Wie viel darf der Kantonsratspräsident kosten?

Höchster Zuger verrechnet dreimal so viel wie Vorgängerin

Karl Nussbaumer tanzte letztes Jahr auf vielen Hochzeiten. Am Scheller- und Trychlertreffen in seiner Heimatgemeinde Menzingen jedoch für einmal nicht als Kantonsrats-, sondern als OK-Präsident. (Bild: zvg)

Was ein Zuger Kantonsratspräsident für den Besuch von Anlässen für sich verrechnet, ist sehr unterschiedlich. Im vergangenen Jahr verrechnete der amtierende Präsident dreimal mehr für amtliche Missionen als seine Vorgängerin. Nun wird die Politik aktiv.

Es ist ein Vorstoss, der auf den ersten Blick maximal langweilig klingt: «Motion der erweiterten Staatswirtschaftskommission (Stawiko) betreffend die Anpassung der Entschädigung des Kantonsratspräsidiums (KRP) in der Teilrevision des Nebenamtsgesetzes».

Auch der Motionstext per se ist kein John-Grisham-Roman: «Im Rahmen der Diskussion des Geschäftsberichts 2023 wurde festgestellt, dass die Vergütungen an das Präsidium des Kantonsrats für die Vertretung des Kantons in den letzten Jahren stark schwanken.»

Der Kommission ist aufgefallen, dass die Zuger Kantonsratspräsidenten die Anlässe, an denen sie teilnehmen, unterschiedlich abrechnen. Entsprechende detaillierte Richtlinien würden fehlen. Aus diesem Grund schlägt die Stawiko eine jährliche Pauschale zwischen 15'000 und 20'000 Franken fürs Kantonsratspräsidium vor, das alle zwei Jahre neu besetzt wird.

Spannend wird die Sache jedoch spätestens dann, wenn man sich die Abrechnungen verschiedener Kantonsratspräsidenten vor Augen führt. zentralplus hat von der Staatskanzlei Einblick in die Spesen und Vergütungen der drei letzten höchsten Zuger verlangt und diese miteinander verglichen.

369 Franken pro Tag Aufwand

Zunächst zur Verrechnung der Zeitaufwände: Im Kanton Zug können Kantonsratspräsidentinnen entweder einen halben oder einen ganzen Tag Aufwand für repräsentative Aufgaben verrechnen. Das Nebenamtsgesetz definiert hier die «Vertretung des Kantons beziehungsweise kantonaler Behörden an besonderen Anlässen». Gemäss Landschreiber Tobias Moser wird dieser Begriff traditionellerweise weit ausgelegt. Gängige Beispiele seien der Besuch der GV der IG Mountainbike, der Morgartenschlachtfeier oder der Delegiertenversammlung der Spitex Zug.

Während ein halber Tag mit 184 Franken zu Buche schlägt, sind es bei einem ganzen Tag 369 Franken. Hinzu kommen allfällige Entgelte für Vorbereitungen; 86 Franken erhalten Kantonsratspräsidenten pro Stunde Aufwand. Auch die Teuerung und eine mögliche Kilometerentschädigung für die Anreise werden berücksichtigt.

Die Abrechnungen unterscheiden sich markant

Die Unterschiede, wie die beiden früheren Präsidentinnen sowie der heutige Präsident diese Anlässe verrechneten, sind beträchtlich. Und das auch dann, wenn man die Corona-Jahre 2020 und 2021 ausser acht lässt, in denen kaum oder deutlich weniger Anlässe durchgeführt wurden. Um vergleichbare Werte zu erhalten, zog zentralplus nur die Jahre 2019, 2022 und 2023 in Betracht, in denen jeweils eine andere Person das Präsidium inne hatte.

Die ehemalige Mitte-Kantonsrätin Monika Barmet präsidierte das Zuger Kantonsparlament in den Jahren 2019 und 2020. In ihrem ersten Amtsjahr besuchte sie rund 85 Anlässe, an welche sie als Präsidentin eingeladen wurde. Knapp 16'400 Franken wurden ihr dafür vergütet. Für Vorbereitungen verrechnete sie im Jahr 2019 keine einzige Stunde.

Auf Anfrage erklärt sie: «Für mich war die Führung des Ratsbetriebs in meinen beiden Präsidialjahren immer klar erste Priorität. In die Vorbereitung der Sitzungen steckte ich viel Energie und Zeit. Das machte ich gern.» Doch auch auf die repräsentative Aufgabe als Präsidentin habe sie Wert gelegt. «Ich versuchte, möglichst allen Einladungen nachzukommen, alleine aus Respekt den Vereinen gegenüber. Das waren teils intensive Wochen, doch war mir das wichtig.»

Barmet schrieb längst nicht jeden Anlass auf

Bewusst habe sie jedoch viele der Anlässe nicht aufgeschrieben. «War ich beispielsweise nur an einem Apéro, habe ich das nicht verrechnet. Mir war es wichtig, zu unterscheiden, wo ich als Privatperson und wo als Kantonsratspräsidentin teilnehme.» Sie empfindet es als richtig, dass Präsidenten für die offiziellen Anlässe entschädigt werden, «doch muss man fürs dieses Amt keinen finanziellen Anreiz schaffen, denn es ist schliesslich auch eine Ehre». Und weiter: «Entsprechend habe ich auch nie die zeitlichen Aufwände verrechnet, die ich zur Vorbereitungen für Ansprachen oder Grussworte hatte», erklärt Barmet.

Die ALG-Kantonsrätin Esther Haas hatte das Präsidium während der Jahre 2021 und 2022 inne. In ihrem zweiten Amtsjahr, bei dem Anlässe wieder wie geplant stattgefunden haben, verrechnete sie der Staatskanzlei rund 13'050 Franken für die Anwesenheit an insgesamt 46 Anlässen. Dazu kommen 18,5 Stunden Vorbereitungszeit. «Diese verwendete ich ausschliesslich für das Schreiben von Reden.»

Auch Haas nahm jede Einladung an, die sie erhielt. «Nur an einem der Anlässe konnte ich nicht selber erscheinen, weshalb dort Karl Nussbaumer als damaliger Vizepräsident verdankenswerterweise für mich einsprang.» Die Kantonsrätin sagt: «Die Kernaufgabe des Präsidiums war für mich zwar die Sitzungsleitung. Doch sah ich diese Anlässe jeweils als schöne Gelegenheit, damit die Legislative einmal mit der Bevölkerung Kontakt aufnimmt.»

Nussbaumer hat im letzten Jahr 42'000 Franken verrechnet

Deutlich länger kommt Liste der Abrechnungen des Jahres 2023 daher. Im vergangenen Jahr besuchte der amtierende Kantonsratspräsident Karl Nussbaumer (SVP) rund 140 Anlässe. Etwa 83 Stunden Vorbereitungszeit kamen obendrauf. Die Abrechnungen des gesamten Jahres belaufen sich auf über 42'000 Franken.

«Für mich war absolut klar, dass ich in dieser Zeit mein Pensum reduzieren muss, damit ich dieses ehrenvolle Amt so wahrnehmen kann, wie ich mir das vorstelle«, erklärt Nussbaumer auf Anfrage. Das funktioniere, da die Partner, mit denen er eine Handelsfirma führt, ihm in dieser Zeit viel Arbeit abnehmen würden.

Unter den mannigfaltigen Anlässen, die Nussbaumer allesamt in seiner Funktion als höchster Zuger besucht habe und auch abrechnete, sind eine Menge klassischer repräsentativer Missionen zu finden. So etwa der Besuch verschiedener Generalversammlungen, ein Treffen der kantonalen Parlamentspräsidenten in Bern sowie der Besuch des Stierenmarkts.

Auch Apéros und Gottesdienste stehen auf der Liste

Doch fallen in Nussbaumers Auflistung auch einige Anlässe auf, die eher unorthodox erscheinen. Etwa der Besuch eines Gottesdienstes auf dem Bauernhof Schwand im Mai letzten Jahres, für den er fast 220 Franken erhielt. Weiter vermerkt sind Besuche von Ausstellungen und einige Apéros.

Ebenfalls stellt sich die Frage, ob ausserkantonale Anlässe wie der Besuch der GV der Muotathaler Wetterschmöcker (320 Franken) sowie die Verleihung des rostigen Paragrafen der IG Freiheit in Zürich (220 Franken) tatsächlich als repräsentative Auftritte gezählt werden können.

Nussbaumer erklärt höhere Ausgaben auch durch seine Vernetzung

Auf die Frage, wie Nussbaumer die grossen Unterschiede zwischen den eigenen und den Abrechnungen seiner Vorgängerinnen erklärt, sagt dieser: «In den letzten drei Jahren gab es deutliche Unterschiede in den Rahmenbedingungen, die die Anzahl der besuchten Anlässe und die damit verbundenen Kosten beeinflussten.»

Er führt aus: «Erstens: Während der Corona-Zeit fanden deutlich weniger Veranstaltungen statt, was sich in den niedrigeren Zahlen von 2022 widerspiegelt. 2023 hingegen war geprägt von vielen Nachholveranstaltungen, die aufgrund der pandemiebedingten Absagen in den Vorjahren nun durchgeführt wurden.» Dies habe zwangsläufig zu einer höheren Anzahl von Einladungen und besuchten Anlässen geführt.

«Ich bin einer vom Volk, fürs Volk und das wird sehr geschätzt.»

Karl Nussbaumer, amtierender KR-Präsident

«Zweitens: Meine gute Vernetzung und Bekanntheit haben dazu beigetragen, dass ich mehr Einladungen erhalten habe als meine Vorgängerinnen. Das zeigt sich auch in der Zahl der angenommenen Einladungen: Ich habe 150 Einladungen als KRP angenommen, was die Anzahl der besuchten Anlässe und die damit verbundenen Kosten zusätzlich erhöht hat.» Die Staatskanzlei habe Nussbaumer denn auch nie darauf hingewiesen, dass er zu viel Besuche absolviere. Dies bestätigt auch Landschreiber Tobias Moser auf Anfrage. Der amtierende Präsident schliesst: «Ich bin einer vom Volk, fürs Volk und das wird sehr geschätzt.»

Die Frage, ob Nussbaumer seine hohen Ausgaben als gerechtfertigt ansieht, beantwortet er mit einem Verweis aufs Nebenamtsgesetz, in dem festgelegt ist, dass KR-Präsidenten keine Stunden- oder Halbstundenansätze aufschreiben, sondern nur Tages- und Halbtagespauschalen. Der Entscheid, wie viele Veranstaltungen der Kantonsratspräsident besuche und wie viel Zeit er dafür aufwenden könne und wolle, liege im Entscheid des Einzelnen, wie Nussbaumer betont.

Repräsentation auch ausserhalb der Kantonsgrenzen?

«Ich habe sehr viele ausserkantonale Einladungen als Kantonsratspräsident erhalten und diverse auch besucht, immer unter dem Aspekt der Pflege von Kontakten zu anderen politischen Gremien, Verbänden, Organisationen und der Öffentlichkeit», erklärt der amtierende Kantonsratspräsident. «Dies fördert den Austausch und die Zusammenarbeit. Die Funktion des Amtes beinhaltet selbstredend auch die Repräsentation des Kantons Zug ausserhalb des Kantons.» Für eine zweitägige Reise nach Deutschland, für die er als KRP eingeladen worden sei, habe er sich hingegen entschuldigt.

Die rund 83 Stunden, welche Karl Nussbaumer für die Vorbereitungen der amtlichen Missionen im letzten Jahr aufgeschrieben hat, erklärt dieser wie folgt: «Es ist wichtig zu betonen, dass eine gute Rede von etwa zehn Minuten in der Regel eine Vorbereitung von etwa zwei Stunden erfordert.» Diese Zeit werde benötigt, um Inhalte zu recherchieren, Struktur und Argumentation auszuarbeiten sowie Stichwortkarten zu erstellen.

Barmet, Haas und Nussbaumer befürworten Pauschale

«Zusätzlich zu den Redevorbereitungen gab es auch andere Tätigkeiten, die zu den vermerkten Stunden beitragen. Dazu gehören organisatorische Aufgaben wie das Erstellen von Terminplänen und die Abstimmung mit anderen Beteiligten, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten», argumentiert Nussbaumer. «Die Entschädigung von 86 Franken reflektiert somit die Vielfalt und den Umfang der notwendigen Vorbereitungen, die über das reine Schreiben von Reden hinausgehen. Weiter verweise ich auf das Nebenamtsgesetz.»

Die Motion der erweiterten Staatswirtschaftskommission, welche eine Pauschale für die Entschädigung der Kantonsratspräsidien fordert, begrüsst Nussbaumer übrigens. «Mit einer Pauschale würde auch das Aufschreiben und Abrechnen entfallen und einiges erleichtern.» Damit ist er in guter Gesellschaft. Auch seine beiden Vorgängerinnen erachten einen Pauschalbetrag als gute Lösung. Esther Haas sagt dazu: «Eine Pauschale schafft Klarheiten und reduziert für die jeweilige Kantonsratspräsidentin den administrativen  Aufwand praktisch auf null.»

Wurde auch hier das Kommissionsgeheimnis verletzt?

Pauschale hin oder her – Monika Barmet ist es im Zusammenhang mit der Spesenfrage ein Anliegen, noch auf einen ganz anderen Umstand hinzuweisen: «Da es überhaupt zu dieser Motion der erweiterten Stawiko kam und Informationen an die Medien gelangten, ist es möglich, dass jemand das Kommissionsgeheimnis verletzt hat. Bei Andreas Hostettler wurde dies zum grossen Thema gemacht. Doch dasselbe gilt auch hier: Die Verletzung des Kommissionsgeheimnisses ist keine Bagatelle.»

Verwendete Quellen
  • Detaillierte Abrechnungen der drei Kantonsratspräsidenten ab 2019
  • Telefongespräche mit Esther Haas und Monika Barmet
  • Mündlicher und schriftlicher Austausch mit Karl Nussbaumer
  • Motion der erweiterten Stawiko
  • Schriftlicher Austausch mit Tobias Moser
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