Ukrainisches Ballet mit «Schwanensee» in Cham

Technisch tolle Tänzer zu schriller Musik ab Band

Das Ukrainian Classical Ballet Kiev gefiel durch die Kostüme und seine technischen Fähigkeiten. (Bild: map)

Das Ukrainian Classical Ballet Kiev gastierte diesen Donnerstag mit dem Klassiker «Schwanensee» in Cham. Der Lorzensaal war am Donnerstag zwar nicht ganz ausgebucht, aber die Begeisterung seitens des heterogenen Publikums (darunter waren auch zahlreiche aufmerksame Kinder zu sehen) für das berühmte Tschaikowsky-Ballett war besonders am Ende der fast zweistündigen Vorstellung sehr gross. Dies trotz suboptimal eingespielter Musik ab Band.

Seit der von Marius Petipa und Lew Iwanow 1894 geschaffenen ursprünglichen Choreographie wurde der «Schwanensee» nicht nur als das grosse Meisterwerk mit höchsten künstlerischen Eigenschaften betrachtet, es wurde auch zum Inbegriff des klassischen Balletts, zur Legende schlechthin, zum mythischen Tanzspektakel, in welchem Handlung und Choreographie eng und untrennbar mit der Musik verbunden sind.

Mehr als ein Ballett

Überall in der ganzen Welt halten Connaisseurs und Liebhaber des Tanzes den «Schwanensee» für das populärste Ballett überhaupt. Die romantische Geschichte von Odette und Odile, des weissen und des schwarzen Schwans, von Prinz Siegfried und vom teuflischen Zauberer Rotbart, der mit einem schrecklichen Fluch junge Mädchen in Schwäne verwandelt, wurde von Legionen von Choreografen wiedergegeben, hinterfragt, mit neuen dramaturgischen Ideen neu- und manchmal sogar überinterpretiert.

Und das ist nicht schwierig nachzuvollziehen, da das Ballett auch ein zeitloses Märchen von Liebe und Lüge ist, von Treue und Betrug, also vom ewigen Kampf zwischen Gut und Böse.

Grosses technisches Können des Ukrainian Classical Ballet Kiev

Der von Valery Kovtun mit dem Ukrainian Classical Ballet Kiev (künstlerischer Leiter: Viktor Ishchuk) in Cham präsentierte «Schwanensee» ist sehr traditionell und viel weniger psychologisch angehaucht als andere in den letzten Jahren gesehene Neuinterpretationen dieses Werks von Tschaikowsky. Trotz Veränderung des Finales (wir wollen natürlich nicht verraten wie), die von oft gesehenen Klischees beladene ukrainische Version erforscht bestimmt kein neues künstlerisches und interpretatorisches Territorium und stellt auch keine neue Vision des Stücks dar.

Die Szenen mit den Schwänen sind hingegen sehr schön und harmonisch und auch die bunten und eleganten Divertissements (sehr zur Geltung kommen hier die wunderbaren Kostüme) sind eine Attraktion. Vor allem aber konnte das Kiever Ballett am Donnerstagabend seine technischen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Alle Tänzer und Tänzerinnen – nicht nur die Solisten, sondern das ganze Ensemble – tanzten mit höchster Präzision und Kraft.

Wirklich aussergewöhnlich dank ihrer Expressivität und auch dank ihrer erotischen Ausstrahlung, die Tänzerin von Odile/schwarzer Schwan, eine der anspruchsvollsten Rollen für eine erste Solistin. Es war nur zu gut verständlich, weswegen sich Prinz Siegfried liebestrunken und geblendet von ihrem bestechenden Charme verführen liess. Natürlich viel weniger dramatisch, ruhiger und melancholischer, aber nicht weniger expressiv die Interpretin von Odette/weisser Schwan.

Uns hat auch der Tänzer von Prinz Siegfried gefallen, nicht nur wegen seiner sehr kraftvollen Sprünge oder wegen seiner glanzvollen Tanztechnik im Allgemeinen. Viel Anklang fand auch jener tragische Moment, wo er zerrissen und voller Kummer endlich erkennt, wie er vom schwarzen Schwan Odile übertölpelt wurde, und daher versucht Odette wiederzufinden, sie um Verzeihung zu bitten und ihr seine Liebe wieder zu gestehen.  

Musik ab Band

Mindestens wegen der drei oben erwähnten ausgezeichneten Tänzer lohnte es sich, am Donnerstagabend in Cham dabei zu sein. Was man hingegen von diesem Event nicht mitnehmen wird, ist die zu laute und zu schrille Musik ab Band. Dies ist umso bedauerlicher, weil die Musik des «Schwanensees» Situationen und Personen sehr akkurat und haarscharf charakterisiert, sie sozusagen psychologisiert. Schade aber auch, weil die berühmten Melodien zu den unvergesslichen der klassischen Musik gehören.

Der «Schwanensee» mit dem Ukrainian Classical Ballet Kiev wird noch am 8. Dezember in Aarau, am 12. Dezember in Zürich sowie am 13. Dezember in Bern zu sehen sein.     

Tschaikowskys «Schwanensee», der Ballettklassiker schlechthin. (Bild: map)
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