Streit um Raves in der Altstadt

Luzerner Fasnacht verliert Technoparty bei Jazzkantine

Der traditionsreiche Rave bei der Jazzkantine entfällt an der diesjährigen Fasnacht. (Bild: zvg)

Während Traditionalistinnen dem Techno die Schallberechtigung absprechen, ist er für Raver längst nicht mehr von der Luzerner Fasnacht wegzudenken. Die Veranstalter der Raves bei der Jazzkantine geben nun Forfait – und sind damit nicht die Einzigen.

Jahrelang tolerierten die Behörden die Technopartys der Zunft zur Unvernunft. Sie begeisterten während der Fasnacht bei der Jazzkantine an der Grabenstrasse ein jüngeres Publikum, aber auch Zunftmeister, Lokalpolitikerinnen und Tambourmajoren (zentralplus berichtete).

Doch an der Fasnacht 2023 wurde der Zunft zur Unvernunft und anderen Technoveranstalterinnen der Stecker gezogen (zentralplus berichtete). Grund für das Eingreifen der Polizei seien «nicht eingehaltene, weil unerfüllbare Auflagen» gewesen, wie es in der Technoszene hiess.

Agierte Polizei auf Geheiss der Zünfte?

In den Kommentarspalten wurde anlässlich der Polizeieinsätze gemunkelt, dass sich Vereinigte und das Luzerner Fasnachtskomitee (LFK) nicht nur ganz grundsätzlich ob der elektronischen Musik störten. Sondern auch befürchteten, die Technopartys torpedierten die Bestrebungen, die Luzerner Fasnacht zum Kulturerbe der Unesco zu machen (zentralplus berichtete).

«Früher herrschte an der Fasnacht Anarchie, heute wird alles reguliert.»

Roger Duvoisin, Mitgründer der Fasnachtsgruppe Ravioli

Um die elektronische Musik aus der Altstadt zu vertreiben, hätten Vereinigte und LFK den Technoveranstaltern an der Fasnacht 2023 die Polizei an den Hals gehetzt, lautete ein Vorwurf, der sich nicht bestätigen liess (zentralplus berichtete).

Kein Techno mehr bei der Jazzkantine

Die Repression zeigt Wirkung. Die Zunft zur Unvernunft hat bereits vor Monaten entschieden, an der diesjährigen Fasnacht eine Pause einzulegen. Sie kam damit dem Beschluss der Stadt Luzern zuvor, die Grabenstrasse während des rüüdigen Treibens zur Rettungsgasse zu erklären (zentralplus berichtete). Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Auch an der Pfistergasse, wo vor einem Jahr erstmals eine bewilligte Partymeile entstand (zentralplus berichtete), entfällt dieses Jahr ein Teil des soundtechnischen Angebots. Die Betreiber der Bar vor dem Kunstladen Spektrum, wo an der vergangenen Fasnacht ebenfalls zu Techno getanzt wurde, sollen sich zwar um eine erneute Bewilligung bemüht haben. Doch offenbar hatte die Vermieterin kein Interesse an einer zweiten Ausgabe, wie sich in der Szene herumgesprochen hat.

Raviolis machen nach 30 Jahren Schluss

Aus anderem Grund hören die Raviolis auf. Die Gruppe rund um Roger Duvoisin, der in der Raviolibar wirtet, beschloss bereits bei der Gründung, ihre Aktivitäten nach 30 Jahren einzustellen. Darum wird ihr Wagen samt «Open-Air-Disco» heuer vor dem «Magdi» fehlen.

Doch auch Duvoisin stört sich ob der zunehmenden Repression. «Früher herrschte an der Fasnacht Anarchie, heute wird alles reguliert», meint er gegenüber zentralplus. «Nachdem wir jahrelang bis um sieben Uhr unsere kleine ‹Open-Air-Disco› vor dem ‹Magdi› betreiben durften, besuchte uns vergangenes Jahr bereits um zwei Uhr die Polizei.»

Die Raviolis sind Geschichte. An der Fasnacht 2024 sind sie nicht mehr dabei. (Bild: zvg)

Duvoisin führt das vermehrte Eingreifen der Behörden auch auf Bestrebungen des LFK zurück, Luzerns Fasnacht immer grösser machen zu wollen. Wegen der vielen auswärtigen Guuggenmusigen und Tausender ausserkantonaler Gäste werde es in der Altstadt immer enger – mit restriktiven Folgen für zuvor jahrelang tolerierte Gruppen wie die Raviolis.

Gastronomie setzt auf elektronische Musik

Der Charme eines Raves, mitten in der fasnächtlichen Altstadt Luzerns, ist wohl kaum imitierbar. Doch Fasnächtlerinnen, die nebst den mächtigen Klängen der Guuggenmusigen auch auf elektronische Musik nicht verzichten wollen, kommen einerseits in Bars und Restaurants, etwa im Bistro Krienbrüggli, in der Blok Bar oder im Mardi Gras, auf ihre Kosten.

«Die Stadt Luzern hat erkannt, dass unser Angebot eine Nachfrage bedient.»

Andrea Martellotta, Gründer der Monkey’s & Co.

Aber auch bei Monkey’s & Co., die weiterhin im Freien feiern dürfen. Auf dem Europaplatz sorgen sie mit ihrem Wagen und ihren Boxen für die Extraportion Bass. Dabei hätten in den vergangenen Jahren längst nicht nur Jugendliche, sondern auch traditionelle, ältere Fasnächtler zu den treibenden Rhythmen getanzt, beteuert Andrea Martellotta, Gründer der Monkey’s & Co.

Kooperation mit Stadt Luzern

Nachdem Martellotta und seine Kollegen ihren Platz im «Zöpfli», mitten in der Altstadt, verloren hatten, zog es sie 2019 an die Bahnhofstrasse. 2022 landeten sie auf dem Europaplatz. Die Suche nach einem Standort, wo der Techno nicht aneckt, sei gemeinsam mit der Stadt Luzern erfolgt. Martellotta begründet: «Die Stadt Luzern hat erkannt, dass unser Angebot eine Nachfrage bedient.»

Eine Bewilligung für ihren Wagen hätten Monkey’s & Co. nicht. Ihre Veranstaltung falle unter das kantonal geregelte «fasnächtliche Treiben». Das sagt Stefan Geisseler, stellvertretender Leiter der Dienstabteilung Stadtraum und Veranstaltungen (STAV). Die Stadt Luzern habe sich dennoch mit Monkey’s & Co. ausgetauscht und koordiniere den Stromanschluss und die Güselsäcke. Es seien ähnliche Absprachen getroffen worden, wie mit den Interessengemeinschaften am Kapellplatz, am Mühleplatz oder an der Bahnhofstrasse.

Lärmschutznormen als Damoklesschwert

Die Zusammenarbeit funktioniert. «Es waren jeweils bis zu 500 Personen auf dem Europaplatz, ohne dass es zu nennenswerten Problemen kam», blickt Geisseler auf die letztjährige Fasnacht zurück. Doch das «Aber» folgt sogleich: «Kommt es auf dem Europaplatz zu Gesetzesverstössen, bleibt ein Eingreifen der Polizei möglich.» Denkbar sei dies etwa bei Verstössen gegen Lärmschutznormen. Doch wie laut darf Techno an der Fasnacht sein, ohne gegen Lärmschutznormen zu verstossen?

Raven auf dem Europaplatz: Das Angebot von Monkey’s & Co. kam an. (Bild: Archivbild: zvg)

Der Spielraum beim Europaplatz dürfte immerhin grösser sein als zu «Zöpfli»-Zeiten. «Monkey’s & Co. übertönten die Guuggenmusigen und Kleinformationen mit ihrer elektronischen Musik», erinnert sich Geisseler. Was in der Altstadt zu Konflikten geführt habe. Der Europaplatz hingegen sei kein typischer Fasnachtsplatz, sodass sich dort weniger Leute ob des Techno stören würden.

Guuggenmusigen haben keinen Vorrang

Werden Monkey’s & Co. herumgeschubst, bis sie dort ankommen, wo die Fasnacht eben nicht mehr wirklich stattfindet? Geisseler findet nicht: «Die Stadt Luzern möchte nicht vorgeben, was an der Fasnacht wo stattfinden soll oder darf.» So hätten Guuggenmusigen grundsätzlich keinen Vorrang.

Auch könne er den Unmut der Veranstalter verstehen, deren Partys am Metzgerrainle, am Rosengartplatz und bei der Jazzkantine die Stadt Luzern 2023 ein abruptes Ende bereitete (zentralplus berichtete). Doch weise die Stadt Luzern die Vorwürfe von sich, den Techno auf dem Kieker zu haben. Das Problem sei nicht der Techno per se, sondern der Hype um ihn.

Hype schadet Techno

Geisseler führt aus: «Die Technoveranstalter – generell Wägen mit lauter Musik – ziehen Menschen an.» Und an ebendiesen Orten, wo besagte Partys stattgefunden hätten, seien die Sicherheitsverantwortlichen der Stadt Luzern, der Polizei sowie der weiteren Blaulichtorganisationen gezwungen, grössere Menschenansammlungen möglichst zu verhindern.

«Freiheit und Sicherheit – die beiden Güter gilt es, an der Fasnacht sorgfältig gegeneinander abzuwägen.»

Stefan Geisseler, stellvertretender Leiter STAV

Während der Rave bei der Jazzkantine aufgrund der dort vorbeiführenden Rettungsgasse keine Zukunft hat, bilden das Metzgerrainle und der Rosengartplatz Zugänge zur beliebten und engen Passage am Rathausquai und Unter der Egg.

Überregulierung statt Sicherheitsrisiko

«Wenn dort etwas passiert, sind die beiden Zugänge zusammen mit dem Rathaussteg, wo wir ein Einbahnsystem eingeführt haben, die Fluchtwege.» Diese werde die Stadt Luzern – genauso wie die Grabenstrasse – auch dieses Jahr wieder freihalten.

«Freiheit und Sicherheit – die beiden Güter gilt es, an der Fasnacht sorgfältig gegeneinander abzuwägen», erklärt Geisseler. «Es mag sein, dass die Fasnacht nicht mehr so frei ist wie vielleicht vor 20 Jahren.» In erster Linie sei dies dem erhöhten Publikumsaufmarsch geschuldet. 2023 war ein Rekordjahr. Mögliche Gründe dafür: das frühlingshafte Wetter und der Nachholbedarf nach der Coronapandemie.

Rückzug oder Gegenangriff?

Dass der Techno zu gross geworden sein soll für die Luzerner Fasnacht, dürfte den Pionieren der Szene schmeicheln. Dass die Stadt Luzern mit ihren Massnahmen lediglich die Sicherheit der Fasnächtlerinnen gewährleisten will, müssen sie erst mal so hinnehmen. Wie gross der Einfluss der Fasnachtsvereinigungen dabei war, bleibt offen.

Gespannt sein darf man, ob die Technoszene sich mit kreativen Lösungsansätzen ihren Platz im Herzen der Fasnacht zurückerobert. Oder ob sie sich mit dem Europaplatz begnügt.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Roger Duvoisin, Mitgründer der Raviolis und Wirt der Raviolibar
  • Telefonat mit Andrea Martellotta, Gründer der Monkey’s & Co.
  • Telefonat mit Stefan Geisseler, stellvertretender Leiter der Dienstabteilung Stadtraum und Veranstaltungen
  • Austausch mit diversen Insidern der Luzerner Technoszene
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