Teil 2: Pyros sorgen für rote Köpfe

Darum brennts auf der Luzerner Allmend Match für Match

Sie tragen Handschuhe, sind vermummt und tauchen in der Masse unter: Die Ultras des FCL, die im Stadion Pyros zünden. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Fackeln, Raketen und Rauch gehören zur von Ultras dominierten Luzerner Fankultur schlicht und einfach dazu. Die Bestrebungen, das Abbrennen von Pyrotechnik im Stadion zu unterbinden, sind nur selten von Erfolg gekrönt.

Die Luzerner Polizei wollte den Stand der kurvennahen FCL-Fanorganisation USL nicht mehr innerhalb, sondern nur noch ausserhalb der Stadionumzäunung tolerieren. Möglicherweise verdächtigen Polizeikommandant Adi Achermann und seine Kollegen die USL, Feuerwerkskörper über den Stand – und somit an der Sicherheitskontrolle vorbei – ins Stadion zu schmuggeln, wie zentralplus im ersten Teil dieses Artikels berichtete.

Doch dass der vor bald 20 Jahren gegründete Verein Pyrotechnik ins Stadion schmuggelt, scheint unwahrscheinlich (zentralplus berichtete). Wie das verbotene Material an den Sicherheitskontrollen vorbeigeschleust wird, ist weitestgehend unbekannt.

Fans sind beim Schmuggeln «teils sehr kreativ»

Der Luzerner Jurist Tim Willmann weiss, wieso. Als Mitarbeiter der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen am Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern kennt er sich mit der Problematik aus. «Einzelne bekannte Fälle weisen darauf hin, dass pyrotechnische Gegenstände auf verschiedenste, teils sehr kreative Weise in die Stadien befördert werden», sagt er gegenüber zentralplus.

Die Datenlage zum Schmuggel von Pyrotechnik ins Stadion ist dünn. Wie oft die Luzerner Polizei ausserhalb des Stadions und die vom FCL beauftragten privaten Sicherheitsdienste beim Einlass ins Stadion Fans mit Fackeln, Raketen und Rauch erwischen, ist unklar. Genauso unklar ist, wie oft Fans in Luzern beim Zünden identifiziert, angezeigt und mit Stadionverbot versehen werden.

Was passiert, wenn im Stadion gezündet wird

Zündet ein Fussballfan in der Swissporarena, wird er dabei gefilmt. Die ausgewerteten Videoaufnahmen übermittle der FCL, so Präsident Stefan Wolf, der Luzerner Polizei.

Diese versucht dann, die gegen das Sprengstoffgesetz verstossenden Fans zu identifizieren. Gelingt dies, droht ihnen eine Strafanzeige und ein mehrjähriges, vom FCL ausgesprochenes Stadionverbot. Für allfällige Rayonverbote, also lokale Fernhaltemassnahmen, ist wiederum die Polizei verantwortlich.

An den FCL-Heimspielen brennts ständig

Mit den Zahlen zu den wegen Verstössen gegen das Sprengstoffgesetz verhängten Stadionverboten rückt der FCL nicht heraus. Er verweist stattdessen aufs Bundesamt für Polizei Fedpol.

FCL-Fans zündeten beim vergangenen Heimspiel gegen Sion Dutzende Fackeln und Raketen. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Im jährlichen Rapport des Fedpol finden sich Auflistungen von Gewalttaten, Sachbeschädigungen und Verstössen gegen das Sprengstoffgesetz, die Fussballfans begangen haben. So brannte es vergangene Saison bei 60 Prozent aller Spiele der Super League, der Challenge League und des Schweizer Cups. Bei den Heimspielen des FCL waren es gar 85 Prozent.

Doch weist das Fedpol nicht aus, wie viele dieser Straftaten aufgeklärt wurden. Vieles deutet darauf hin, dass die Aufklärungsquote relativ tief ist.

Ultras werden nur selten erwischt

Denn in der letztjährigen Kriminalstatistik der Luzerner Polizei sind 18 Verstösse gegen das Sprengstoffgesetz aufgelistet. In fünf Fällen wurden die Täter überführt. Gezündet wurde in der Swissporarena aber viel häufiger. Allein beim FCL-Heimspiel gegen den FC Zürich vom April 2023 brannten, wie im Titelbild dieses Artikels ersichtlich ist, weit mehr als 18 Fackeln.

Hinzu kommt, dass die Luzerner Polizei nicht nur von Fussballfans begangene Zuwiderhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz erfasst, sondern auch solche von Pyromaninnen, die am 1. August über die Stränge hauen – oder Straftaten von Dieben, die Bankomaten sprengen (zentralplus berichtete).

Ergo fehlen in der letztjährigen Kriminalstatistik etliche Pyromanen, die auf der Allmend gezündet haben. Ein paar dieser fehlenden Fälle könnten von Gesetzes wegen in den Kompetenzbereich des Fedpol gefallen sein. Nicht auszuschliessen ist aber auch, dass es der Luzerner Polizei an Ressourcen mangelt, um gegen alle Pyromanen Strafverfahren zu eröffnen und ihnen mittels aufwendiger Ermittlungen das Handwerk zu legen.

Das passiert, wenn im Stadion gezündet wird

Denn die Ultras sind nicht nur beim Reinschmuggeln von pyrotechnischem Material ins Stadion erfolgreich. Sie schaffen es auch regelmässig, beim Zünden von Fackeln und beim Abfeuern von Raketen unerkannt zu bleiben. «Faktoren wie eine grosse Personenmasse, Vermummungen und einheitliche Kleidung erschweren die Strafverfolgung», erklärt Tim Willmann.

Pyromanen das Handwerk zu legen, ist mit grossem Aufwand verbunden. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

Zudem müsse das Verhältnis zwischen den polizeilich aufgewendeten Ressourcen und der zu verfolgenden Straftat abgewogen werden. Willmann sagt: «Die Identifikation einer delinquenten Person ist teilweise nur mit erheblichem personellen Aufwand möglich. Je nach Einzelfallkonstellation kann dieser Aufwand bei einem Delikt ohne Verletzungsabsicht und -folge unverhältnismässig erscheinen.»

Unternimmt der FCL genug gegen zündende Fussballfans?

Während Pyroshows die Augen vieler Matchbesucherinnen leuchten lassen, sorgen sie bei Politikern und Aussenstehenden regelmässig für rote Köpfe. So reagierte SRF-Kommentator Reto Held empört, als die FCL-Fans beim vergangenen Heimspiel Dutzende Fackeln zündeten und Raketen gen Himmel feuerten. Den Verantwortlichen im FC Luzern warf er vor, zu wenig gegen Pyrotechnik im Stadion zu tun und sich von den Ultras einschüchtern zu lassen.

Stefan Wolf nimmt die Kritik gelassen entgegen. Reto Held sei ein «geschätzter Kommentator» und dürfe seine Meinung zur Thematik frei äussern. «Allerdings gehen wir davon aus, dass er nicht alle Anstrengungen kennt, welche die Clubs in der Schweiz unternehmen, um sichere Fussballspiele zu organisieren.»

Zünden die Fans des FC Luzern, wird dieser von der Swiss Football League (SFL) gebüsst. Vergangene Saison ging dafür ein mittlerer fünfstelliger Betrag drauf. Wolf stellt klar: «Natürlich wären wir glücklich darüber, keine Bussen für das Abbrennen von Pyrotechnik bezahlen zu müssen.» Darum suche der FCL dahingehend auch regelmässig den Austausch mit der aktiven Fanszene.

Die Forderung nach der harten Hand

Doch weder der Dialog noch die Videoüberwachung oder die Sicherheitskontrollen beim Einlass scheinen die Ultras vom Zünden abzuhalten. Einer gewissen Machtlosigkeit ist sich auch Stefan Wolf bewusst. «Erfahrungen aus anderen Ländern zeigen, dass ein komplettes Verhindern von Pyrotechnik im Stadion nicht möglich ist», sagt er.

Die immer wieder von bürgerlichen Politikerinnen lancierte Idee, die Sicherheitskontrollen beim Einlass zu verschärfen, lehnt Wolf ab. «Der FC Luzern steht weiterhin hinter dem Konzept des ‹Good Hostings›, welches vorsieht, dass nicht alle Fans, die ins Stadion gelangen, kontrolliert werden.» Das Konzept habe sich in den vergangenen Jahren bewährt und zu einer «markanten Beruhigung der Situation» beigetragen.

Bei verschärften Sicherheitskontrollen droht Eskalation

Dem stimmt Tim Willmann zu: «Die vorhandenen Daten zeigen, dass verschärfte Sicherheitskontrollen vermutlich keine Verbesserung der Situation mit sich bringen würden.» Im Rahmen der Evaluation des «Good-Hosting-Konzepts» sei festgestellt worden, dass bei nur noch stichprobenmässiger Personenkontrolle nicht signifikant mehr gezündet würde. Gleichzeitig hätten gewalttätige Auseinandersetzungen im Einlassbereich seit der Einführung des «Good Hostings» vor zehn Jahren erheblich abgenommen.

Eine Abkehr vom «Good-Hosting-Konzept» würden die FCL-Fans Polizeikommandant Adi Achermann wohl ziemlich übel nehmen. (Bild: fcl.fan-fotos.ch)

«Setzt man nun das ‹Good-Hosting-Konzept› aus und kehrt wieder zu verschärften Sicherheitskontrollen zurück, drohen Eskalationen rund um die Einlasssituation, ohne aber effektiv die Menge der verwendeten Pyrotechnik zu senken», warnt Willmann.

Ist die Legalisierung die Lösung aller Probleme?

zentralplus zieht folgendes Fazit: In der Swissporarena brennt es bei fast jedem Match. Die Ultras am Zünden zu hindern, gelingt kaum. Der Aufwand der Strafverfolgungsbehörden zur Ermittlung der Täter scheint unverhältnismässig hoch zu sein. Darum bleibt die Aufklärungsquote relativ tief. Und zwar nicht nur in der Schweiz, sondern auch im Ausland.

Norwegen und Österreich haben auf diese Erkenntnisse mit gesetzlichen Lockerungen reagiert. So ist in diesen beiden Ländern das Abbrennen von Pyrotechnik unter gewissen Auflagen erlaubt. Dass die Schweiz nachziehen wird, scheint nicht völlig unrealistisch.

Darum lässt zentralplus im Teil 3 dieses Artikels Befürworterinnen und Gegner einer Legalisierung von Pyros in Schweizer Fussballstadien zu Wort kommen. Er wird in den kommenden Tagen veröffentlicht.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Tim Willmann, Mitarbeiter der Forschungsstelle Gewalt bei Sportveranstaltungen am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bern
  • Schriftlicher Austausch mit Stefan Wolf, Präsident des FC Luzern
  • Schriftlicher Austausch mit Christian Bertschi, Pressesprecher der Luzerner Polizei
  • Gesamtschweizerisches Lagebild Sport (GSLS-Reporting) des Bundesamts für Polizei (Fedpol)
  • Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 des Kantons Luzern
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