Auf dem Weg zur Bananenrepublik

Zum 1. August: Etwas ist faul im Staate

Der Stadt-Land-Graben wird immer grösser. (Bild: Adobe Stock)

In seiner Kolumnenserie zu Problemzonen von Staat, Wirtschaft und Kultur der Zentralschweiz widmet sich Loris Fabrizio Mainardi heute dem Staat. Die Schweiz befinde sich auf dem Weg, zu einer alpenländischen Bananenrepublik zu verkommen.

Die Pandemie hat etwas bis anhin «Unschweizerisches» offenbart: eine bis in Freundeskreise reichende gesellschaftliche und politische Spaltung. Sie zeigte sich nicht nur in jenen «Innerschwyzern», die behördliche Massnahmen als «Huere Seich» missachteten. Vor allem wurden schlafende Kräfte geweckt, die obskure Verschwörungstheorien mit populistischer Behördenhetze verbanden und nunmehr klar im rechtsradikalen Milieu gelandet sind. Leider wurden damalige Warnrufe von den lokalen Behörden erst nach strafbaren Vorfällen gehört (zentralplus berichtete).

Hinter Masken und Trycheln verbarg sich etwas Anderes: War in der Zeit des EWR-Neins von 1992 noch der «Röstigraben» zwischen Deutsch- und Welschschweiz prägend, so ist es heute ein noch tieferer Stadt-Land-Graben. Die urbanen Zentren haben sich vom ländlichen Umland entfremdet, wenn – paradigmatisch – linke Stadtbewohner Wolfsabschüsse auf der Alp verbieten wollen. Auf der anderen Seite überstimmen die ländlichen Kantone die städtischen zunehmend: Im Ständemehr widerhallt die Berg- und Landflucht in einem Echo übermächtiger Talschaften.

Schuldenbremse muss reformiert werden

Die Landschaft ist den Städten mittlerweile auch finanziell überlegen: Noch vor Jahrzehnten die Armutshäuser und Steuerhöllen der Schweiz, haben sich die Innerschweizer Kantone zu internationalen Wohn- und Steuerparadiesen gemausert.

Niemand trauert rekordhohen Steuersätzen nach, doch haben Tiefsteuerstrategien, die durch Sparpolitik kompensiert wurden, eben auch ihre Opfer: von fördergekürzten Kulturschaffenden, deren Lohn für den Luzerner Mitte-Regierungsrat Reto Wyss doch «der Applaus» sei, über Schulen in Zwangsferien bis hin zu Mittelstandsfamilien, die verknappte Prämienverbilligungen bis vors Bundesgericht zurückerkämpfen mussten.

Lösungsvorschläge

Aus der zutreffenden Prämisse, dass soziale nicht sozialistische Politik sein muss – wie der Zuger Mitte-Präsident Pfister neulich pointierte – sind angesichts steigender Sozial- und Militärausgaben unkonventionelle, über Parteibücher hinausgehende Lösungen gefragt: 

  1. Die Schuldenbremse ist keineswegs abzuschaffen, aber zu reformieren – wie es nicht «Linke», sondern Nobelpreis-Ökonomen fordern: die jährlich zulässige Neuverschuldung variabel, je nach Höhe der Gesamtverschuldung; und für langfristig nutzbare Infrastrukturinvestitionen wäre die Fremdfinanzierung ebenso sinnvoll wie die hypothekarische Eigenheimfinanzierung für Private.
  2. Tiefe Steuern bedingen, dass sämtliche Steuerpflichten auch erfüllt werden. Durch den automatischen Informationsaustausch, wie ihn eine hängige parlamentarische Initiative fordert, würden die Banken die steuerpflichtigen Einkommens- und Vermögenswerte automatisch den Steuerämtern melden – wie sie es dem Ausland gegenüber schon seit Jahren tun. Wer sein Vermögen schon heute korrekt deklariert, hätte damit nichts zu befürchten, während Steuerhinterzieher endlich ihren geschuldeten Beitrag an Sozialwerke, Armee und alle anderen Staatsaufgaben zu leisten hätten.

Schweiz auf dem Weg zur Bananenrepublik?

Viel zu wenig Beachtung findet schliesslich eine rechtsstaatlich fatale Entwicklung: dass Demokratie und Rechtsstaat unter dem Primat der Staatsfinanzen stehen. (Rechts-)bürgerliche Politik beisst sich in den Schwanz, wenn sie einerseits sparen und andererseits «die Sicherheit» erhöhen will. Polizeikorps und Staatsanwaltschaften vermochten weder mit dem Bevölkerungswachstum noch mit komplexeren Kriminalitätsstrukturen mitzuhalten.

Überlastung entartet in polizeilichen Gewaltexzessen, während Fälle internationaler Wirtschaftskriminalität nicht mehr wirksam verfolgt werden können. Symptomatisch die «Freisprüche» im FIFA-Bestechungsskandal, da die Ermittlungen in der Verjährung versandeten. Der Ausländer sitzt nach geringfügigem Ladendiebstahl unbedingt ein, die Mittelständlerin wagt wegen abschreckend hoher Kosten nicht, ihr Recht vor Gericht einzuklagen (zentralplus berichtete).

Schweizer Klassenjustiz längst Tatsache

Dafür vernebeln Wirtschaftskriminelle und ihre Anwaltsheere mit tausendseitigen Rechtsschriften Prozesse und verzögern diese auf Jahre, während Strohmänner geldwaschender Oligarchen unbehelligt zwischen ihren Villen an See- und Meeresstränden weiterjetten. So gesehen hat die Schweiz längst eine Klassenjustiz und befindet sich ohne Gegensteuer auf dem Holzweg, zu einer alpenländischen Bananenrepublik zu verkommen.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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