Nicht weit genug vs. viel zu weit

Das ärgert die Politik am Kita-Vorschlag der Regierung

Wer zahlt künftig wie viel an den Kita-Kosten? Darüber ist sich die Luzerner Politik uneins. (Bild: Symbolbild: Pexels/Ksenia Chernaya)

Später als geplant präsentiert die Luzerner Regierung ihren Gegenvorschlag zur Kita-Initiative der SP: ein einheitliches kantonales System für Betreuungsgutscheine. Nicht nur Linke lehnen den Vorschlag ab.

Das Angebot an Kinderbetreuung unterscheidet sich im Kanton Luzern von Gemeinde zu Gemeinde. Mit einer Initiative will die SP eine flächendeckende Versorgung sicherstellen (zentralplus berichtete). Die Luzerner Regierung anerkennt den Handlungsbedarf, ist jedoch wenig begeistert von der Initiative. Sie schätzt mit Kosten von 72 Millionen Franken pro Jahr, die der Kanton blechen müsste. Zudem soll der Kanton nicht allein zuständig für die Kinderbetreuung sein, auch die Gemeinden sollen Verantwortung übernehmen.

Das will die Kita-Initiative der SP

Kinderbetreuung ist im Kanton Luzern ein riesiger Flickenteppich. Je nachdem, in welcher Gemeinde die Eltern wohnen, erhalten sie dafür finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand oder nicht. Bei der Ferienbetreuung sparen Emmer Eltern beispielsweise mehr als 30 Franken pro Tag, wenn sie in die Nachbargemeinde zügelten (zentralplus berichtete). Und auch die Höhe der Betreuungsgutscheine für Kitas variiert stark, wenn es sie denn überhaupt gibt.

Um diesen Flickenteppich auszubessern, hat die SP Kanton Luzern die Initiative «Bezahlbare Kitas für alle» lanciert und eingereicht. Ihre Forderungen: Der Kanton sorgt für eine «flächendeckende» Versorgung mit «qualitativ guter Kinderbetreuung». Kita-Tarife sollen einkommensabhängig sein und die Eltern maximal 30 Prozent der Kosten übernehmen. Betreuerinnen sollen faire Arbeitsbedingungen haben. Und der Kanton kann Unternehmen und Gemeinden an der Finanzierung beteiligen.

Stattdessen will die Regierung ein einheitliches System für Betreuungsgutscheine und Mindeststandards für Kitas einführen. Nach Abzug des Gutscheins zahlen Eltern der tiefsten Einkommensklasse noch zehn Franken pro Kind und Tag. Danach steigt der Eigenbetrag exponentiell. Die Kosten dafür teilen sich Gemeinden und Kanton halbe-halbe (zentralplus berichtete).

Am Freitag ist die Vernehmlassung dazu zu Ende gegangen. Dabei zeigt sich: Nicht nur SP und Grüne sind davon nicht begeistert.

Kanton soll mehr Geld in die Hand nehmen

SP und Grüne lehnen den Gegenvorschlag der Regierung ab und verlangen Nachbesserungen. Unter anderem in der Finanzierung. Für sie soll der Kanton den Hauptteil der Finanzierung übernehmen – die Grünen schlagen mindestens 60 Prozent, die Sozialdemokraten gar 70 Prozent vor. «Dies, weil die Verantwortung gemäss unserem Vorschlag neu zum grösseren Teil beim Kanton liegt und die Gemeinden lediglich für den Vollzug zuständig sind», begründet die SP in ihrer Antwort.

Auch sehen sie sowie die GLP die von der Regierung geplante «Gegenfinanzierung» der Gemeinden für die Beteiligung des Kantons kritisch. Im Rahmen der Aufgaben- und Finanzreform 2018 und der geplanten Steuergesetzrevision würden die Gemeinden finanziell bereits stark belastet (zentralplus berichtete). «Wenn die Gemeinden die Beteiligung gegenfinanzieren müssen, dann zieht sich der Kanton komplett aus der finanziellen Verantwortung», schreibt etwa die SP.

Die Grünliberalen bemängeln zusätzlich, dass das Gesetz explizit nur «Vorschulkinder» einschliesse. «Auch Familien mit Kindern in der Primarstufe sind auf Unterstützung angewiesen und können durch solch eine Betreuungsunterstützung profitieren. Wir sollten etwas schaffen, das für die gesamte Kinderbetreuung greift, um die Eltern damit wirtschaftlich nachhaltig zu entlasten», heisst es in ihrer Vernehmlassungsantwort.

SVP: Vorschlag torpediert traditionelles Familienmodell

Die SVP ist ebenfalls wenig begeistert vom Vorschlag der Regierung. Jedoch aus ganz anderen Gründen als die Linken. Sie findet den Kostenteiler zwischen Kanton und Gemeinden gerecht. Jedoch findet sie, dass potenziell zu viele Eltern von den Betreuungsgutscheinen profitieren würden. Gemäss Schätzungen des Kantons kommen diese rund drei Viertel der erwerbstätigen Haushalte zugute. Für die SVP zu viel: «Betreuungsgutscheine sollten in der Regel nur Personen erhalten, welche diese notwendig benötigen, so beispielsweise alleinerziehende Mütter oder Väter.»

Sie schlägt daher ein «Minimalerwerbspensum» vor, um für die Gutscheine zu qualifizieren. Familien sollten ihrer Meinung nach mindestens 120 Prozent arbeiten, Alleinerziehende 20 Prozent. Um den Kreis der Profitierenden zusätzlich einzuschränken, solle die maximale Einkommenshöhe tiefer angesetzt werden. Oder die Beteiligung tiefer sein.

Grundsätzlich seien die Initiative wie auch der Gegenvorschlag für sie eine «klare Lenkung der Familienpolitik», die sie nicht goutiere. Dadurch würden Kitas für Eltern viel attraktiver. Dies zulasten des «traditionellen Familienmodells», bei dem ein Elternteil, Verwandte oder Bekannte auf die Kinder aufpassen würden. Die SVP fordert deshalb zusätzlich eine attraktivere Gestaltung der Eigenbetreuung, damit diese erhalten bleibe.

Minimale Qualitätsanforderungen sind noch zu tief

Nebst der Finanzierung bemängelten die Parteien auch die angestrebten Mindeststandards. Diese orientieren sich an denen des Verbands Luzerner Gemeinden (VLG) von 2020 – die gemäss SP, Grüne und GLP «ungenügend» und «überholt» sind. «Die Qualität der Fachpersonen, der Verpflegung und auch die Räume sollen auf das Wohl der Kinder und deren Entwicklung ausgerichtet sein», wird Grüne-Kantonsrätin Sabine Heselhaus dazu zitiert. Der Kanton solle sich «mindestens» an den Empfehlungen der schweizerischen Sozialdirektoren und Erziehungsdirektorinnen orientieren. Und gemäss SP und Grüne diese auch auf Nannys und Tagesfamilien anwenden.

Zudem fordern die Grünen, dass der Kanton auch Bildungsinhalte in die Qualitätskriterien mit aufnehme. Kinder würden in Kitas nicht nur betreut, sondern könnten bei qualifizierten Fachpersonen auch spielerisch lernen und erleben.

Was nebst den linken Parteien auch Gewerkschaften wie VPOD und der Luzerner Gewerkschaftsbund kritisieren, seien fehlende Vorgaben über faire Arbeitsbedingungen für die Angestellten. Als Beispiel nennt der VPOD einen Betreuungsschlüssel, der Lernende oder Praktikantinnen nicht als ausgebildetes Personal dazuzähle. Oder «faire Löhne, um den Berufsausstieg und Fluktuation zu lindern», samt Ausbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten.

Die Mitte wiederum warnt vor einer zu starken Qualitätsentwicklung. «Steigende Qualitätsanforderungen führen oft zu höheren Personalkosten. Gemeinden können höhere Standards definieren und umsetzen, müssen aber die Mehrkosten selbst tragen», hält sie in ihrer Antwort fest.

Schule und Kitas zusammendenken

Grundsätzlich hinter dem Gegenvorschlag der Regierung stehen Mitte, GLP und FDP. «So wird ein wirksamer Anreiz zur Erhöhung der Erwerbsquote gesetzt», loben beispielsweise die Freisinnigen. Das sei ein wirksames Mittel gegen Fachkräftemangel.

Zudem hinterfragen alle drei, ob der Kanton die schulergänzende Betreuung wie Lernhilfe oder Mittagstisch und die familienergänzende Kinderbetreuung noch getrennt betrachten sollte. «Die Bereiche wachsen auch zusammen, betrachtet man die frühere Einschulung und die steigende Nachfrage nach Betreuung während den Schulferien», hält die Mitte fest. Der Kanton solle daher künftig eine übergeordnete Lösung prüfen.

Nach der Vernehmlassung wird die Kita-Initiative und der Gegenvorschlag im Kantonsrat diskutiert. Danach wird beides der Luzerner Stimmbevölkerung vorgelegt. Ziel ist, dass die Initiative oder der Gegenvorschlag per 1. Januar 2026 in Kraft tritt.

Verwendete Quellen

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