Eine der gefährlichsten Perioden der Geschichte

Die einzige Garantie gegen Atomwaffen ist die Abschaffung

Für eine atomwaffenfreie Zukunft gibt es nur eine Lösung: die Abschaffung von Kernwaffen. (Bild: Adobe Stock)

Neben dem Klimawandel ist die nukleare Aufrüstung die grösste Bedrohung für die Menschheit. Trotzdem weigert sich der Bundesrat, den UNO-Vertrag für ein Atomwaffenverbot zu ratifizieren. Nun soll eine Volksinitiative die Schweiz doch noch zur Unterschrift bewegen.

«Wir driften in eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte», dies sagte vor drei Wochen Dan Smith, der besonnene Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. Laut dessen Jahresbericht bauen alle neun Atommächte (USA, Russland, China, Frankreich, Grossbritannien, Pakistan, Indien, Israel, Nordkorea) ihr Kernwaffenarsenal aus.

Ende 2023 gab es 9576 einsatzfähige Atomwaffen, davon 8197 in den Händen Russlands und den USA. Zudem hat der russische Staatspräsident Wladimir Putin im Laufe seines Angriffskriegs gegen die Ukraine wiederholt mit der wahnsinnigsten aller Waffen gedroht. Im November vergangenen Jahres sprach der israelische Minister Amichai Elijahu von der «Möglichkeit, eine Atombombe auf Gaza zu werfen». In westlichen Atomstaaten, insbesondere in den USA, besteht ebenfalls die Gefahr, dass Extremisten in die Nähe des roten Knopfes gelangen könnten.

Ein- und Ausstieg der Schweiz

Der 2017 an der UNO-Generalversammlung beschlossene Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) ist das wichtigste internationale Abkommen für nukleare Abrüstung. Er verbietet Entwicklung, Test, Produktion, Besitz, Stationierung und den Einsatz von Atomwaffen sowie die Drohung mit diesen. Damit läutet der TPNW einen Paradigmenwechsel hin zur Ächtung von Atomwaffen ein und öffnet ein Tor für eine mögliche atomwaffenfreie Zukunft.

Die Schweiz war aktiv an den Verhandlungen des TPNW beteiligt und half mit, die humanitären Auswirkungen von Atomwaffen in den Fokus zu rücken. Sie gehörte vor sieben Jahren zu den 122 Staaten, die an der UNO-Generalversammlung für dessen Annahme stimmten. Danach haben im Bundeshaus der Nationalrat und der Ständerat zweimal diesen Entscheid deutlich bekräftigt.

Warum hat der Bundesrat nach langem Zögern im März 2024 beschlossen, dem Vertrag nicht beizutreten? Die medial verbreitete Version, die Nato habe Druck ausgeübt, trifft zweifellos zu, ist aber nur die halbe Wahrheit. Immerhin haben mit Österreich und Irland zwei Mitglieder der Nato-Partnerschaft für den Frieden den Atomwaffenverbotsvertrag mitunterzeichnet.

Mindestens so wichtig wie der Druck aus der Nato ist der aus der Schweiz selbst. Eine Mehrheit der Armeeführung und der mit ihr verbundenen Politikerinnen, Politiker und Medienschaffenden unterordnen alles der militärischen und politischen Nato-Verträglichkeit. Sie tun dies, weil sie wissen, dass der militärische Alleingang keinen Sinn mehr macht. Und dass die Schweizer Armee mehr auf die Nato angewiesen ist als diese auf die Schweiz.

Teil der Welt oder bloss des Westens?

Der im Januar 2024 vom Bundesrat verabschiedete «Bericht Dittli» hält unter Erwähnung der Nato fest, dass ein TPNW-Beitritt «die Position der Schweiz in Sicherheitspartnerschaften beeinträchtigen würde». Zur gleichen Zeit hat Armeechef Thomas Süssli vor dem Hintergrund des Nato-Gipfels in Brüssel eine engere Nato-Anbindung als «Schlüsselfrage» für die Schweizer Armee bezeichnet. Offenbar folgert er daraus, dass dieses Ziel die aktive Unterstützung der Nukleardoktrin der Nato erfordert.

Noch vor zwei Jahren veröffentlichte das Aussendepartement den Grundlagentext «Nukleare Abrüstung – Der Weg zum Global Zero». Darin heisst es: «Die Schweiz unterstützt konkrete Massnahmen, welche das Fernziel einer Welt ohne Kernwaffen näherbringen.» Das aussenpolitische Dokument von 2022, das friedenspolitisch motiviert ist, versteht die Schweiz vor allem als Teil der Welt.

Die neuen Dokumente, die militärpolitisch geprägt sind, sehen sie praktisch nur noch als Teil des Westens oder Abendlandes. Die bundesrätliche Weigerung, den Atomwaffenverbotsvertrag zu ratifizieren, bedeutet eine verstärkte Hinwendung zur Nato, ein klares Brüskieren der UNO und eine Distanzierung vom globalen Süden, dessen Mehrheit ratifiziert hat.

Neutralität und Universalität

Die Volksinitiative für den Beitritt der Schweiz zum UNO-Atomwaffenverbot lehnt sich stark an den am 3. März 2002 von Volk und Ständen (unter anderem Zug und Luzern) angenommenen Beitritt der Schweiz zur UNO an. Beide Volksbegehren bauen auf der Tatsache, dass Neutralität auf nationaler Ebene dasselbe bedeutet wie Universalität auf globaler Ebene.

Ein Mitmachen beim TPNW-Vertrag stärkt sowohl die UNO und ihr Völkerrecht als auch die Neutralität. Und sie bekräftigt das, was der UNO-Generalsekretär António Guterres im August 2021 zum 76. Jahrestag von Hiroshima sagte: «Die einzige Garantie gegen die Verwendung von Atomwaffen ist deren Abschaffung.»

Hinweis: Josef Lang ist Mitglied des Initiativkomitees der Atomwaffenverbots-Initiative.

Unsere Kolumnistinnen und Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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