Chicago angereist. (Bild: kok)

Ist die Stadt Luzern von Touristen überfüllt? Linke Lokalpolitiker sagen Ja, die Tourismusindustrie Nein. Doch was sagen die Besucher selbst?

Barcelona, Mallorca, Venedig, Luzern: In Europas Tourismus-Hotspots brandet eine «Overtourism»-Debatte auf, die ihresgleichen sucht. Noch schiesst in der Stadt Luzern niemand mit Wasserspritzpistolen auf Auswärtige. Der bekannteste Linkenpolitiker und SP-Nationalrat David Roth will dafür den Bau von Hotels stoppen – und Rollkoffer auf Pflastersteinen verbieten (zentralplus berichtete).

Zeit einmal, die Touristen zu fragen: «Ist es wirklich so schlimm, hier in der Stadt Luzern? Und versteht ihr den Ärger einiger Einheimischer?» zentralplus ist losgezogen und hat Besucher in der Altstadt angesprochen.

Drei wichtige Erkenntnisse zu Touristen in Luzern

Die erste Erkenntnis: Reisende in Reisegruppen wollen nicht sprechen. Oder können sehr schlecht Englisch. Nach zig Versuchen der Kontaktaufnahme musste dieser Versuch als gescheitert erklärt werden. Auskunftsfreudiger sind Individualreisende, vor allem Familien erzählen gern.

Bei der Kapellbrücke an einem Samstagabend im August: Es ist voll, aber nicht brechend voll. (Bild: kok)

Die zweite Erkenntnis: Touristen stammen nie von dort, wo man es vermuten würde. Asiatisch aussehende Familien kommen aus England, arabisch aussehende Gruppen aus Belgien, südamerikanisch aussehende Besucher aus den USA. Eine wichtige Erfahrung, gegen Vorurteile und Stereotype, die man so mit sich rumträgt.

Die dritte Erkenntnis: Kaum einer schläft in Luzern. Die einen kommen gerade aus Italien und sind auf dem Weg in den Norden. Andere sind in Zürich gelandet, für einen Zwischenstopp in Luzern und schlafen in Interlaken oder Grindelwald. Schon lange wollen Stadt und Kanton daher die Aufenthaltsdauer von Touristen in Luzern erhöhen (zentralplus berichtete).

Nun zur Kernfrage: «Was halten Touristen von der Debatte, dass sie zu viel sind und die Stadt Luzern zu voll?»

Natalia Segura kann die Debatte nicht verstehen. Die gebürtige Kolumbianerin lebt in Chicago und besucht mit ihrer Familie eine Freundin in der Schweiz. Sie sagt: «Es sind schon viele Leute in Luzern, aber es fühlt sich nicht an, als käme man kaum durch die Strassen.» Der Tourismus in Chicago sei ähnlich wie hier.

Anders dagegen sind die Preise: ein kleiner Lunch für 80 Franken. Das findet Segura selbst für US-amerikanische Verhältnisse eine stolze Summe.

In Luzern machen Natalia Segura und ihre Mutter einen Tagesausflug.
(Bild: kok)

Ebenfalls aus Chicago stammt Samira Fatima. Sie macht mit ihren Eltern eine Woche Schweizferien. zentralplus trifft sie auf einer Bank Unter der Egg. Auch sie finde Luzern teuer, erzählt sie, ihre Familie zahle rund 700 Franken pro Tag für Übernachtung und Essen. Dafür sei es so schön sauber und die Bäume akkurat gestutzt.

Ob es zu voll ist? «Ja, es ist sehr voll, aber die Stadt ist gross, deswegen geht es», findet die junge Frau. Dann überlegt sie kurz. Richtig voll sei es in Paris, dort sei es unangenehm gewesen. «Verglichen mit Paris ist Luzern grossartig.»

Mit unserem Tagesbudget könnten wir in Indien drei Wochen reisen

Ebenfalls mit einem Budget von 600 Franken pro Tag kalkulieren Atu Sagita und Aging Mandala, die mit ihren Kindern aus Südengland angereist sind. Sie schlafen in Grindelwald und waren besonders über die schwindelerregenden Preise für Gondeln geschockt. Zu voll finden sie es in Luzern nicht. Noch nicht. «Wenn es voller wird als jetzt, wäre es zu viel», sagt Aging Mandala.

Atu Sagita und Aging Mandala mit ihren Kindern kommen aus der Nähe von London. (Bild: kok)

Tiefer in die Tasche greifen müssen Gangadhara und seine Freunde aus Bangalore in Indien. «Für vier Personen mit schlafen, essen und reisen zahlen wir 2000 Franken pro Tag. Das ist zu viel. Mit der gleichen Summe könnten wir in Indien drei Wochen reisen», erzählt der aufgeschlossene junge Mann.

Gangadhara (zweiter von rechts) und seine Freunde würden Luzern wohl nur einmal besuchen, wie er sagt. (Bild: kok)

Dann teilt er eine Beobachtung: In Zürich sei es viel voller als in Luzern. Gangadhara hat eine einfache Erklärung, warum es im Zentrum der Stadt Luzern trotzdem so gedrängt wirkt. «Es sind die vielen Autos, die direkt durch die Stadt fahren.» Gehe man einen Kilometer von der Seebrücke weg, fühle es sich gleich leerer an.

Dort trifft zentralplus zum Abschluss Hamsa Aharchi aus Belgien. Er steht an der Promenade und betrachtet das Bergpanorama. Luzern zu voll? Von wegen. «Luzern ist nicht überfüllt. Es ist Durchschnitt für eine grosse Stadt in Europa.» Venedig sei überfüllt. In Luzern gebe es dagegen breite Strassen und viele Parks. Er findet, die Touristen würden sich gut verteilen.

Hamsa Aharchi (rechts) und sein Bruder machen in Luzern einen Zwischenstopp auf dem Weg nach Belgien. (Bild: kok)
Verwendete Quellen
  • Augenschein vor Ort
  • zentralplus-Medienarchiv zu Tourismus Luzern
  • Website von Luzern Tourismus
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