Planungsbericht Kultur

Im Theater an der Reuss spielt die Angst

Kulturdirektor Reto Wyss: Das Luzerner Theater soll eine neue Betriebsform erhalten. (Bild: Marc Benedetti)

Die Luzerner Kulturlandschaft ist in Bewegung, der Kanton hat seinen Planungsbericht über die Kulturförderung vorgestellt. Ein Element daraus, das «Theater Werk Luzern» hat er separat bereits präsentiert. Es sorgt in der Theaterszene für beträchtliche Unruhe, denn es ist nicht geklärt, ob das Luzerner Theater als festes Ensemble weiter bestehen wird. Der kantonale Bildungs- und Kulturdirektor Reto Wyss nimmt Stellung.

Die kantonale Kulturförderung soll gestärkt werden. Dazu will der Kanton die Produktionsbedingungen für die Kulturschaffende verbessern, eine vielfältige Kulturlandschaft anvisieren und ein punktuell international wettbewerbsfähiges Angebot im Bereich Musiktheater schaffen. Der entsprechende Planungsbericht geht jetzt in die Vernehmlassung. Eine Massnahmen im Planungsbericht ist die Vision «Theater Werk Luzern». Diese sieht eine Neue Theater Infrastruktur (NTI) vor, das heisst, ein neues Theater in der Nähe des KKL – zentral+ hat darüber berichtet. Viele Beschäftigte im Luzerner Theater fürchten nun, dass ihr Ensemble als feste Institution verschwinden wird. 

zentral+: Reto Wyss, einen Teilbereich, die Zukunftsvision «Theater Werk Luzern», haben Sie bereits präsentiert. Heisst das, dass das Theater Priorität geniesst?

Reto Wyss: Nein, aber das Theater ist vom Umfang her ein ganz bedeutender Brocken. Da steht anerkanntermassen eine Erneuerung der Infrastruktur an, die wir auch mit einer Erneuerung der Strukturen verbinden. Aber es ist nicht so, dass die andern Sparten hintenanstehen sollen.

zentral+: Es fällt auf, dass Sie die freie Theaterszene im Südpol stärken wollen, aber von der «Neuen Theater Infrastruktur», also dem neuen Theatersaal, wird das Lucerne Festival am meisten profitieren. Trifft das zu?

Wyss: Nein, das würde ich so nicht sagen. «Theater Werk Luzern» ist eine attraktive Zukunftsvision für alle Sparten, das heisst auch für das Musiktheater. Davon profitiert der Musikstandort Luzern, zu dem auch das Lucerne Festival und das Luzerner Sinfonieorchester gehören. Das gibt neue Chancen für das Luzerner Theaterschaffen. Aber die anderen Sparten sollen auch gepflegt werden.

zentral+: Wie profitiert das einheimische Publikum von einem neuen Theater?

Wyss: In der neuen Theaterinfrastruktur finden Eigen-, Ko- und Gastproduktionien statt, die auf das regionale und schweizerische Publikum fokussieren.

zentral+: Dürfen wir davon ausgehen, dass ein neues Theater in der Grössenordnung einer Salle Modulable gegen 250 Millionen Franken kosten wird?

Wyss: Nein, wir gehen nicht davon aus, dass wir das Ganze auf diesem Level machen können. Es wird sicher nicht eine billige Infrastruktur sein, aber die Zahl, die Sie jetzt genannt haben, scheint mir nicht realistisch zu sein.

zentral+: Über die Finanzierung haben wir nichts Konkretes gehört. Wer soll das neue Theater bezahlen?

Wyss: Die Finanzierung steht auf drei Standbeinen. Wir erwarten, dass aus dem rechtlichen Verfahren über die Spende für die Salle Modulable eine Summe resultiert, die wir für das neue Theater investieren können. Das ist so angedacht. Dann wollen wir im Sinne eines PPP-Projektes (Private Public Partnership) private Mittel erschliessen, und schliesslich werden wir nicht darum herumkommen, dass sich die öffentliche Hand beteiligt.

zentral+: Sind es 80 Millionen Franken Staatsbeiträge?

Wyss: Diese Zahl kann ich nicht bestätigen.

zentral+: Im letzten Dezember verlangte der Kantonsrat auch Sparbeiträge seitens der Kultur. Jetzt wollen sie pro Jahr rund 2,5 Millionen Franken mehr ausgeben. Woher soll dieses Geld kommen?

Wyss: Wir finanzieren massgebliche Beiträge aus den Lotterieerträgen.

zentral+: Einerseits existiert das Luzerner Theater und zusätzlich wollen Sie die freie Szene stärken. Aber mehr jährliche Subventionen wird es nicht geben. Wie soll das funktionieren?

Wyss: Die Aufgaben und Ressourcen werden für ein zukunftweisendes Theaterschaffen in Luzern umverteilt. Dadurch entstehen neue künstlerische Möglichkeiten, aber auch eine breitere Palette an Eigenfinanzierungsmöglichkeiten, wie beispielsweise Gastspiele oder Sponsoring. So sollte eine Verschiebung zu Gunsten der freien Szene möglich sein.

zentral+: Das Luzerner Theater soll eine neue Betriebsform erhalten. Heisst das, das Luzerner Theater wird als Institution aufgelöst?

Wyss: Nein, das ist so nicht angedacht. Da wird es eine Neuausrichtung vielleicht in die Zukunft geben. Aber ein genereller Verzicht auf das institutionelle Theater ist ganz grundsätzlich nicht angedacht.

zentral+: Aber ein Theater mit festem Ensemble wird es nicht mehr geben? Im Luzerner Theater gibt es entsprechende Ängste.

Wyss: Das ist so auch nicht richtig. Es ist nicht vorgesehen, das feste Ensemble im Grundsatz aufzulösen. Da kann es Modifikiationen geben, aber es ist heute nicht beschlossene Sache, das Ensemble aufzulösen.

zentral+: Welche Modifikationen sind das?

Wyss: Das wissen wir noch nicht, daran müssen wir in den nächsten anderthalb Jahren noch arbeiten. Das Ziel ist ein attraktives Theaterangebot.

zentral+: Also fassen wir zusammen: Das Theater in der heutigen Form wird nicht weitergeführt?

Wyss: Es gibt eine Symbiose zwischen institutionellem Theaterschaffen und freier Szene.

Der Planungsbericht für die kantonale Kulturförderung umfasst nicht nur «Theater Werk Luzern». Auch die anderen Kulturformen sollen gefördert werden. Dabei fällt auf, dass kulturelle Produktionen nur noch selektiv gefördert werden sollen.

zentral+: Herr Wyss, was stellt der Planungsbericht Kulturförderung für Sie dar? Eine Absichtserklärung, eine Skizze?

Wyss: Es ist wesentlich mehr als eine Skizze. Das Ziel ist es, mit diesem Planungsbericht eine Basis zu schaffen für eine erfolgreiche Kulturförderung.

zentral+: Wer soll davon profitieren?

Wyss: Die Kulturinstitutionen sowie die freien Kulturschaffenden.

zentral+: Sie haben heute über die Leitlinien der kantonalen Kulturförderung allgemein informiert. Was ist geplant?

Wyss: Wir wollen die Kulturvermittlung fördern, gezielt Auszeichnungen vergeben und selektiv Produktionsförderungen machen. Wir wollen die Filmförderung ausbauen und auf der Landschaft das Angebot fördern.

zentral+: Sie sprechen von einer selektiven Produktionsförderung anstelle des heutigen Giesskannenprinzips. Nach welchen Kriterien wird künftig subventioniert?

Wyss: Wir wollen eine qualitativ hochstehende und innovative Kultur fördern.

zentral+: Wer wird die Kriterien definieren?

Wyss: Die Kriterien wird der Kanton festsetzen.

zentral+: Und wer wird bei der Produktionsförderung entscheiden?

Wyss: Beim Film wollen wir uns mit den andern Zentralschweizer Kantonen zusammentun, bei den übrigen Produktionsbeiträgen entscheiden wir oder die Regionen, wo es stattfindet.

zentral+: Wer konkret entscheidet über Förderbeiträge?

Wyss: Wir haben eine Kommission mit Fachleuten, wir vom Kanton sind da dabei, und je nachdem werden externe Fachjury-Mitglieder miteinbezogen.

zentral+: Was wird 2022 alles realisiert sein?

Wyss: Bis dann wird das neue Theater stehen. Und wenn das umgesetzt ist, müssen die Voraussetzungen im Südpol für die freie Theaterszene realisiert sein. Und wir müssen bis dann schauen, dass auch die Musikszene im Südpol ihre Heimat findet. Wir wollen keinen Verdrängungsprozess. Im Bereich Filmförderung, selektive Produktionsförderung, Vergabe von Preisen und die Schaffung von Förderfonds auf der Landschaft möchten wir bis 2015/16 bereits grosse Teile umgesetzt haben.

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