Louisa erzählt von ihrem ungewöhnlichen Beruf

Das ist die Detektivin, die Zuger Affären aufdeckt

«Jeder und jede hat das Recht auf Aufklärung», sagt Louisa. Sie ist Detektivin. (Bild: ida)

Louisa hat keinen gewöhnlichen Beruf. Sie ist Detektivin – und kommt vor allem in Liebesangelegenheiten zum Einsatz. Nämlich dann, wenn jemand das Gefühl hat, der Partner habe eine Affäre.

Fotoapparat, Hut, Cap, Stirnlampe, Taschenlampe, Schlafsack, eine Flasche Wasser, Klopapier, Feuchttücher und vermutlich liegen irgendwo noch ein paar Bananen: Im Auto der Detektivin finden wir das, was die meisten als ideale Ausrüstung für ein Überlebenscamp bezeichnen würden. Oder eben auch zum Observieren.

Denn da steht auch griffbereit ein Aktenkoffer mit Mappen. In diesem sammelt Louisa Erismann sorgfältig – nach Fall gelistet – Aufträge für Observationen, Verträge und Angaben zur Zielperson. «Zur ZP», wie die Detektivin präzisiert. Dazu gehören unter anderem Haarfarbe, Augenfarbe, Grösse, Autonummer oder welches Velo die Person fährt.

Jahrelang hatte Louisa einen ganz normalen Beruf. Sie absolvierte diverse Ausbildungen – von der Bäuerinnenschule bis zur Fotografin und einen einjährigen Sprachaufenthalt in London – und führte mit ihrem Ex-Mann ein Augenoptik- und Fotofachgeschäft. Rund 20 Jahre lang war sie zudem für ein internationales Unternehmen im Aussendienst tätig. 

Spezialgebiet: Seitensprünge

Nach ihrer Pensionierung liess sich Louisa zur Privatdetektivin ausbilden. Damit hat sie sich ihren Kindheitstraum erfüllt. In Zürich hat die gebürtige Zugerin eine eigene Privatdetektei gegründet. Eines ihrer Spezialgebiete: Seitensprünge. Viele Klientinnen suchen sie auf, weil sie das Gefühl haben, ihr Partner betrüge sie. Auch Männer kontaktieren sie mit diesem Verdacht. Die Detektivin sucht aber auch vermisste Personen auf, unterstützt Mobbingopfer oder ermittelt bei Sozialmissbräuchen.

Wir treffen die Detektivin in einem Café in Zug zu Kaffee und Tee. Dürfen wir hier überhaupt so offen darüber sprechen, was sie so tut? Das fragen wir sie zu Beginn leise. «Die bleibt nicht lange», erwidert die Detektivin mit einem Blick nach links, wo eine Zeitung lesende Frau sitzt.

«Aber es ist schon so: Ich achte mehr auf meine Worte, wenn ich spüre, dass jemand lauscht.» Als Detektivin fühlt sie sich in der Öffentlichkeit nicht unwohl. Weil sie genau weiss, was sie tut und worauf sie achten muss: «Ich kann mit Ihnen reden und spüre zugleich, was hinter meinem Rücken geschieht.»

zentralplus: Haben Sie eine strenge Nacht hinter sich? Lauerten Sie mit Nachtsichtgerät und Fotoapparat in einem Busch, um jemanden auszuspionieren?

Die Detektivin: Letzte Nacht nicht. Aber tatsächlich lauere ich manchmal stundenlang hinter einem Baum angelehnt oder kauere in einem Busch. Auch schon harrte ich im Schneegestöber bis fünf Uhr morgens vor einem Stundenhotel aus, bis die Zielperson das Hotel wieder verliess. Manchmal dauert die Observation mehrere Stunden. WC- oder Smartphone-Pausen liegen da nicht drin. Weil garantiert in diesem Moment etwas passieren würde. Das kann enorm langweilig und anstrengend sein. Aber Hartnäckigkeit zahlt sich aus.

«Jeder und jede hat das Recht auf Aufklärung.»

zentralplus: Als Privatdetektivin scheinen Sie am meisten bei Beziehungsangelegenheiten gefragt zu sein. Warum mischen Sie sich in andere Beziehungen und Ehen ein?

Die Detektivin: Ich mische mich überhaupt nicht in andere Beziehungen ein. Meine Klientinnen und Klienten – bei mir suchen auch Männer in diesen Fällen Hilfe – suchen mich mit ihrem Anliegen auf. Sie werden von Gedanken geplagt, dass ihr Partner oder ihre Partnerin sie betrügt. Ich unterstütze sie darin, Klarheit zu finden. Jeder und jede hat das Recht auf Aufklärung. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass man sich auf die eigene Intuition verlassen kann.

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Die Detektivin: Zu 90 Prozent ist etwas dran am Verdacht meiner Klienten, dass der Partner oder die Partnerin fremdgeht. Lege ich die Fakten dazu auf den Tisch, möchte ich meine Klientinnen dazu bringen, mit ihrem Partner in einen Dialog zu treten. Oftmals weinen sie natürlich zuerst.

zentralplus: Diese Botschaft zu überbringen stelle ich mir sehr unangenehm vor. Wie gehen Sie vor?

Die Detektivin: Ich bestelle meine Klientinnen in mein Büro und sage ihnen behutsam, was Sache ist und was ich herausgefunden habe. Fliegt eine Affäre auf, versuche ich, meinen Klientinnen neue Wege aufzuzeigen. Oftmals sind Beziehungen schon sehr zerrüttet und Paare reden nicht mehr offen miteinander.

zentralplus: Was raten Sie Betrogenen?

Die Detektivin: Dem Partner reinen Wein einzuschenken. Zu sagen, dass man Bescheid weiss. Es ist nicht wichtig, dem Gegenüber zu erklären, wie man einen möglichen Seitensprung herausgefunden hat. Sondern es ist wichtig, gemeinsam vorwärtszuschauen, ob und wie man diese Situation lösen will. Dabei unterstütze ich Paare gerne.

zentralplus: Sie bildeten sich zusätzlich zum diplomierten Coach und zur Beraterin aus. Scheinbar sind die Fälle für Sie noch nicht ganz gelöst, auch wenn Sie die Fakten auf den Tisch gelegt haben.

Die Detektivin: Genau. Ich sehe bei jedem Fall die Menschen dahinter. Menschen, die hintergangen wurden, wollen oftmals wissen, wer der neue Liebhaber ist. Dabei geht es darum, das Trauma aufarbeiten zu können, einen Neustart zu wagen – sei das mit dem Partner oder nach einer Trennung. Ich verurteile niemanden. Jemand, der fremd geht, hat auch seine Gründe.

zentralplus: Können Sie uns einen konkreten Fall schildern, in dem Sie in einer Beziehungsangelgenheit observiert haben?

Die Detektivin: In einem Fall hat mich ein Mann in meiner Detektei aufgesucht. Er schilderte mir, dass er spüre, dass irgendetwas in seiner Beziehung seit Längerem nicht mehr stimmt. Seine Frau würde sich immer wieder von ihm abwenden und sich auffällig verhalten. Jeden Freitagnachmittag nimmt sie sich frei. Angeblich, um einzukaufen, mit dem Hund zu spazieren und sich mit Freundinnen zu treffen. Auch Männer können sehr gut spüren, wenn in der Beziehung etwas nicht stimmt. Männer suchen meistens früher Rat bei mir, um in Erfahrung zu bringen, ob an ihrem Verdacht etwas dran ist – oder ob sie sich täuschen.

«Niemand rechnet mit einer Detektivin, man rechnet immer mit einem Mann.»

zentralplus: Wie ging's weiter?

Die Detektivin: Der Klient gab mir an, wo seine Frau in der Regel einkaufen geht. Ich suchte den ganzen Platz vor dem Einkaufszentrum ab, fand ihr Auto jedoch nicht. Bis mir auffiel, dass neben dem Einkaufszentrum ein stattliches Hotel steht. Blitzartig kam mir der Gedanke, mich in dem Hotel umzusehen. Ich wollte wissen, ob man da auch stundenweise ein Zimmer buchen kann. Schliesslich fand ich das Auto der Frau meines Klienten in der Autogarage des Hotels. Noch am selben Tag konnte ich herausfinden, wer der Liebhaber war. Meinem Klienten konnte ich beweisen, dass seine Frau mit diesem Mann ein Zimmer gebucht und sie gemeinsam den Nachmittag verbracht hatten.

zentralplus: Wie gehen Sie in solchen Fällen vor?

Die Detektivin: In einem ersten Gespräch frage ich meinen Klienten: «Was haben Sie für Hinweise? Warum spüren Sie, dass Ihre Partnerin fremdgeht?» Dann erstelle ich einen Vertrag mit den Klienten und berechne das Kostendach. Mit der Observation beginne ich erst, wenn ich ein Ziel sehe. Zuerst studiere ich die Zielperson, beginne mit der Recherche und will möglichst viel über sie herausfinden. Nach Observationen führe ich Rapporte nach, die ich unter anderem mit Bildern dokumentiere.

zentralplus: Unangenehm stelle ich es mir auch vor, wenn sie Menschen begegnen, die wissen, dass Sie diejenige waren, die ihre Affäre aufgedeckt hat. Werden Sie deswegen bedroht?

Die Detektivin: Ja. Ich erinnere mich besonders an einen Mann. Das war ein heftiger Fall. (Sie hält einen Moment inne, scheint erst abzuchecken, ob jemand lauscht.) Ein Ehepaar hatte im Ausland ein Business aufgebaut, bis der Mann in die Schweiz zog und von der Bildfläche verschwand. Seine Frau wusste nicht einmal mehr, wo er wohnt. Sie beauftragte mich, ihn zu finden.

zentralplus: Und, fanden Sie ihn?

Die Detektivin: Ja. Es stellte sich heraus, dass er einen sehr gut bezahlten Job und eine neue Partnerin hatte, mit der er gemeinsam in einem Einfamilienhaus wohnte. Er hinterzog im grossen Stil Steuern. Auch heute noch läuft ein Strafverfahren gegen ihn. Er sprach üble Drohungen gegen mich aus. Angst habe ich aber nicht.

zentralplus: Was tun Sie, um bei einer Observation nicht aufzufliegen? Tragen Sie Perücken, fahren ein unauffälliges Auto und wechseln die Kleidung, so wie man dies aus Filmen kennt?

Die Detektivin: Ich habe tatsächlich immer ein paar Utensilien dabei. Von Hüten und Kappen, die ich tief in mein Gesicht ziehen kann, bis zu Wendejacken, die auf der einen Seite farbig, auf der anderen schwarz sind. Innert Sekunden kann ich auch die Tasche wechseln und trage dann beispielsweise nur noch einen Migros-Sack bei mir. Und ja, ich fahre ein unauffälliges Auto mit getönten Scheiben. Neben dem Equipment sind insbesondere die Taktiken wichtig. Doch die verrate ich hier nicht. (Sie lacht.)

zentralplus: Spüren die Menschen, die Sie observieren, denn nicht, dass sie beobachtet und verfolgt werden?

Die Detektivin: Nein. Ansonsten wäre ich eine schlechte Detektivin. (Sie lacht.) Heute ist es einfacher, jemanden zu observieren. Die meisten sind mit ihrem Handy oder der eigenen Gedankenwelt abgelenkt. Ich bin einmal mitten in der Nacht meiner Zielperson gefolgt, die mehr als eine halbe Stunde lang einen Hang hinauf lief. Sie hat sich kein einziges Mal umgedreht, sondern blickte nur auf ihr Handy. Und wer hier rechnet damit, dass ich eine Detektivin bin? (Sie zeigt mit dem Finger um sich. Wir blicken im Café umher.) Niemand rechnet mit einer Detektivin, man rechnet immer mit einem Mann. Das ist ein riesiger Vorteil.

«Je tiefer ich grabe, umso mehr decke ich auf – auch an kriminellen Machenschaften.»

zentralplus: Wie weit gehen Sie für Beweise? Und ist das überhaupt legal, andere zu observieren und zu fotografieren?

Die Detektivin: Ich kenne die Gesetze. Und ich verletze die Rechte der Zielperson nicht. Wer richtig observiert, der braucht die Privatsphäre der Leute nicht zu verletzen. Ich wurde schon angefragt, durch ein Schlüsselloch zu filmen. Da hab ich natürlich abgelehnt. Zudem nehme ich keine Aufträge an, hinter denen kriminelle Absichten stecken könnten.

zentralplus: Sie setzen sich als Detektivin mit Affären und Steuerbetrügerinnen auseinander, suchen vermisste und untergetauchte Personen und decken Lügen und Intrigen auf. Inwiefern hat sich durch Ihre Arbeit Ihr Bild von Menschen und Beziehungen verändert?

Die Detektivin: Ich habe mehr Respekt vor mir selber, dem Leben und der Ehrlichkeit. Ehrlich zu sein, das wäre in unserer Gesellschaft das A und O. Sei das in Beziehungen, unter Freunden oder auf der Arbeit. Manchmal komme ich mir zudem vor wie eine Kanalratte: Je tiefer ich grabe, je tiefer ich mich mit observierten Personen auseinandersetze, umso mehr decke ich auf, auch an kriminellen Machenschaften.

Louisa nimmt den letzten Schluck des inzwischen kalt gewordenen Tees vor sich. Sie setzt sich die dunkle Sonnenbrille auf und bricht auf. Mit einem Blick auf ihr Handy sieht sie ungelesene Nachrichten, Telefonanrufe in Abwesenheit. Die Detektivin hat noch Fälle abzuarbeiten.

Verwendete Quellen
  • Persönliches Treffen mit der Detektivin
  • Website der Privatdetektei
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