Geisterfahrten: Neues Buch von Theres Roth-Hunkeler

Auf der Suche nach dem guten Schluss

«Geisterfahrten» von Theres Roth-Hunkeler.

Lisa möchte nach all den Jahren endlich Licht ins Dunkel bringen und mehr über ihre Familiengeschichte erfahren. Nur eine Person ist noch da, die ihr bei ihrer Suche behilflich sein kann. «Geisterfahrten», das neue Werk der Hochdorfer Autorin Theres Roth-Hunkeler, beginnt spannend und liest sich leicht. Die Handlung verspricht allerdings mehr, als sie am Ende halten kann.

Lisa, oder Elisabeth, wie sie eigentlich heisst, hat gerade ihren letzten Arbeitstag hinter sich gebracht, nun ist sie pensioniert und hat schon genaue Pläne, was sie künftig alles tun möchte. Eine grosse Reise steht an, nach Neufundland soll es gehen. Zunächst möchte Lisa aber noch eine kleine Reise unternehmen, gemeinsam mit Stern, ihrem Bruder. Nicht ganz ohne Hintergedanken lädt sie ihn ein, ein paar Tage mit ihr im Tessin zu verbringen. Denn ihr grosser Bruder soll ihr endlich helfen, ihre Familiengeschichte aufzurollen.

Dass dies nicht ganz einfach werden wird, ist Lisa schon bewusst, denn Stern ist 19 Jahre älter als sie, also mittlerweile über 80. Zudem plagen ihn schon sein ganzes Leben psychische Probleme. Das grösste aller Probleme ist jedoch, dass Stern nicht viel spricht, schon gar nicht über die Vergangenheit. Stern, der eigentlich Ernst heisst, war das erste Kind von Lisas Vater, aber nicht der Sohn von Lisas Mutter. Seine Mutter und sein jüngerer Bruder sind bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, danach hat sein Vater viele Jahre später ein zweites Mal geheiratet.

Bruchstückhafte Familiengeschichte

So viel konnte sich Lisa zusammenreimen, aus den Bruchstücken, die sie im Verlaufe ihres Lebens erfahren hatte, zumeist von der Mutter, denn den Vater durfte sie nicht darauf ansprechen, niemals. Nun also möchte Lisa von ihrem Bruder Stern mehr über ihre Familie, Sterns leibliche Mutter und ihren toten Halbbruder erfahren. Sie muss aber geschickt vorgehen, Stern nicht mit ihren Fragen überrennen, denn so würde sie nichts aus ihm herausbringen.

So machen sich Lisa und ihr Bruder Stern auf den Weg ins Tessin, wo sie in einem Ferienhaus einige Tage verbringen wollen. Lisas Plan geht aber nicht auf, denn Zeit mit ihrem Bruder zu verbringen und sich um ihn zu kümmern ist anspruchsvoller als sie gedacht hat. Die Umstände führen dazu, dass Lisa nur wenig mehr über das Leben ihres Bruders und das ihrer Eltern erfährt.

Irgendwie unbefriedigend

Ähnlich ergeht es im Buch von Theres Roth-Hunkeler auch dem Leser. Was zunächst einiges verspricht und das Interesse weckt, endet eher unbefriedigend. Zwar erfährt man einige Details der Familiengeschichte, doch am Schluss fühlt es sich so an, als ob die Geschichte nicht zu Ende erzählt wurde. Was ist denn nun wirklich passiert und weshalb?

Dafür wirkt dieses Szenario umso realistischer, denn wie soll eine Geschichte rekapituliert werden, über die nie wirklich gesprochen wurde? Deren Beteiligte alle – bis auf einen Mann, der damals noch ein Kleinkind war – bereits verstorben sind? Wenn nur noch Auszüge aus der Akte des Verkehrsunfalls vorhanden sind, aber niemand mehr, der sich daran erinnert?

Trotzdem erstaunt das Verhalten der Protagonistin, denn obwohl sie nicht wesentlich mehr über ihre Familie erfährt als was sie schon weiss, scheint sie sich damit zufriedenzugeben. Ein wenig irritierend, wenn man bedenkt, dass diese Suche von Beginn an die Intention der Protagonistin war und ihr einziger Beweggrund, Zeit mit ihrem Bruder zu verbringen. Warum versucht sie nicht, ihrem Bruder mehr zu entlocken? War dies nicht ausserdem der Aufhänger des ganzen Buches?

Schöne Sprache und gute Idee, aber ...

Die Gespräche zwischen den verschiedenen Figuren – denn irgendwann kommen noch Schwägerin, Nichte und ein Unbekannter hinzu – führen immerhin dazu, dass sich dem Leser die Familiengeschichte in etwa so weit erschliesst, wie sie auch der Protagonistin bereits bekannt ist. Die Leserin entwickelt mit der Zeit ein Gefühl für die Familie, einen Eindruck von ihr, ohne dass zu detailliert und objektiv über diese gesprochen wird. Eine sehr angenehme Weise, Figuren und deren Verhältnisse der Leserschaft bekannt zu machen.

Flacher Spannungsbogen

Das Buch, in der Ich-Perspektive verfasst, liest sich gut, der Stil ist erfrischend und die Sprache authentisch. Inhaltlich bleiben aber einige unzufriedenstellende Details. Nebst der ungeklärten Familiengeschichte wirkt auch die sekundäre Handlung rund um den Unbekannten etwas fehl am Platz. Dabei wäre diese Nebengeschichte gar nicht nötig, die Familienverhältnisse allein versprechen Spannung genug.

Der Spannungsbogen verläuft etwas gar flach; man weiss nach wenigen Kapiteln schon vieles, es kommt wenig mehr dazu. Schade, denn die Geschichte verspricht zwar einiges an Dramatik, gestaltet sich dann aber eher flau. Das Fazit zur Lektüre: ein schönes Buch, das nicht ganz alles hält, was es verspricht.

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