Bei einer Zuger Schule

Luzerner Künstlerin sorgt mit Nackt-Darbietung für Furore

Die Künstlerin Naira Ramos wollte nackt in der Öffentlichkeit eine Kunstperformance machen. (Bild: Hintergrund: Wiki Commons Public Domain | Kreisbild: Leon Maria Plecity)

Im Rahmen eines Kunstfestivals in Zug wollte eine Luzerner Künstlerin Frauen aus berühmten Gemälden nachahmen. Weder auf einem Pausenplatz noch in einem katholischen Lokal wurde es ihr erlaubt.

Die grosse Jakobsmuschel schaukelt leicht auf den Wellen. Ein milder Westwind bläst sie ans Ufer. Auf der Muschel herangetrieben steht Venus, die römische Göttin der Liebe und Schönheit. Die eine Hand vor der Brust, die andere vor dem Intimbereich, kommt sie nackt auf der Insel Zypern an. So zeigt Botticelli die «Geburt der Venus» im gleichnamigen, weltberühmten Gemälde.

Die Luzerner Künstlerin Naira Ramos wollte die Szene in der Zuger Altstadt nachstellen. Sie beabsichtigte, in ihrer Performance «Bitch Pose II» selbst die Venus zu geben. Und das originalgetreu – also nackt.

Die Darbietung wäre Teil des Kunstfestivals Niche gewesen, das am 8. Juni in der Stadt Zug stattfindet. «Wäre», weil die Aktion der Künstlerin so nicht geschehen wird. Die geplante Aufführung löste eine Kontroverse aus, im Zuge deren sich nicht nur eine Kommission, sondern auch die katholische Kirchgemeinde Zug einschaltete.

Das westliche Schönheitsideal kritisieren

In der fraglichen Darbietung beabsichtigte Ramos, entkleidet in einen muschelförmigen Brunnen zu stehen und die Pose von Botticellis Venus anzunehmen. Geplant wäre gewesen, auch Frauengestalten aus anderen berühmten Gemälden zu mimen.

Botticellis Gemälde «Die Geburt der Venus». (Bild: Wiki Commons)

Gegenüber zentralplus erklärt Ramos, dass sie mit «Bitch Pose II» das westliche Schönheitsideal und den Einfluss des männlichen Bicks auf den weiblichen Körper kritisieren möchte. Wärend der Performance bräche sie die objektivierten Posen auf und versuche, den weiblichen Körper anstelle eines Objekts zu einem Subjekt zu machen. Mit ihrer Nacktheit wolle sie zudem eine kritische Auseinandersetzung herausfordern.

Denkt an die Kinder

Die Künstlerin beantragte für ihren Auftritt im Eva-Kostüm eine Bewilligung bei der Stadt. Wie Ivan Röösli, Mitveranstalter und Mitkurator des Festivals, auf Anfrage erzählt, landete der Antrag auf dem Tisch einer städtischen Kommission.

Denn: Die «Wiedergeburt der Venus» hätte auf dem Pausenplatz der Schule Burgbach stattfinden sollen. Doch: Diesen Anblick einer entkleideten Liebesgöttin zumuten – davon habe die Kommission abgesehen, sagt Röösli. Auf dem zentral gelegenen Pausenplatz befänden sich oft spielende Kinder.

Unter Auflagen hätte es die Bewilligung gegeben

Die Stadt versuchte daraufhin, einen Kompromiss zwischen Veranstaltern und Kommission auszuhandeln. Die Künstlerin hätte ihre Bewilligung unter drei Auflagen erhalten, erzählt Röösli. Zunächst einmal hätte sie ihre Performance etwas abseits des Pausenplatzes beim Burgbach machen müssen.

«Wir fanden das sehr schade und unpassend. Das hätte überhaupt nicht dem Konzept des Festivals entsprochen.»

Ivan Röösli, Mitveranstalter und Mitkurator des Niche-Festivals

Im Weiteren hätte die Darbietung nicht wie vorgesehen am Nachmittag, sondern am Abend um 20 Uhr stattfinden müssen. Und letztlich hätten die Verantwortlichen im Umkreis von 150 Metern Warnplakate aufhängen müssen, die auf die Nacktheit der Künstlerin hingewiesen hätten.

Die Stadt will unterstützen

«Wir fanden das sehr schade und unpassend», sagt Röösli. «Das hätte überhaupt nicht dem Konzept des Festivals entsprochen.» Zudem: Laut dem Plan des Festivals werden alle anderen Aufführungen spätestens um 17 Uhr fertig sein. «Um 20 Uhr wären gar keine Zuschauer mehr da», erläutert Röösli. Die Organisatoren sahen deshalb davon ab, die «Bitch Pose II» in der ursprünglichen Form zu zeigen.

Die Stadt unterstützt das Vorhaben nach wie vor, wie sie auf Anfrage von zentralplus schreibt. Momentan prüfe sie alternative Durchführungsorte für die künstlerische Darbietung. Der Pausenplatz sei als Ort der Performance jedoch «nicht ideal».

Im Widerspruch zu katholischen Werten

Aus der Öffentlichkeit zurückgescheucht, versuchten die Veranstalter die Darbietung in einen privateren Rahmen zu retten. Sie planten, so Röösli weiter, die Performance während eines Apéros zu zeigen. Für diesen Apéro zum Ende des Festivals haben die Organisatoren das Lokal «Bauhütte» in Zug reserviert.

Das Lokal gehört jedoch der katholischen Kirchgemeinde Zug. Diese hat von der vorgesehenen Aktion Wind bekommen. Die Kirche habe daraufhin einen neuen Mietvertrag aufgesetzt und mit einer expliziten Klausel sichergestellt, dass in der Bauhütte keine nackte Frau zu sehen ist, führt Röösli aus. Sie habe ihren Entscheid damit begründet, dass die Darbietung nicht mit katholischen Werten vereinbar sei.

Die Kirche erzählt die Geschichte anders

Die Katholische Kirchgemeinde Zug stellt die Sachlage indes etwas anders dar. Gegenüber zentralplus schreibt sie, dass sie die Bauhütte nicht für kommerzielle Zwecke vermietet. «Ganz unabhängig von der Art des Anlasses ist also eine Veranstaltung, für die Tickets verkauft wird, nicht zulässig», so die Gemeinde.

Naira Ramos wollte auch das Gemälde «A Mermaid» von John Williams Waterhouse auf dem Pausenplatz der Schule Burgbach nachstellen. (Bild: Wiki Commons)

Die Kirche habe die Veranstalter des Festivals deshalb gebeten, eine entsprechende Bestätigung zu unterzeichnen. Mit dem Schreiben habe die Kirche sicherstellen wollen, dass der Apéro auch nur ein Apéro ist und kein integrierender Teil des Festivals.

Das Kino reicht die rettende Hand

Egal, ob nun katholische Werte oder festgelegte Nutzungsbedingungen ausschlaggebend waren: Auch diese Idee scheiterte. «Das ist extrem frustrierend», sagt Röösli über das Geschehene. Es gibt aber einen Lichtblick für die Veranstalter. Am Montag haben sie ein Angebot des Kulturbetriebs Kino Zug erhalten.

«Es war ein Riesenknorz.»

Ivan Röösli, Mitveranstalter und Mitkurator des Niche-Festivals

Für eine solidarische Miete darf die Künstlerin ihre Darbietung im Kinosaal Seehof zeigen. «Wenn die Künstlerin noch Zeit findet, die Performance ein drittes Mal zu überarbeiten und wir die logistischen Herausforderungen bewältigen können, steht der Performance nichts mehr im Weg», so Röösli.

Rückblickend auf die ganze Geschichte sagt Röösli: «Die grösste Leidtragende ist die Künstlerin. Sie hat am meisten Arbeit gehabt.» Und auf die Arbeit der Veranstalter angesprochen, gibt er zu: «Es war ein Riesenknorz.» Eines ist im Übrigen sicher: Ramos forderte mit ihrer noch ungezeigten Performance bereits jetzt eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema heraus. Wie sie dies beabsichtigte.

Verwendete Quellen
  • Schriftlicher Austausch mit Naira Ramos, Künstlerin
  • Telefonat mit Ivan Röösli, Mitveranstalter und Mitkurator des Niche-Festivals
  • Schriftlicher Austausch mit Dieter Müller, Mediensprecher der Stadt Zug
  • Schriftlicher Austausch mit Amato Marilena, Mediensprecherin Katholische Kirchgemeinde Zug
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