Juan beglückt Luzernerinnen und Zugerinnen

«Wären Männer wie Callboys, wären alle Frauen zufrieden»

Ein Callboy sollte «überdurchschnittlich einfühlsam» sein, findet Juan. (Bild: zvg)

Vom Brückenmeister zum Callboy: Juan Primero bietet für 250 Franken pro Stunde seine Dienstleistungen als Callboy an. Er schenkt Frauen Aufmerksamkeit, die sie in ihrem Alltag oft vermissen.

Er bezeichnet sich selbst als «the magic one» – eine Stunde mit ihm kostet 250 Franken: Juan Primero. Seit über zehn Jahren ist er als Callboy tätig, bringt seine «magischen Hände» zusätzlich als klassischer Masseur und Tantra-Masseur zum Einsatz.

Mittwoch, 11 Uhr, Oerlikonerstrasse in Zürich: Juan – 47, barfuss, mit langem, zur Seite gekämmten Pony – öffnet die Tür seines Massagestudios. Er führt in ein Zimmer, das Licht ist gedimmt. Neben einem kleinen Salontisch stehen zwei Stühle, darüber ein Buddha-Bild, vis-à-vis ein Whirlpool. Kerzen sind aufgestellt. Noch brennen sie nicht. In den anderen Räumen liegen Tantra-Matten auf dem Boden, das Massageöl ist einsatzbereit.

Juan, der eigentlich anders heisst, hört gar nicht mehr auf seinen richtigen Namen. «Mein normaler Name ist mir selbst so was von fremd geworden», sagt er, nachdem er sich gesetzt hat.

Warum Frauen einen Callboy buchen

Der gebürtige Zürcher ist als Callboy in der ganzen Schweiz aktiv, auch im nahen Ausland. Frauen aus der Zentralschweiz gehören zu seinen Kundinnen. «Luzernerinnen und Zugerinnen sind viel offener als Frauen aus Grossstädten», sagt Juan. Auch bodenständiger seien sie. Spezielle Bedürfnisse hätten sie nicht.

Dates, bei denen er an die Tür eines Hotel- oder Stundenzimmer klopft, kurz mit der Frau unter die Dusche hüpft, damit es dann gleich zur Sache geht, seien eher selten. «Eine Frau bucht mich fast nie für ein reines Sextreffen.»

«Luzernerinnen und Zugerinnen sind viel offener als Frauen aus Grossstädten.»

Wohlhabende, ältere Frauen, Studentinnen und Mütter – sie alle würden zu seinen Kundinnen gehören. Eines hätten die meisten jedoch gemeinsam: unerfüllte Wünsche und unbefriedigte Bedürfnisse. «Die meisten Frauen fühlen sich nicht wahrgenommen, nicht gesehen und begehrt», sagt Juan. Sei das, weil sie nach einer Schwangerschaft mit ihrer Figur oder mit dem Älterwerden hadern. «Sie fühlen sich unscheinbar und unbefriedigt – geistig wie körperlich.»

Etwa jede zweite Frau hat einen Partner

Etwa jede zweite Kundin befände sich in einer Partnerschaft. Sie würden von ihren Männern keine Komplimente mehr erhalten – oder nur dann, wenn der Partner Sex wolle. «Viele Frauen suchen den Fehler bei sich, wenn sie von ihrem Partner nicht mehr begehrt werden», sagt Juan.

Auch wenn ihn die Geschichten nicht kaltlassen – es spielt ihm in die Karten. Denn genau diese Frauen sind es, die an den Callboy gelangen. «Ich habe Frauen schon immer gerne verwöhnt», sagt Juan. Natürlich schmeichle es ihm umgekehrt auch, wenn Frauen bereit seien, für ihn Geld auszugeben.

Juan sitzt gelassen auf seinem Stuhl. Er trägt Fingerring und Armbänder, immer wieder fährt er sich mit der einen Hand durchs Haar. Der gebürtige Zürcher ist einer von acht Männern, die auf der Website der «Swiss-Callboys» angepriesen werden. Alle sind im Anzug abgelichtet. Juan trägt Krawatte und Lacklederschuhe, dann posiert er lässig in Jeans und Sonnenbrille vor der Kamera.

Juan Primero. (Bild: zvg)

Nur auf einem Bild ist er ganz nackt. Man sieht den 47-Jährigen von hinten, der Hintergrund schwarz, das Licht auf ihn gerichtet. Juan steht da, seine rechte Hand am Hinterkopf, chinesische Schriftzeichen am Rücken, entblösster Po.

Der perfekte Mann

Die Callboys werden anders angepriesen als viele Sexarbeiterinnen. Wer Bordell-Websites abklappert, sieht Frauen, die sich in Dessous auf Betten rekeln, an Stangen tanzen – die Brüste fast immer entblösst.

Bei den Callboys wird zwar auch angegeben, wofür sie alles zu haben sind: Kuscheln, Zungenküsse, Rollenspiele, Geschlechtsverkehr mit (Gummi), Tantra, Massage, Dirty Talk, SM leicht/mittel/schwer.

Doch auch Alter, Sternzeichen, Augenfarbe, Haarfarbe, Grösse, Gewicht, Konfektionsgrösse, Schuhgrösse und sogar Tanzfähigkeiten verraten die Callboys. Ob er raucht und trinkt, ob Piercings und Tattoos seinen Körper zieren – und wie er seinen Charakter beschreibt.

«Im Prinzip läuft es ab wie ein normales Date.»

Man erfährt mehr als auf so manchem Datingprofil. Juan lacht. «Ein guter Callboy ist das Spiegelbild eines perfekten Mannes», sagt er. «Wären Männer wie Callboys, wären alle Frauen zufrieden.» Ein Callboy solle in seinen Augen all das repräsentieren, was sich Frauen an einem festen Partner wünschen würden. Ein Callboy höre seiner Kundin zu, sei gepflegt, gutaussehend, charmant und habe gute Manieren.

Gute Manieren hat Juan. Er wirkt charmant, schenkt den Tee nach und hält den Bambusvorhang an der Tür zur Seite. In seiner Gegenwart fühlt man sich wohl, Tabuthemen scheint es keine zu geben. Doch so offen er auch über Sex und Geld spricht – er wirkt anfänglich ein wenig unnahbar.

Er fährt fort: «Ein guter Callboy ist überdurchschnittlich einfühlsam, akzeptiert und begehrt die Frauen – und stellt seine eigenen Bedürfnisse auf die Seite.» Und natürlich auch das: «Er ist in der Regel erfahren – und bei sexuellen Aktivitäten ausdauernd.»

Juan ist seit eineinhalb Jahren single. (Bild: zvg)

Mehr als nur eine schnelle Nummer im Stundenzimmer

Die meisten Treffen dauern zwei bis drei Stunden. Juan trifft seine Kundinnen erst bei einem gemeinsamen Drink oder einem Nachtessen. Sie lernen sich erstmals kennen. «Im Prinzip läuft es wie ein normales Date», sagt Juan. Nur, dass er eben zu Beginn des Dates bezahlt wird. «Wir reden miteinander, flirten, hin und wieder gibt es eine leichte Berührung.»

«Idealerweise verliebt sich die Frau ein kleines bisschen in mich. Aber nur ein kleines bisschen.»

Früher oder später geht es zu jemandem nach Hause, ins Hotelzimmer oder in sein Massagestudio. Oft begänne er damit, eine Frau zu massieren, bis es dann zum Sex kommt. Schliesslich hat er ja «magische Hände». Juan schmunzelt und begutachtet seine Hände, die für einen Mann relativ fein sind. Helfen diese nicht, hat er einen Koffer mit Spielzeug dabei. Darin: Sextoys, Augenbinden und Handschellen.

Wie viel ein Callboy kostet, das ist bei den Swiss-Callboys auf der Website in einer Honorarliste ersichtlich. Bei einem Treffen mit Sex kostet eine Stunde 250 Franken. Zwei Stunden gibts für 450 Franken, drei für 650 Franken. Auch 24-Stunden-Treffen sind möglich (2400 Franken) oder ein ganzes Wochenende sowie Ferienreisen im In- und Ausland.

Im Idealfall verschwinden Grenzen. Zumindest für die Kundin. Wenn sie vergesse, dass sie Juan für die gemeinsame Zeit bezahle, dass es in wenigen Stunden vorbei sein werde, dass dies alles nur ein Geschäft sei. «Idealerweise verliebt sich die Frau ein kleines bisschen in mich. Aber nur ein kleines bisschen», sagt Juan. Dann könne sie abschalten, die Zeit mit dem Stundenpartner geniessen, sei aber nicht so verliebt, dass der Abschied schwerfällt. Juan sagt, dass er selbst Grenzen immer aufrechterhalte. «Ich behandle jede Kundin gleich, keine wird bevorzugt. Auch reagiere ich nur auf Kontaktaufnahmen.»

Manchmal ist er auch nur ein Begleiter

Juan wird auch als Begleiter gebucht, für Treffen, bei denen Sex tabu ist. Er begleitet seine Kundinnen an Geschäftsanlässe, zu Opern oder berät sie beim Shopping. Auch schon sei er von zwei älteren Frauen in ein Basler Luxushotel zum Sonntagsbrunch eingeladen worden. «Sie wollten einfach mal sehen, wie ein Callboy auftritt und mehr über ihn erfahren», erzählt Juan.

«Bei diesen Non-Erotik-Dates verhalte ich mich als Callboy komplett anders.» Also kumpelhaft? Das sei vielleicht gar nicht so schlecht ausgedrückt, erwidert Juan. «Es wird nicht geflirtet, gibt keine Berührungen.»

Auch für Hochzeiten wird er gebucht – letztens begleitete er eine Frau bei einem Klassentreffen. Diese Frauen haben es satt, ständig mit mitleidigen Blicken konfrontiert und mit Fragen bombardiert zu werden, weil sie nach Jahren immer noch single sind. Dann spielt Juan den festen Freund – oder schlüpft in die Rolle des Mannes, den die Frau gerade kennenlernt.

Das klingt nach viel Vorbesprechen, damit das Umfeld nicht stutzig wird. Juan nickt. Er spreche sich jeweils mit der Kundin ab, in welcher Konstellation sie stehen – und denke sich eine Story dazu aus.

Je nach Umfeld der Kundin sagt Juan dann, dass er Masseur sei, der kommerzielle Massagen anbiete – was ja auch stimmt. Nur verrät er nicht alles. Oder er verweist auf seinen früheren Werdegang: Juan arbeitete einst auf dem Bau, war Bauführer und Projektleiter. Zuletzt arbeitete er als Brückenmeister bei der Stadt Zürich. Sich komplett verstellen will er nicht. «Ich versuche, als Mann an der Seite einer Kundin immer auch mich selbst zu sein. Umso authentischer ich bin, umso einfacher ist es für mich, und umso weniger gekünstelt wirke ich auf andere.»

Wie Juan Callboy wurde

Als Juan sich vor über 20 Jahren von seiner damaligen Frau geschieden hat, reiste er nach Barcelona, wo er in seiner Freizeit das Massieren entdeckt habe. Schliesslich schloss er 2002 die klassische Massageausbildung ab, später die Ausbildung zum Tantra-Masseur.

Zurück in der Schweiz habe er erst wieder auf dem Bau weitergearbeitet und nebenbei massiert. «Nachdem Kundinnen in einer Tantra-Massage zum Orgasmus gekommen sind, meinten einige, dass sie nun gerne mit mir schlafen würden.» Juan habe damals strikt abgeblockt. Schliesslich bot er das nicht an. «Dennoch kam der Gedanke auf: Wieso nicht auch Sex gegen Geld anbieten?»

Auch vor seiner Zeit als Callboy habe er alles andere als prüde gelebt, erzählt Juan mit einem Schmunzeln. «Für mich war Sexualität schon immer etwas, was man nicht abgesondert nur in Beziehungen erleben kann. Sex ist etwas Schönes, man kann ihn einfach geniessen.» Da sei ihm die Welt «zu verklemmt, zu altmodisch, zu ichbezogen und zu katholisch».

Für ihn sei Sexualität nicht so «etwas verrückt Privates und Intimes». Auch wenn er überzeugt ist, dass der Mensch nicht für Monogamie geschaffen sei, sagt Juan: «Jeder und jede so, wie er oder sie will. Wenn jemand gerne an Swingerpartys geht, ist das für mich genauso in Ordnung, wie wenn ein Paar monogam lebt und beim Sex das Licht ausmacht.»

Verwendete Quellen
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