In Luzern müssen endlich Massnahmen her

Es reicht – gegen den «Raubbau» durch Tourismus

Über 1,3 Millionen Übernachtungen pro Jahr in Luzern sind SP-Nationalrat David Roth zu viel. (Bild: bic)

Weltweit protestieren immer mehr Einheimische an Touristen-Hotspots gegen die Menschenmassen. Auch in Luzern sind die Touristenmassen immer wieder ein heisses Thema. Einige Vorschläge, wie man diese Problematik in den Griff bekommen könnte.

Am vergangenen Wochenende gingen auf Mallorca 15‘000 Menschen auf die Strasse, um gegen den Massentourismus zu protestieren. Mallorca ist ein Extrembeispiel, weil es seit Jahrzehnten und immer öfter der ungebremsten Form des Massentourismus ausgesetzt ist.

Die Tourismusindustrie verkauft das Schöne – und zerstört es dabei zusehends. Es sollte uns, vor allem aber der Tourismusindustrie, eine Warnung sein: Wer nicht auf eine Tourismusentwicklung setzt, die Rücksicht auf die lokale Bevölkerung nimmt, wird Konflikte ernten und sein eigenes Geschäftsmodell riskieren.

Massentourismus ist nicht Tourismus

Ich habe die ersten 20 Jahre meines Lebens neben dem Löwendenkmal gewohnt. Ich bin mit dem Tourismus aufgewachsen, habe mein erstes Geld verdient, indem ich Touristen in unserer Seifenkiste um den Block gestossen habe, und bin wohl zusammen mit meinen Kindheitsfreunden in unzähligen Fotoalben auf der ganzen Welt zu finden. Nach wie vor habe ich ein positives Verhältnis zum Tourismus an sich und finde es bereichernd, wenn Menschen in andere Länder reisen und mit den Menschen vor Ort in Kontakt kommen.

Massentourismus ist aber das Gegenteil davon. Die Reise dient dazu, sich kurz die Umgebung anzuschauen, teure Souvenirs zu kaufen und die eigenen Gewohnheiten in eine andere Umgebung zu verpflanzen. Saufpartys sind ebenso wenig eine mallorquinische Volkstümlichkeit, wie dass der Steg in Iseltwald irgendeine Nähe zur Schweiz vermitteln würde.

Beides sind Produkte einer entgrenzten Tourismusindustrie. Die Tourismusindustrie lockt mit aggressiver Werbung in Onlinemedien und findet auch dank geschickten Einsatzes von Influencern riesige Verbreitung. Dabei wird versucht, eine idyllische Vorstellung von Orten und Länder zu vermitteln, die der Realität oft nicht standhält.

Und zwar deshalb, weil der Massentourismus diese Orte nicht nur ungemütlich macht, sondern oft eine reale Gefahr für die bisherige Existenz der Örtlichkeiten selbst ist. Sei es, weil die Natur durch die intensive Nutzung zerstört oder weil die bisherige Nutzung völlig verdrängt wird und damit das an sich interessante soziale und kulturelle Leben dieser Orte verschwindet.

Selbst Hotels beklagen sich

Auch die hiesige Tourismusindustrie kennt nur eine Devise: Mehr ist mehr und mehr ist gut. Dabei sind in Luzern, wie überall, die Ressourcen von Tourismusorten limitiert: Schöne Orte haben begrenzten Platz, Boden für Wohnraum ist endlich und aufgrund des schwachen Mietrechts einer unendlich scheinenden Preisspirale ausgeliefert. Sogar die Direktion eines grossen örtlichen Hotels beklagte sich bei mir kürzlich, dass die enorme Zunahme des Tourismus dazu führt, dass das eigene Personal keine nahe liegenden Wohnungen mehr finden würde.

Derweil bleiben die Massnahmen, um die Negativspirale zu stoppen, zahnlos. Beispielsweise hat das Luzerner Stadtparlament die Verwendung von städtischem Geld für die Werbung in Übersee verboten. Luzern Tourismus foutiert sich darum und hat durch Umlagerung von Geldern das Ansinnen wirkungslos werden lassen.

Auch das vom bürgerlichen Parlament mithilfe der Grünen verwässerte Airbnb-Reglement in der Stadt Luzern wird nicht ausreichen, um dem wohnungsfressenden Monster Einhalt zu gebieten. Dabei hätte es für das Parlament ein gewaltiger Warnschuss sein sollen, dass zwei Drittel der Bevölkerung nicht nur gegen Airbnb, sondern auch gegen den grenzenlosen Tourismus sind.

Zu viele Übernachtungen – aber was tun?

Das grosse Geld verdienen derweil einzelne Gastronomiebetriebe, die Hotels, die Uhren- und Schmuckindustrie und die Immobilieneigentümer. Aufgrund der Luzerner Steuerdumping-Strategie kommt wenig Geld bei der Allgemeinheit an. Und der ohnehin ausgetrocknete Arbeitsmarkt ist auch nicht auf den Tourismus angewiesen, zumal er zuvor ansässiges Gewerbe verdrängt und damit wohl wenig bis keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen hat.

Die Tourismusindustrie saugt einen immer grösseren Teil der Stadt in ihre Verwertungsmaschinerie auf. Dabei verdrängt sie nicht nur das Gewerbe im Preiskampf um Laden- und Wohnfläche, sondern nutzt auch meist völlig gratis den öffentlichen Raum.

Die Übernachtungszahlen in Luzern haben sich in 20 Jahren um über 60 Prozent erhöht. Es ist offensichtlich zu viel geworden. Unterdessen sind wir bei 1,3 Millionen Übernachtungen pro Jahr.

Vorschläge, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken

  • Strengere Airbnb-Regulierung: Nur selbst genutzte Privaträume sollen an Touristen vermietet werden dürfen. Das verhindert das lukrative Nebengeschäft der Business-Apartments, die ohnehin preistreibend wirken.
  • Begrenzung der Übernachtungszahlen auf eine Million: Übernachtungen müssen kontingentiert werden, um die Zahl der Touristen auf ein gesundes Mass zu reduzieren. Damit Luzern für Menschen vieler Kaufkraftklassen zugänglich bleibt, braucht es wohl eine Kontingentierung je Preisklasse der Übernachtung. Eine solche Regelung würde auf kantonaler Ebene ihre volle Wirkung entfalten, aber auch schon auf städtischer Ebene würde dies viel bringen.
  • Beschränkung des Zugangs für Reisecars: Während die Mehrtagestouristen via Limitierung der Übernachtungen begrenzt werden können, braucht es bei Tagestouristen eine Limitierung des am häufigsten genutzten, schon heute lenkbaren Fortbewegungsmittel. Damit können grössere Gruppen wirksam gesteuert werden.
  • Keine neuen Hotels: Der Bau eines Hotels ist nur zulässig, wenn gleichzeitig ein anderes oder dasselbe abgerissen wird.

Und dann noch eine zugegebenermassen weniger wichtige, aber umso leichter umsetzbare Forderung:

  • Rollkofferverbot auf Pflastersteinen: Es ist eine unglaubliche Unsitte, dass Menschen ganze Strassenzüge, ihre Bewohnerinnen und Bewohner sowie alle anderen Anwesenden beschallen, weil sie ihre eigene Faulheit, ihren Koffer zu tragen, höher gewichten als das Bedürfnis aller anderen, die Umgebung zu geniessen oder auch nur miteinander zu sprechen.

Dies als einige erste Denkanstösse, um den Tourismus nicht nur für die Luzernerinnen und Luzerner wieder erträglich, sondern vor allem für die Touristinnen und Touristen wieder zu einem bereichernden Erlebnis werden zu lassen.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

Hinweis: In einer früheren Version war in der Bildunterschrift des Titelbildes von 1,6 Millionen Übernachtungen die Rede. Dies war ein Tippfehler der Redaktion. Korrekt sind 1,3 Millionen gemäss den Angaben des Kolumnisten.

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