Der Stadtpräsident im zentralplus-Interview

Beat Züsli: «Wir stehen heute an einem ganz anderen Punkt»

FCL-Fan und Stadtpräsident Beat Züsli erklärt das Vorgehen des Luzerner Stadtrats gegenüber zentralplus. (Bild: Screenshot)

Die Stadt Luzern hat den Heimfall von Bernhard Alpstaegs Swissporarena ausgelöst. Im Interview mit zentralplus erklärt Stadtpräsident Beat Züsli, warum es so plötzlich zur Eskalation gekommen ist – und wie Bernhard Alpstaeg den Heimfall verhindern könnte.

Nach einem geglückten Saisonauftakt – der FCL steht punktgleich mit YB ganz oben in der Tabelle – kommt die Unruhe im Verein einmal mehr von aussen. Am Sonntagsspiel gegen Servette tauchte Bernhard Alpstaeg mit seinem Mediensprecher Sacha Wigdorovits, FCL-Ehrenpräsident Walter Stierli und weiteren Luzerner Bekanntheiten zum ersten Mal seit dem vor einem Jahr eskalierten Aktionärsstreit in der Swissporarena auf (zentralplus berichtete).

Mit dabei waren auch CH-Media-Chefredaktor Patrick Müller und der neue CH-Media-Sportchef François Schmid-Bechtel. Am Montagabend erschien in der «Luzerner Zeitung», die zu CH Media gehört, eine Reportage, verfasst von ebendiesen beiden Herren. Alpstaeg-kritische FCL-Fans bekundeten in den Kommentarspalten ihren Unmut ob der ihrer Meinung nach einseitigen Berichterstattung.

Doch Sacha Wigdorovits versteht deren Ärger nicht, wie er gegenüber zentralplus sagt. Auch habe Alpstaegs Rückkehr ins Stadion nichts mit der heute von der Stadt Luzern kommunizierten Auslösung des Stadionheimfalls zu tun (zentralplus berichtete). Die Reportage habe CH Media initiiert. Sie sei schon lange geplant gewesen.

Beat Züsli erkärt das Vorgehen der Stadt Luzern

So gross der Ärger der Alpstaeg-kritischen FCL-Fans ob der Reportage war, so sehr empörten sich Sacha Wigdorovits und Bernhard Alpstaeg ob der Auslösung des Heimfalls durch den Luzerner Stadtrat, kommuniziert am Dienstagmorgen. In der Kurzversion heisst dies: «Alle Behauptungen des Stadtrats sind falsch» (zentralpus berichtete). Dieser sieht es selbstredend anders (zentralplus berichtete). Und nimmt in der Person von Stadtpräsident Beat Züsli im Interview gegenüber zentralplus ausführlich Stellung.

zentralplus: Die Auslösung des Heimfalls kommt aus dem Nichts. Wie konnte es so plötzlich zu einer Eskalation zwischen Stadt Luzern und Bernhard Alpstaegs Stadion Luzern AG kommen?

Beat Züsli: Uns wurden Informationen zur Kenntnis gebracht, die darauf hinweisen, dass Kaufrechte bei den Aktienanteilen der Stadion Luzern AG nicht gewährt wurden. Namentlich wurde der FCL Holding AG nicht angeboten, entsprechende Aktien erwerben zu dürfen.

zentralplus: Wer hat der Stadt Luzern diese Informationen zugespielt?

Beat Züsli: Das war die FCL Holding AG, mit ihrem Verwaltungsrat. Er kam Ende Juni auf uns zu und hat uns mitgeteilt, dass dem FCL 2018 und 2019 bei den Aktienverkäufen rund um die Stadion Luzern AG das Kaufrecht nicht angeboten worden sei.

zentralplus: Wie haben Sie auf diese Information reagiert?

Beat Züsli: Basierend auf dieser Information haben wir uns Anfang Juli mit einem Schreiben an die Stadion Luzern AG gewandt und wollten wissen, ob das Kaufrecht des FCL damals tatsächlich ignoriert worden ist und wie die genauen Vorgänge bei der Aktienübertragung waren. Denn ein solches Kaufrecht wurde im Baurechtsvertrag 2008 zwischen der Stadt Luzern und der Stadion Luzern AG ausdrücklich vereinbart.

zentralplus: Und auf diese Antworten warten sie bis heute?

Beat Züsli: Korrekt. Eine Antwort auf diese Fragen mit einer detaillierten Darlegung des Sachverhalts kam nie. Stattdessen erhielten wir eine Kopie eines Schreibens der Stadion Luzern AG an die FCL Holding AG, worin festgehalten wurde, dass ein Kaufrecht des FCL nicht bestünde.

Mitte September haben wir dann erneut schriftlich die Stadion AG beziehungsweise Herrn Alpstaeg gebeten, die damaligen Vorgänge zu überprüfen und uns entsprechend zu informieren. Bis heute blieb auch dieses zweite Schreiben unbeantwortet. Darum müssen wir davon ausgehen, dass dieses vertraglich festgelegte Kaufrecht der FCL Holding AG nicht zur Ausübung angeboten wurde.

zentralplus: Die Auslösung des Heimfalls stellt die Ultima Ratio dar, wie Sie bereits im Frühling sagten, als es um das Lizenzierungsverfahren des FCL, den Verbleib des FCL in der Super League ging. Jetzt geht es plötzlich schnell. Warum?

Beat Züsli: Herr Alpstaeg hätte nun fast drei Monate Zeit gehabt, um uns vom Gegenteil, also davon zu überzeugen, dass beim Verkauf der Aktienanteile an der Stadion Luzern AG alles korrekt abgelaufen ist. Wir sind unserseits zum zügigen Handeln gezwungen, weil wir keine Fristen verpassen wollen. Denn ab Kenntnis der Baurechtsvertragsverletzung musste Stadt Luzern innert angemessener Frist reagieren.

Der FCL bangte im Frühling 2023 um die Super-League-Lizenz. Grund dafür: die fehlende Unterschrift Bernhard Alpstaegs als Stadioninhaber. Seit letztem Sonntag grüsst das Team von Mario Frick (im Bild: Nicky BelokoI) aber von der Tabellenspitze. (Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

zentralplus: Haben Sie mit Herrn Alpstaeg Gespräche geführt, bevor dieser drastische Schritt eingeleitet wurde?

Beat Züsli: In der Vergangenheit haben wir mit Herrn Alpstaeg immer wieder Gespräche geführt. Doch seit Juni haben keine solchen Gespräche stattgefunden. Auch, weil es aus juristischer Sicht wichtig ist, dass alle Schritte, die wir einleiten, schriftlich dokumentiert sind.

zentralplus: Der Heimfall des FCL-Stadions war schon ein Thema, als Alpstaeg drohte, den FCL aus dem Stadion zu werfen. Was ist nun anders?

Beat Züsli: Dannzumal ging es um das Lizenzierungsverfahren. Wir haben uns eingemischt, weil es einen Baurechtsvertrag gibt, der sagt: «Das Stadion muss für den Spitzenfussball, sei es für den FCL oder eine allfällige Nachfolgeorganisation, zur Verfügung stehen.» Dabei war auch wichtig, dass das Stadion nicht zum Spielball zur Durchsetzung anderer Interessen wird – im konkreten Fall dem Aktionärsstreit zwischen Bernhard Alpstaeg und der FCL-Führung.

zentralplus: Dass es soweit gekommen ist, hat auch damit zu tun, dass die Stadt Luzern beim Verkaufen der Aktien 2018 und 2019 nicht eingegriffen, die Situation also offenbar nicht als heikel eingestuft hat. Wieso blieb die Stadt Luzern untätig?

Beat Züsli: Schon 2008 wurde beschlossen, dass die Stadt Luzern kein Interesse an einem Mit- oder Alleineigentum am Stadion hat. Dies wurde 10 Jahre später, 2018 und 2019, bekräftigt. Es gab damals keinen Grund, von der Haltung abzuweichen.

Die Stadt Luzern stemmte einen Grossteil der Investitionskosten, die beim Bau des Fussballstadions auf der Allmend anfielen. (Bild: Valeriano Di Domenico/Freshfocus)

zentralplus: Schon damals herrschte im FCL ein Aktionärsstreit. Wieso hat die Stadt Luzern nicht erkannt, dass der Verkauf der Aktienanteile am Stadion irgendwann zum Problem werden könnte?

Beat Züsli: Stadt und Kanton Luzern haben wesentlich zur Erstellung des Stadions beigetragen. Rund 75 Prozent der Investitionskosten wurden von der Stadt Luzern übernommen. Es bestand stets ein grosses Interesse am Weiterbetrieb des Stadions durch die Akteure des Luzerner Spitzenfussballs. Diese Rolle konnte der FCL bislang wahrnehmen. Beim Streit zwischen den damaligen und heutigen Akteuren des Streits rund um die FCL-Aktienmehrheit wollte sich die Stadt Luzern jedoch nie aktiv einmischen, sondern höchstens – wie im Frühling 2023 – als Vermittlerin agieren.

zentralplus: Hat man die Situation 2018 und 2019 falsch eingeschätzt?

Beat Züsli: Nein. Wir haben schon damals genau hingeschaut. Das Kaufrecht des FCL, das die Stadt Luzern im Baurechtsvertrag mit der Stadion Luzern AG festgehalten hat, war in erster Linie dafür da, dass das Stadion nicht in ausländische Hände gerät. Diese Gefahr bestand nicht. Stattdessen hat die Stadt Luzern Herrn Alpstaeg als Investor im FCL gut gekannt. Es gab keine Gründe, von einem unlauteren Vorgehen beim Verkauf der Aktien auszugehen und von der Position abzuweichen, das Stadion in privaten Händen zu belassen und allfällige Aktienanteile zu erwerben.

zentralplus: Warum sieht man dies heute anders?

Beat Züsli: Inzwischen hat sich die Situation geändert. Wir stehen heute an einem ganz anderen Punkt. Und haben darum den Heimfall ausgelöst.

zentralplus: Führen Gespräche mit Bernhard Alpstaeg zu brauchbaren Ergebnissen? Momentan weist wenig darauf hin. Stattdessen sind mehr als zehn Rechtsverfahren im Gange.

Beat Züsli: Die nächsten Schritte sind im Baurechtsvertrag definiert: Die Stadt Luzern und Herr Alpstaeg sind beide dazu verpflichtet, gemeinsam an einen Tisch zu sitzen und eine gütliche Einigung zu finden. Unserseits wurde stets Gesprächsbereitschaft signalisiert.

zentralplus: Was würde passieren, wenn Herr Alpstaeg nun doch Belege dafür liefert, dass das Kaufrecht des FCL eben nicht missachtet wurde?

Beat Züsli: Sollte Herr Alpstaeg die entsprechenden Informationen nachliefern und plausibel darlegen und beweisen, dass damals das Kaufrecht angeboten wurde und somit der Baurechtsvertrag nicht verletzt wurde, würden wir das Verfahren abbrechen. Der Heimfallprozess würde dann nicht weiter verfolgt werden.

FCL-Präsident Stefan Wolf und seine Verwaltungsratskollegen der FCL Holding AG sind im Verwaltungsrat der Stadion Luzern AG nicht vertreten. Stadtpräsident Beat Züsli sagt nun, jemand des FCL-Holding-Verwaltungsrats müsste Einsitz haben. (Bild: jdi)

zentralplus: Nebenbei erwähnt die Stadt Luzern in ihrer Medienmitteilung, die Zusammensetzung des Verwaltungsrats der Stadion Luzern AG widerspreche dem Baurechtsvertrag. Wer müsste denn dort Einsitz haben?

Beat Züsli: Im Baurechtsvertrag steht, dass die FCL-Holding AG einen Sitz im Verwaltungsrat zugute hat. Das haben wir in unserem Schreiben vom Juli an Herrn Alpstaeg aufgenommen. Selbstredend wäre dies alleine keine hinreichende Grundlage für einen Heimfall. Denn dies könnte die Stadion Luzern AG relativ rasch einfach korrigieren.

zentralplus: Wer hätte allenfalls sonst noch Anrecht gehabt auf die Aktien oder einen Sitz im Verwaltungsrat der Stadion Luzern AG?

Beat Züsli: Gemäss unseren Erkenntnissen betrifft dies in beiden Fällen nur die FCL Holding AG.

zentralplus: Was bedeutet die Auslösung des Heimfalls konkret?

Beat Züsli: Wie im Baurechtsvertrag verankert, werden wir uns in einem ersten Schritt um eine gütliche Einigung mit Herrn Alpstaeg bemühen. Als zweiter Schritt käme dann eine Vermittlerin oder ein Vermittler zum Zug. Und schliesslich wäre ein Schiedsgericht einzuberufen, das über den Fall final entscheidet. Ob der Fall danach an höhere Gerichte weitergezogen werden könnte, ist offen.

zentralplus: Würde die Stadt Luzern im Fall eines definitiven Heimfalls das Stadion an Private verkaufen oder es behalten?

Beat Züsli: Würde das Verfahren zum Heimfall führen, ginge das Stadion ins Eigentum der Stadt über. Ob die Stadt Luzern die Aktienanteile an der Stadion Luzern AG behalten, einen Teil oder alle Aktien wiederum verkaufen würde, ist offen. Es ist nicht auszuschliessen, dass die Stadt Luzern als Minderheitsaktionärin einen Teil der Aktien behalten würde.

zentralplus: Damit würden die Stadt Luzern vom 2008 gefällten Grundsatzentscheid abweichen.

Beat Züsli: Was damals entschieden wurde, ist weiterhin nachvollziehbar. Es ist im Sinne der Stadt Luzern, dass das Stadion privat betrieben wird. Doch würden wir die Frage erneut beurteilen.

zentralplus: Was spricht für den privaten Betrieb?

Beat Züsli: Zwischen der Stadt Luzern und den Nutzenden des Stadions gibt es genügend andere Schnittstellen, um nah genug zu sein. Private sind durchaus in der Lage, den Betrieb des Stadions eigenhändig zu stemmen. In anderen Städten gibt es verschiedenste Modelle. Die private Nutzung, eine gemischte Trägerschaft oder ein Modell wie im Fall des Stadions Letzigrund, das der Stadt Zürich gehört. In unseren Entscheid werden die nun gemachten Erfahrungen aber sicherlich einfliessen.

zentralplus: Welche Lehren zieht man aus dem Schlamassel?

Beat Züsli: Der Zeitpunkt, um Lehren aus der Affäre zu ziehen, ist zu früh. Es hat sich gezeigt, dass diese Konstrukte rund um das Stadion und den FCL sehr komplex sind und sich in der Praxis komplizierte Sonderfälle ergeben. Dementsprechend ist auch die Lösungssuche aufwändig.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Stadtpräsident Beat Züsli
  • Schriftlicher Austausch mit Sacha Wigdorovits
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