Gefunden oder gekauft?

Verwirrung um Herkunft des Höhlenbär-Skeletts im Gletschergarten

Das ominöse Höhlenbär-Skelett kann seit einigen Wochen wieder im Gletschergarten bestaunt werden. (Bild: jru)

Im Gletschergarten Luzern ist ein Höhlenbär-Skelett ausgestellt, über das niemand so richtig Bescheid weiss. Das vor mehr als 20’000 Jahren ausgestorbene Tier hauste einst auch auf der Rigi. Wie es nach Luzern kam, wissen die wenigsten.

In der neuen Ausstellung des Luzerner Gletschergartens im Schweizerhaus kommen Nostalgikerinnen und Paläontologiefanatiker auf ihre Kosten. Insbesondere bei einem der Ausstellungsstücke handelt es sich nämlich um eine Rarität aus längst vergangenen Zeiten: ein komplettes Höhlenbär-Skelett.

Nachdem dieses vom Gletschergartendirektor Andreas Burri als Relikt aus dem Rigigebiet präsentiert und von mehreren Medien als solches bezeichnet wurde (zentralplus berichtete), meldete sich ein Leser und behauptete, dass uns da ein Bär aufgebunden worden sei. Was stimmt denn nun? Wir gingen der Geschichte nach.

Der Eiszeitpflanzenfresser

Der Höhlenbär war ein regelrechter Muskelprotz und mit einer Länge von über drei Metern grösser als der heute lebende Braunbär. So furchteinflössend seine Masse und seine Grösse waren: Er frass nur Pflanzen und verzichtete auf den Verzehr von Fleisch, wie es in einem Bericht von «Scientific Reports» heisst. Das sei aussergewöhnlich, meinen die Wissenschaftler, da in der kalten Eiszeit noch so manche grosse Lebewesen auf den Verzehr von nahrhaftem Fleisch angewiesen waren.

Das Tier, das auch in der Zentralschweiz lebte, soll – so beschreiben Wissenschaftler die Evolution des Tieres – vor mehr als 20’000 Jahren ausgestorben sein. Zudem war es eines der ersten Tiere, die unter anderem durch den Menschen ausgerottet wurden.

Verdrängung, Jagd und Klimawandel

Wie ein wissenschaftlicher Bericht von «Scientific Reports» zeigt, sollen zuerst der Neandertaler und dann auch der moderne Mensch sehr wahrscheinlich zum Aussterben beigetragen haben. Dies habe zwei Gründe. Einerseits verlängerten sich mit der Evolution des Menschen auch dessen Aufenthaltszeiten an bestimmten Orten.

Dies führte zu einer eiszeitlichen Höhlengentrifizierung und Verdrängung des Urbewohners, des Bären. Waren die Höhlenbären – wie es der Name schon sagt – auf den Schutz durch Höhlen für ihren Winterschlaf angewiesen, beanspruchte auch der Mensch diesen Platz immer mehr für sich. Und verwies den Fellriesen mit seiner immer besser werdenden Jagdtechnologie der felsigen Habitate.

Mit moderneren Jagdmethoden hat der Mensch auch ein Können entwickelt, das es ihm erlaubte, seine Nahrungspyramide um den Höhlenbären zu erweitern. Das nahrhafte und energiereiche Fleisch des Eiszeittiers wurde unter den Eiszeitmenschen schnell beliebt und wurde als Nahrungsquelle irgendwann knapp.

So könnte der Höhlenbewohner dereinst ausgesehen haben. (Bild: Wikipedia/Höhlenbär)

Trotzdem dauerte die Jagd auf ihn weiter an, bis der Höhlenbär vor rund 20’000 Jahren ganz von der Bildfläche verschwand und der letzte seiner Art dem ewigen Höhlenschlaf erlag. Doch der Mensch trägt nicht die alleinige Schuld: Auch die klimatische Veränderung hat sich während zehntausenden von Jahren auf den Lebensraum und den Bestand des Höhlenbären ausgewirkt.

Kauf eines Skeletts

Zurück ins Jahr 2020. Der Gletschergarten eröffnet die Tore des neuen Schweizerhauses. Da heisst es, dass der Sohnemann der Gründerfamilie Amrein-Troller das Skelett im Rigigebirge gefunden haben soll. Wenige Tage später meldet sich ein Leser bei der Redaktion, dem andere Informationen vorlägen. Tatsächlich deutet ein Hinweis, der zentralplus zugespielt wurde, auf den Kauf eines Höhlenbär-Skeletts bei der Firma Siber+Siber hin. Auf Anfrage beim Zürcher Händler und Betreiber des Dinosauriermuseums im Aatal kann ein solcher Verkauf durch Herrn Siber zumindest mündlich bestätigt werden.

Dokumente des Verkaufs liegen keine vor. Was verwirrt: Das Skelett soll laut der Zürcher Firma aus Amerika stammen. Mehrere wissenschaftliche Quellen verweisen hingegen darauf, dass sich der Lebensraum des Höhlenbären von Spanien, über die Alpen bis hoch zum Ural erstreckte – nicht aber nach Amerika. Das Skelett könnte also höchstens von einer amerikanischen Firma gekauft worden sein, um dann erneut den Weg zurück nach Europa zu finden.

Fundort Rigi: Dem Bären auf der Spur

Der Direktor des Gletschergartens, Andreas Burri, zeigt sich auf Anfrage überrascht. Woher das Skelett stamme, wisse er nicht. Es sei schon im Besitz des Museums gewesen, als er die Leitung übernahm. Dennoch könne es gut sein, dass nur einige Knochen auf der Rigi gefunden worden waren und für den Ausstellungsraum ein neues, komplett erhaltenes Skelett des Höhlenbewohners gekauft wurde, erklärt er.

Und tatsächlich: Auf der Rigi, so steht es auf der Website der Rigi-Bahnen AG, wurden einst Knochen eines Höhlenbären gefunden. Vom Sohnemann der Amrein-Troller-Familie. Doch ein Schädel wurde dort nicht entdeckt. Was ist dem Bären da zugestossen? Diese Frage wird wohl nie abschliessend beantwortet werden können. Eine Möglichkeit wäre, dass er einem Menschen begegnet ist: In derselben Region wurden auch Steinartefakte gefunden.

Der Mensch könnte also dem Bären, dessen Knochen in der Sammlung des Gletschergartens liegen, auch auf der Rigi mal begegnet sein. Und wer weiss, vielleicht hat er gar eigenhändig den einen oder anderen Bären erlegt. Zurück wären dann die Knochen im Unterschlupf geblieben, die den Homo sapiens sapiens auch nach 20’000 Jahren vor offene Fragen stellt.

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