Kanton will Verfassung ändern

Ab 2026 sollen Zuger mit Behinderung wählen dürfen

Auch Zugerinnen mit einem Beistand sollen künftig wählen und abstimmen dürfen. (Bild: Symbolbild: Pexels/Cliff Booth)

Heute dürfen Personen mit geistiger Beeinträchtigung nicht wählen und abstimmen. Die Schweiz und die Kantone verstossen damit gegen das Völkerrecht. Zug will sie deshalb ab 2026 nicht mehr vom Wahllokal ausschliessen.

Am Sonntag stimmen die Zuger über mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung ab. Jedoch erhielten nicht alle Zuger ein Wahlcouvert. 93 Personen erhielten die Unterlagen nicht – weil sie eine geistige Behinderung haben oder wegen ihres hohen Alters unter umfassender Beistandsschaft stehen. Damit verstösst der Kanton Zug gegen geltendes Recht.

Nicht nur steht ihnen das Wahl- und Stimmrecht nach der Uno-Behindertenrechtskonvention explizit zu. Auch verstösst Zug damit gegen das Diskriminierungsverbot in der Bundesverfassung. Der Kanton befindet sich dabei in bester Gesellschaft: Erst in Genf dürfen behinderte Personen auch wählen und abstimmen.

Für den Kanton Zug ist es höchste Zeit, dass er Personen mit Behinderung nicht mehr von Abstimmungen ausschliesst (zentralplus berichtete). Nach einer Motion von Mitte- und ALG-Kantonsräten hat der Regierungsrat entsprechende gesetzliche Anpassungen in Vernehmlassung geschickt. Nun präsentiert er seinen Vorschlag zur Umsetzung.

Brauchts Prüfungen?

Die Regierung sah dabei zwei Möglichkeiten, wie sie geistig beeinträchtigen Zugern das Stimmrecht gewähren könnte. Entweder, sie klärt bei jeder Person einzeln ab, ob sie genug urteilsfähig ist, um abzustimmen und zu wählen. Oder sie streicht die Ausnahmen beim Stimmrecht ersatzlos.

«Bei jeder Abstimmung oder Wahl gibt es auch unter den Personen ohne Behinderung Stimmende, welche ihre Entscheide nicht hinlänglich informiert fällen.»

Zuger Regierung

Solche Einzelfallprüfungen seien gemäss der Regierung aber nicht verhältnismässig. Sie wären sehr aufwendig. Zudem müsste die entsprechende Stelle zuerst eine entsprechende Prüfung dafür schaffen, was zeit- und kostenintensiv wäre. Und: Das Hauptproblem wäre noch immer nicht gelöst. Mit einer Prüfung würden Einzelne von ihrem Wahl- und Abstimmungsrecht ausgeschlossen – womit Zug nach wie vor gegen Völkerrecht verstiesse.

Gegen die komplette Inklusion spreche stattdessen, dass auch einzelne Personen abstimmen würden, «welche die Bedeutung und Auswirkungen politischer Entscheide nicht verstehen». Für den Kanton Zug ist das jedoch kein überzeugendes Argument dagegen: «Bei jeder Abstimmung oder Wahl gibt es auch unter den Personen ohne Behinderung Stimmende, welche ihre Entscheide nicht hinlänglich informiert fällen. Dies gehört zum Wesen einer Demokratie.» Das Recht auf politische Partizipation überwiege daher das Risiko für allfällige Verfälschungen von Abstimmungsergebnissen.

Bürgerliche befürchten Manipulation

Im Rahmen der Vernehmlassung gab es auch kritische Stimmen zum Vorhaben der Regierung. Die Stadt Zug sowie die Gemeinden Baar, Cham, Hünenberg, Menzingen und Oberägeri bevorzugten eine Einzelfallprüfung. Nur so sei sichergestellt, dass Stimmbürger mit einem «Mindestmass an Urteilsfähigkeit» abstimmen würden.

FDP und SVP wollen hingegen am Status Quo festhalten. «Wer nicht in der Lage ist, seine Eigenbelange
selbstständig und vernünftig zu regeln, soll auch nicht berechtigt sein, Entscheide zu Gunsten oder zu
Lasten des Gemeinwesens zu treffen», schreibt die FDP in ihrer Stellungnahme. Und die SVP befürchtet, Beistände könnten die Änderung missbrauchen, in ihrem Sinne zweimal abzustimmen. Zudem finden beide Parteien, der Kanton solle zuerst eine entsprechende Änderung beim Bund abwarten.

Für die Zuger Regierung ist das zögerliche Handeln des Bundes jedoch kein Argument, die rechtswidrige Diskriminierung von Menschen mit Behinderung auf kantonaler Ebene nicht zu beheben. Zudem überwiege das Recht auf politische Partizipation die Bedenken hinsichtlich möglicher Manipulation, schreibt sie im Bericht. Gerade weil in Zug nur wenige Personen betroffen wären, sei die Integrität der Abstimmungen nicht gefährdet.

Zuger Stimmbevölkerung hat das letzte Wort

Trotz der «nur» 93 betroffenen Personen sei diese Änderung keine Symbolpolitik, betont die Regierung. «Es sind zentrale demokratische Grundrechte betroffen, deren Beschneidung bereits in einem einzelnen Fall problematisch ist.» Mit der Änderung der Verfassung zeige der Kanton Zug, dass Personen mit Behinderung gleichberechtigte Bürger sind. Sie dürften neu wählen, abstimmen und für Ämter kandidieren. Ob eine Person fähig für ein Amt sei, beurteile ohnehin schon die Zuger Stimmbevölkerung.

Bevor die Revision in Kraft tritt, beschäftigt sich der Zuger Kantonsrat erneut mit der Vorlage. Zudem stimmt die Zuger Bevölkerung voraussichtlich im Oktober oder November 2025 über die dafür nötige Verfassungsänderung ab. Geben beide grünes Licht, erhielten behinderte Zugerinnen wohl anfangs 2026 das Wahl- und Stimmrecht. Somit könnten sie beispielsweise schon am nächsten «Super Sunday» im Oktober 2026 als Regierungs- oder Kantonsrat kandidieren.

Verwendete Quellen
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