Beweislage zu dünn

Bezirksgericht Luzern spricht Fan des FC St. Gallen frei

Am Bundesplatz kam es im Mai 2023 zu wüsten Ausschreitungen zwischen Fans und Polizei. (Bild: Archivbild: Leserreporter)

Die Luzerner Staatsanwaltschaft wollte einem Fan des FC St. Gallen eine bedingte Haftstrafe aufbrummen. Doch hätten die Beweise dafür nicht ausgereicht, wie aus dem Urteil des Bezirksgerichts Luzern hervorgeht.

Sie sind vermummt, geniessen den Schutz der Masse und kleiden sich uniform: gewaltbereite Fussballfans. Darum scheitert die Staatsanwaltschaft Luzern immer wieder beim Versuch, ihnen das Handwerk zu legen. Entweder fehlen die Beweise – oder sie wurden rechtswidrig erlangt (zentralplus berichtete).

So gelingt es der Staatsanwaltschaft auch im Prozess gegen einen Fan des FC St. Gallen nicht, den Richter des Bezirksgerichts Luzern von der Schuld des heute 22-Jährigen zu überzeugen. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, im Mai 2023 bei den Ausschreitungen am Bundesplatz und an der Zentralstrasse (zentralplus berichtete) mittendrin, statt nur dabei gewesen zu sein. Und wollte ihn wegen Landfriedensbruchs, Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamten mit einer bedingten Haftstrafe belegen.

Bezirksgericht Luzern bemängelt Beweislage

Eine Natelortung, die zeigt, dass der Fan sich damals am Bahnhof Luzern aufhielt, dient als Beweis Nummer eins. Zudem soll eine Verletzung am Auge beweisen, dass er von Gummischrot getroffen wurde. Und gemäss den Ausführungen der Staatsanwaltschaft konnte der St. Galler nur von einem Geschoss getroffen werden, weil er an vorderster Front mit dabei war. «Man läuft nicht zufällig ins Geschoss hinein», so die Begründung.

Doch dieser Argumentation folgte das Bezirksgericht nicht. «Der Anklagesachverhalt lässt sich aufgrund der dünnen Beweislage nicht erstellen. Damit fehlt für eine Verurteilung die nötige Grundlage, weshalb der Beschuldigte in Anwendung des Grundsatzes in dubio pro reo von diesen Vorwürfen freizusprechen ist», erklärt der Richter.

Bei Gummischrot sind Querschläger keine Seltenheit

Dass Gummischrotverletzungen auch bei Unbeteiligten auftreten können, zeigt zudem der Fall des FCL-Fans David Z*. Ihn traf vergangenen Sommer vor der Swissporarena ein Geschoss im Gesicht. Dadurch erblindete er auf dem linken Auge (zentralplus berichtete).

Wie Tim Willmann vom Institut für Strafrecht und Kriminologie der Universität Bern damals gegenüber zentralplus erklärte, berge der Einsatz von Gummischrot auch das Risiko, dass nebst den Zielpersonen auch unbeteiligte Personen getroffen werden können (zentralplus berichtete).

Willmann veranschaulicht: Bei einer Einsatzdistanz von 20 Metern betrage die horizontale Streuung, je nach verwendeter Munition, rund 2 bis 3,2 Meter. «Eine gezielte Schussabgabe auf eine Einzelperson ist bei dieser Einsatzdistanz sehr schwierig bis unmöglich, da einzelne Projektile links und rechts der Zielperson einschlagen.»

Kuriose Ermittlungsmethoden der Luzerner Polizei

Dass die Polizei den FC-SG-Fan überhaupt identifizieren konnte, hat gemäss seiner Anwältin mit einem fragwürdigen Verhör der Luzerner Polizei zu tun. Diese soll davon Kenntnis erlangt haben, dass nach den Ausschreitungen Menschen mit Gummischrotverletzungen im Luzerner Kantonsspital behandelt wurden. Anschliessend hat die Polizei den Verletzten mitten in der Nacht einen Besuch abgestattet. Polizisten befragten ihren Mandaten noch im Spital – informell und ohne Rechtsbelehrung –, zitiert die «Luzerner Zeitung» die Anwältin.

Doch ein Protokoll aus jener Nacht gibt es nicht – und somit auch keine Aussagen des Fussballfans. Denn dieser schwieg auch während der Verhandlung vor Bezirksgericht.

Ob die Staatsanwaltschaft Luzern den Fall vors Kantonsgericht weiterziehen wird, ist unbekannt. Das Urteil, in dem der Fan des FC St. Gallen freigesprochen wird, ist noch nicht rechtskräftig.

*Name der Redaktion bekannt

Verwendete Quellen
  • Urteil des Bezirksgerichts Luzern
  • Artikel in der «Luzerner Zeitung»
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