Früher Trinkwasser, heute Badewanne

Sie sind seit Jahrhunderten die heimlichen Luzerner Stars

Das Gesicht, welches den Fritschibrunnen ziert, stellt angeblich die Frau des Bruders Fritschi dar. (Bild: ewi)

In der Stadt Luzern gibt es rund 140 Brunnen. Früher waren sie für das Wachstum von Luzern elementar. Sie prägen die Stadt bis heute, wie die europäischen Tage des Denkmals momentan aufzeigen.

Kurz nach dem Aufstehen am Morgen lassen wohl die meisten von uns den Wasserhahn an. Sei es für einen Kaffee, die morgendliche Dusche oder zum Zähneputzen. Dabei fragen wir uns kaum je, woher dieses Wasser überhaupt kommt und ob es wohl trinkbar ist. Sauberes Trinkwasser ist für uns alle eine Selbstverständlichkeit.

Doch handelt es sich dabei um eine relativ junge Errungenschaft. Erst ab dem späten 19. Jahrhundert sprudelte das Trinkwasser nach und nach aus den Wasserhähnen der Haushalte. Zuvor mussten sich Luzerner an anderen Orten mit sauberem Trinkwasser eindecken: an den Brunnen.

Zehnjährige lernen die Geschichte der Brunnen kennen

Rund 140 öffentliche Brunnen gibt es in der Stadt Luzern. Es gibt die grossen, bekannten Brunnen, welche die öffentlichen Plätze wie den Weinmarkt oder den Kapellplatz prägen. Und es gibt kleinere Brunnen, die man beim Vorbeigehen schnell übersieht. Gemeinsam erzählen sie die Geschichte der baulichen Entwicklung der Stadt und gelten darum heute als Denkmäler.

Im Rahmen der europäischen Tage des Denkmals am kommenden Wochenende rückt die kantonale Denkmalpflege die Brunnen der Stadt Luzern in den Fokus. An einer Führung werden die vielfältigen Geschichten der Luzerner Wasserspender erzählt. Bereits zuvor kommen Schulklassen aus der Stadt und Umgebung in den Genuss dieser Führung. zentralplus hat sich einer Führung mit einer fünften Klasse aus Kriens angeschlossen.

Doch vor der Führung stellt sich die grosse Frage: Lassen sich zehnjährige Kinder für die Geschichte von Brunnen begeistern? Denn als Denkmalpfleger Stephan Steger zu Beginn des Rundgangs in die Runde fragt, was überhaupt ein Denkmal ist, kommen die zu erwartenden Antworten: «Die Kapellbrücke ist ein Denkmal», ruft ein Junge blitzschnell. Seine Kollegen zählen zudem die Jesuitenkirche, die Museggmauer und natürlich das Löwendenkmal auf. An einen Brunnen denkt niemand von ihnen.

Im Mittelalter stank alles und jeder erbärmlich

Dennoch gelingt es Steger, das Interesse der Kinder zu wecken, als er ihnen erklärt, dass das Luzerner Brunnennetz schon 600 Jahre alt und immer noch intakt ist. Und warum sich der Rat von Luzern im 15. Jahrhundert zum Bau mehrerer Brunnen entschloss, wird den Kindern spätestens klar, als die Denkmalpflegerin Milka Guevara eine eingängige Passage aus dem Roman «Das Parfum» vorliest. Die Kurzzusammenfassung der Passage: Im Mittelalter stank alles und jeder erbärmlich. Brunnen mit fliessendem, sauberem Wasser schufen Abhilfe.

Die Tour startet beim Löwenbrunnen. Du weisst nicht, welcher das ist? Dann geht es dir gleich wie dem Autor. Es handelt sich um den Brunnen auf dem Jesuitenplatz beim Restaurant Opus. Der Brunnen war ein Geschenk des Kantons zum 800. Geburtstag der Stadt Luzern. Diese durfte den Standort des Brunnens selbst bestimmen – und wählte diesen bewusst so, dass der Löwe, welcher den Brunnen ziert, frech die Zunge in Richtung Jesuitenkirche hinausstreckt.

Der Löwe auf dem Löwenbrunnen streckt der Kirche die Zunge heraus. (Bild: ewi)

Nach der Erklärung bestimmen die Schülerinnen, wohin der Rundgang als Nächstes führt. Zur Orientierung erhalten sie eine Kopie des Schumacher-Plans, eine Stadtansicht aus dem Jahr 1790. Die meisten Brunnen auf dem Rundgang sind dort bereits eingezeichnet. Doch die Orientierung mit dem Plan ist zweifellos schwieriger als mit Google Maps. So kommt es, dass eine Gruppe auf dem Weg zum nächsten Brunnen schon beinahe verloren geht.

Der Rundgang führt nach dem Löwenbrunnen über den Jesuitenbrunnen vis-à-vis vom Regierungsgebäude zum Krienbrügglibrunnen vor dem gleichnamigen Restaurant. Von dort wechseln wir die Flussseite und besichtigen den wohl bekanntesten Luzerner Brunnen: denjenigen auf dem Weinmarkt. Danach geht es zum Fischbrunnen unter der Egg und zum Abschluss zum Fritschibrunnen auf dem Kapellplatz.

Fritschibrunnen ist viel jünger, als er aussieht

Viele dieser Brunnen haben gemein, dass sie im Laufe der Zeit immer wieder repariert und abgeändert wurden, wie Steger erklärt. «Reparieren und wiederverwenden» lautet denn auch das Motto der diesjährigen Denkmaltage. Die Brunnen der Stadt wurden zwar umgebaut, versetzt, neu zusammengesetzt oder umfassend repariert. Doch gerade der symbolische Charakter der Zurschaustellung von Reichtum und Wohlstand blieb ihnen stets erhalten.

Dies illustriert der Fritschibrunnen. Dieser sieht zwar so aus, als wäre er Hunderte Jahre alt. Doch mit Baujahr 1918 ist er eigentlich einer der jüngsten Brunnen der Stadt. Er macht laut Denkmalpfleger Stephan Steger bloss auf alt, um der Geschichte um den legendären Bruder Fritschi, der angeblich unter dem Brunnen begraben liegen soll, gerecht zu werden.

Brunnen, die heimlichen Stars der Stadt

Wie viele dieser Informationen die Kinder tatsächlich mitnehmen, sei dahingestellt. Die ursprüngliche Hypothese, dass sich Zehnjährige nicht für Brunnen interessieren würden, lässt sich dennoch deutlich widerlegen. Die Brunnen faszinieren. Ob auf dem Weinmarkt oder dem Kapellplatz – stets recken die Schüler ihre Köpfe über den Brunnenrand, zählen die auf den Brunnenboden geworfenen Münzen, gönnen sich einen Schluck Wasser – und natürlich spritzen sie sich auch nass.

Die Brunnen wecken das Interesse der Schüler. (Bild: ewi)

Sie sind nicht die einzigen, die sich an den Brunnen erfreuen. Beim Jesuitenbrunnen mischt sich ein älterer Herr unter die Klasse, um am Brunnen seine Trinkflasche aufzufüllen. Der Weinmarkt- und der Fritschibrunnen sind für Touristen ein beliebtes Fotomotiv. An heissen Tagen gönnen sich manche ein Bad in Luzerner Brunnen. Hier soll der Neptunbrunnen auf dem Mühlenplatz besonders hoch im Kurs liegen (zentralplus berichtete). Und als im Sommer 2022 das Tribschenquartier während mehrerer Tage kein sauberes Trinkwasser mehr hatte, erfüllten die Brunnen der Stadt plötzlich wieder ihre ursprüngliche Funktion (zentralplus berichtete).

Vor Hunderten Jahren erbaut, sind die Luzerner Brunnen auch heute noch beliebt und praktisch, bei Touristen wie Einheimischen. Die Museggmauer mag imposanter und die Kapellbrücke mag bekannter sein. Doch die heimlichen Stars der Stadt Luzern sind die Brunnen.

Hinweis: Die europäischen Tage des Denkmals finden am 9. und 10. September in der ganzen Zentralschweiz statt. Die Brunnenführungen sind um 10 und 13 Uhr und dauern je eine Stunde. Das gesamte Programm ist unter diesem Link ersichtlich.

Verwendete Quellen
  • Rundgang mit der kantonalen Denkmalpflege
  • Broschüre zu den Stadtluzerner Brunnen
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