Geschichte eines Mannes, der in Rage geriet

Zuger schimpft sich bis vor Bundesgericht

Selbst vor Gericht konnte sich der Mann mit wüsten Beschimpfungen gegen seinen Vermieter nicht zurückhalten. (Bild: Symbolbild Adobe Stock)

Vom «bösartigen alten Mann» bis hin zum «skrupellosen Immobilienhai»: Ein Mann, der heute in Zug lebt, hat sich über sämtliche Schweizer Gerichtsinstanzen immer weiter in Rage geschrieben. Hintergrund: Ein Streit mit seinem Vermieter.

Wut ist ein mächtiges Gefühl. Ihr Luft zu verschaffen, mag sich befreiend anfühlen. Aber schon Kurt Tucholsky hat erkannt: «Das ärgerliche am Ärger ist, dass man sich schadet, ohne anderen zu nützen.»

Hätte sich der 58-Jährige diesen Rat zu Herzen genommen, er hätte sich einiges erspart. Doch dazu später mehr. Angefangen hat das Ganze nämlich mit einer juristischen Auseinandersetzung mit seinem Vermieter. So weit, so alltäglich.

Beschimpfung ist nicht nur unhöflich, sondern auch strafbar

Der Ton, den der Mann anschlug, weicht allerdings deutlich von dem ab, was üblicherweise in Rechtsschriften zu lesen ist. Von Instanz zu Instanz wurde er gehässiger. Im April 2021 schrieb er an das Obergericht Zürich fast noch harmlos, das Haus habe keine funktionierende Heizung und keine Isolation und sein Vermieter sei deshalb ein Betrüger.

Einen Monat später war in einem Schreiben an die Staatsanwaltschaft bereits von einem «geld- und raffgierigen eingebürgerten Deutschen» die Rede, der ein «abscheuliches Individuum» sei. Der «Abzocker» vermiete ein baufälliges Einfamilienhaus und haue so wehrlose Mieter übers Ohr.

Als die Mietsache schliesslich vor Bundesgericht landete, schrieb der Mann den obersten Richtern, sein Vermieter habe eine äusserst hohe kriminelle Energie und habe schon zahlreiche Straftaten begangen. Nicht nur Betrug, er sei auch der Falschbeurkundung, der Nötigung und mehrfachen Verstössen gegen das Antirassismusgesetz schuldig. «Zig Millionen» habe er auf zweifelhafte Art erworben. Hinzukomme ein lasterhafter Lebenswandel, der «äusserst grusig» sei.

Eine Morddrohung mitten im Gerichtssaal

In einer Verhandlung vor einem Mietgericht verstieg sich der Mann sogar in die Behauptung, sein Vermieter sei ein «kranker Psychopath». Endgültig überspannte er den Bogen, als er in Anwesenheit des Richters sagte: «Irgendwann bringe ich ihn um, das Arschloch».

Selten dürfte es der Zuger Staatsanwaltschaft leichter gefallen sein, genug Beweise für eine Verurteilung zu sammeln. Selbst nachdem der Vermieter bereits Strafanzeige wegen übler Nachrede und Beschimpfung gestellt hatte, feuerte der Mann seine Wutsalven weiter ab – immer schön schriftlich in den jeweiligen Schreiben, die er an die Gerichte schickte.

Um einer Strafe zu entgehen, hätte es für den Mann nur eine Chance gegeben: Er hätte beweisen müssen, dass seine Behauptungen der Wahrheit entsprechen. Das gelang ihm aber nicht. Wie die Staatsanwaltschaft in einem rechtskräftigen Strafbefehl schreibt, habe er «kein Urteil nennen können», mit welchem sein Vermieter eines Betrugs, einer Nötigung oder einer Widerhandlung gegen die Rassismusstrafnorm verurteilt worden wäre.

Eine letzte Chance für den Hitzkopf

Weil der Mann erst wenige Monate vorher schon mal einen Strafbefehl erhalten hat, fällt die Strafe dieses Mal schärfer aus. Die Staatsanwaltschaft verhängt wegen Beschimpfung, übler Nachrede und Drohung eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 30 Franken. Die Anzahl der Tagessätze drückt dabei aus, dass die Staatsanwaltschaft das Verschulden als vergleichsweise schwer einstuft. Die Höhe des Tagessatzes bemisst sich am Einkommen des Mannes.

Trotz der Vorstrafe gewährt der zuständige Staatsanwalt dem Mann nochmals eine letzte Chance. Sollte der Mann seine Wut jetzt in den Griff bekommen und in den nächsten zwei Jahren keine wüsten Beschimpfungen mehr ausstossen, muss er die Geldstrafe nicht bezahlen. Um ihm trotzdem einen Schuss vor den Bug zu geben, ordnet er aber eine Busse von 600 Franken an, die sofort fällig ist.

Wie ist dieser Artikel entstanden?

In der Schweiz gilt die Justizöffentlichkeit. Das heisst: Urteile sind grundsätzlich öffentlich und können von interessierten Personen und Journalistinnen eingesehen werden. Das gilt auch für rechtskräftige Strafbefehle wie denjenigen, dem dieser Bericht zugrunde liegt.

zentralplus sieht regelmässig Strafbefehle der Zuger Staatsanwaltschaft ein, um über deren Arbeit zu berichten und so Transparenz zu schaffen, wie die Justiz funktioniert. Als Medium sind wir dabei verpflichtet, die Personen so weit zu anonymisieren, dass die breite Öffentlichkeit keine Rückschlüsse ziehen kann, um wen es sich handelt. Weitere Artikel dieser Serie findest du hier.

Verwendete Quellen
  • Strafbefehl 1A 2021 744
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