Gegen Willen des Parlaments

Zuger Regierung begräbt gedrucktes Amtsblatt endgültig

Das neue Zuger Amtsblatt (links) hat hartnäckige Kritiker. Ein Viertel des Kantonsrats, darunter auch Emil Schweizer, wünschen sich das alte zurück.

Über ein Jahr nach der Neuauflage des Zuger Amtsblatts streiten Parlament und Regierung noch immer. Doch trotz überwiesenem Postulat weigert sich die Regierung erneut, die Druckerpressen anzulassen.

Dass sich die Zuger Regierung weigert, ein überwiesenes Postulat umzusetzen, kommt selten vor. In aller Regel setzt die Exekutive den Wunsch des Parlaments um, auch wenn Postulate im Gegensatz zu Motionen rechtlich nicht bindend sind.

Aber beim Vorstoss um das Zuger Amtsblatt handelt es sich nicht um einen x-beliebigen Vorstoss. Zur Erinnerung: Ende 2022 stellte die Regierung das gedruckte, blaue Amtsblatt mit amtlichen Mitteilungen und einem Marktteil ein. Seither gibt es das Amtsblatt nur noch online und einige wenige gedruckte Ausgaben auf den Ämtern.

Diese neue Version kommt bei der Zuger Bevölkerung aber weniger gut an: Nach wenigen Monaten reduzierte der Kanton die gedruckte Auflage, da das Blatt auf den Ämtern liegenblieb (zentralplus berichtete). Auch über die Hälfte der Teilnehmer einer zentralplus-Umfrage gab an, seit der Umstellung die Finger vom Blatt zu lassen (zentralplus berichtete). Und die Stadt Zug verzichtet seit Neuestem darauf, ihre Infos zur Badesaison im Amtsblatt abzudrucken, da die Reichweite der elektronischen Version «überschaubar» sei.

Widerstand des Parlaments

Vor diesem Hintergrund schaltete sich die Zuger Politik ein: 18 Kantonsräte aus allen politischen Lagern wollten mittels Postulat das alte Amtsblatt reanimieren (zentralplus berichtete). Konkret forderten sie, dass die Regierung via öffentlicher Ausschreibung ein Unternehmen sucht, das ein gedrucktes Amtsblatt samt Marktteil herausgeben würde.

Die Regierung hatte dafür gar kein Gehör und reagierte fast genervt (zentralplus berichtete): Bereits in der Teilrevision des Publikationsgesetzes im Herbst 2020 habe sie beantragt, das Blatt nur noch online und ohne Marktteil herauszugeben. Im Gesetz wurde der nicht-amtliche Teil schliesslich mit einer «Kann»-Formulierung vermerkt. Die Referendumsfrist für das Gesetz verstrich ungenutzt.

Wenn der Kantonsrat sich über den von ihm gegebenen Ermessensspielraum echauffiert, sei das «rechtsstaatlich unzulässig», wetterte die Regierung. Zudem verwies sie auf den Konkurs von sowohl der Marktblatt AG als auch der Speck Medien AG – der Marktteil sei «offensichtlich nicht mehr zeitgemäss» und «nicht wirtschaftlich».

Nichtsdestotrotz erklärte der Zuger Kantonsrat das Postulat im vergangenen Dezember für teil-erheblich: Der Kanton Zug solle eine öffentliche Ausschreibung durchführen.

«Hunderttausende Franken» stünden auf dem Spiel

Doch in der kürzlich veröffentlichten Antwort der Regierung stemmt sich diese erneut dagegen. Die Exekutive will das Postulat ohne Ausschreibung als erledigt abschreiben.

In der Antwort geht die Regierung erneut auf die Vorgeschichte und ihren Ermessensspielraum im Publikationsgesetz ein. Ihr neues Hauptargument ist der bestehende Vertrag mit der Baarer Multicolor Print AG. Gemäss einer rechtlichen Einschätzung kann der Kanton keine öffentliche Ausschreibung und Vergabe für den Marktteil an Dritte machen, ohne dabei den Vertrag mit der Baarer Druckerei zu brechen.

Diese dürfe nicht dazu gezwungen werden, den Marktteil in das von ihr gedruckte Amtsblatt zu integrieren. Der Kanton müsste also den Vertrag auflösen – womit die Druckerei auf Schadenersatz pochen könnte, so die rechtliche Einschätzung. Laut der damaligen Ausschreibung erhält die Multicolor Print AG bis Ende 2026 für den Auftrag 757'160 Franken vom Kanton.

Und auch die zusätzliche Vergabe des Marktteils an die Baarer Druckerei wäre laut der Regierungsratsantwort rechtlich umstritten. Um die Rahmenbedingungen für den Auftrag festzuhalten, bräuchte der Kanton vermutlich die Expertise der Multicolor Print AG, wie er schreibt. Doch wenn diese die Details der Ausschreibung schon vor ihren potenziellen Konkurrentinnen kenne, entstünde ihr ein unzulässiger Vorteil, urteilt das Anwaltsbüro. Die Druckerei müsste also entweder auf eine Bewerbung verzichten oder massiv weniger Zeit für ihre Eingabe erhalten als Konkurrenten. Selbst wenn sich der Kanton daran halten würde und die Multicolor Print AG den Zuschlag erhielte, könnten Vorwürfe von Bevorteilung auftauchen, befürchtet der Regierungsrat.

«Verträge sind einzuhalten»

Das Urteil der Regierung: «Es geht nicht an, mit einer erneuten öffentlichen Vergabe zeitaufwendige und kostspielige juristische Unwägbarkeiten in Kauf zu nehmen. Verträge sind einzuhalten.» Zumal eine gesetzesgemässe Ausschreibung für die Verwaltung einen unverhältnismässigen Aufwand bedeuten würde, so die Exekutive.

Der Regierungsrat ahnt bereits, dass das Kantonsparlament sich damit nicht zufriedengeben wird: «Der Regierungsrat ist sich bewusst, dass nach der Erledigterklärung des vorliegenden Postulats eine Motion zur Änderung des Publikationsgesetzes eingereicht werden könnte.» Er mahnt deshalb abermals vor den Hunderttausenden von Franken, die seiner Meinung nach durch den Vertragsbruch in den Sand gesetzt würden.

Postulant findet Argumente «haarsträubend»

Die Haltung der Exekutive ärgert die Postulanten: «Der Bericht zeigt eindeutig: Die Regierung will partout kein Amtsblatt mehr, wie wir es vorher hatten», enerviert sich SVP-Kantonsrat Emil Schweizer gegenüber zentralplus. Dass die Regierung das Postulat nicht umsetzen wolle, obwohl gut ein Viertel des Parlaments den Vorstoss unterschrieben habe, finde er «speziell». Dito die Abklärungen: «Dass die Regierung zuerst Unternehmensberater und dann ein Anwaltsbüro beauftragt, Argumente dagegen zu finden, habe ich in meinen fünf Jahren als Kantonsrat noch nie erlebt.»

Die Argumente der Regierung überzeugen Schweizer nicht. So befürchte der Regierungsrat basierend auf dem Gutachten einen Rechtsstreit mit der Multicolor Print AG. «Die Regierung hätte auch zuerst das Gespräch mit der Firma suchen können. Das wäre gratis gewesen.» Auch die drohenden Schadenersatzforderungen beunruhigen ihn nicht. Er vermutet, der Ausfall wäre höchstens «überschaubar»: «Den Schaden müsste die Druckerei nachweisen können. Und wegen des Amtsblatts mussten die nicht extra neue Leute anstellen oder einen neuen Drucker kaufen.» Und fügt an: «Die Regierung tut so, als wäre es eine Millionenklage, bei welcher der kantonale Finanzhaushalt auf den Kopf gestellt wird.»

Muss als Argument gegen die Wiederbelebung des alten Amtsblatts hinhalten: die Multicolor Print AG in Baar. (Bild: Screenshot: Google Maps)

«Haarsträubend» findet Schweizer auch das Argument, dass eine öffentliche Ausschreibung viel personelle Ressourcen der Verwaltung kosten würde. «Nächste Woche behandeln wir ein Postulat, das Überdachungen für die Autobahn fordert. Würde das überwiesen, gäbe das auch recht Aufwand. Hier redet jedoch kein Mensch davon.»

Kantonsrat gibt Kampf auf

Rein rechtlich liege es in der Kompetenz der Regierung, das Postulat nicht umzusetzen und das Amtsblatt nicht zu drucken, hält Schweizer fest. Jedoch sei die Kann-Formulierung in der Kommission und im Kantonsrat mit dem Hintergrund entstanden, dass sie das Amtsblatt noch drucken wollen, sollte sich jemand dafür finden. «Nun legt die Regierung das völlig anders aus», ärgert sich der Neuheimer.

Mit einer Motion das Publikationsgesetz nochmals anpassen möchte er nicht. Bis der entsprechende Absatz geändert sei, würde zu viel Zeit vergehen. Das Postulat als erledigt abzuschreiben, werde er aber nicht unterstützen. «Das ist ein Witz. Da ist überhaupt nichts erledigt. Es ist eine Arbeitsverweigerung.»

Mit dem Nichtabschreiben müsste die Regierung zugeben, dass sie den Vorstoss ignoriert, nur weil es in ihrer Macht stehe, so Schweizer. Was dann vom Streit ums Amtsblatt noch bleibe, könne die Bevölkerung beurteilen. «Das wirft kein gutes Licht auf die Regierung.»

Die Zuger Bevölkerung muss also fortan mit der Onlineversion des Amtsblatts leben. Und die Zuger Regierung mit Kritik und angeschlagenem Vertrauen des Parlaments.

Verwendete Quellen
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