Drahtzieher von albanischem Drogenring vor Gericht

«Koks für 20 Jahre»: Von Luzern ging Droge in 17 Kantone

Der Beschuldigte soll das Kokain in 17 Kantonen verkauft haben. (Bild: Adobe Stock)

Ein mutmasslicher Schweizer Hauptdrahtzieher eines albanischen Drogenrings muss sich am Montag vor dem Luzerner Kriminalgericht verantworten. Er soll während nur einem halben Jahr kiloweise Kokain umgeschlagen haben.

Grossgewachsen, mit kurzen Haaren und in einen Trainingsanzug gekleidet, erscheint der Beschuldigte vor Gericht. Er nickt den Anwesenden kurz und freundlich zu. Vor Ort ist auch eine Dolmetscherin. Der 37-Jährige spricht kaum Deutsch. Auf die Fragen der Richter antwortet er leise, mal knapp, mal etwas ausführlicher.

In der Befragung erzählt er, wie er in den Drogenhandel hereingerutscht ist.

Am Anfang standen Schulden. So soll der Beschuldigte bei dem Chef eines albanischen Drogenrings mit gut 20’000 Euro in der Kreide gestanden haben. Dies wegen Glücksspielen in Wettbüros, die der Drogenboss ebenfalls besitzt.

Er sei eigentlich Fussballer und habe in Albanien wenig Geld verdient, so der Angeklagte. Vom Wetten habe er nie die Finger lassen können.

Um die Schulden abzuarbeiten, reiste der 37-jährige Albaner 2020 in die Schweiz. Die Reise verlief von Albanien über Bari nach Mailand und schliesslich nach Luzern. Hier wurde der Beschuldigte in einer Wohnung einquartiert. Mit dabei: weitere Mitglieder des Drogenrings, die den Angeklagten in den Drogenverkauf einführten.

Autos mit deutschen Nummernschildern brachten Koks

Wie es in der Anklageschrift heisst, seien die Drogenlieferungen jeweils vom albanischen Boss per Telefon angekündigt und von Kurieren mit Autos mit deutschen Nummernschildern in die Schweiz gebracht worden. Im Gepäck: jeweils bis zu vier Kilogramm Kokain.

Der Beschuldigte soll die Drogen in anderen Fahrzeugen versteckt, portioniert und abgepackt haben – etwa in Socken. Schliesslich soll er – wiederum auf telefonische Anweisung hin – die Kunden beliefert haben. In 17 Kantonen soll er das Kokain vertickt haben.

Drogengeld floss via Reisebüro und Wechselstube nach Albanien

Das Geld brachte er gemäss Staatsanwaltschaft jeweils in ein Reisebüro in Luzern, eine Wechselstube in Zürich oder zu einem Geldkurier. Von dort floss es zum Drogenboss in Albanien. Der Beschuldigte bekam in etwa 3000 Franken pro Monat.

Der Albaner bekräftigt vor Gericht, er habe immer nur auf Anweisung aus Albanien gehandelt. Allerdings zeigt er sich auch reuig. Er sagt, es sei seine eigene Schuld, diesen Weg überhaupt eingeschlagen zu haben. Er werde nun sehr lange von seiner Frau und seinem Kind getrennt sein. Ob er sich dies je verzeihen könne, wisse er nicht.

Er sei eigentlich ein ehrlicher und freundlicher Mensch. Nun stehe er plötzlich auf der Seite der Kriminellen. Dies sei schwierig für ihn.

82 Kilogramm der Drogen sollen er und ein Gehilfe in einem halben Jahr verkauft haben. Dies an diverse Grossabnehmer, die es wiederum auf die Strasse brachten. Der Umsatz aus dem Drogenverkauf: 3,3 bis 3,7 Millionen Franken, wie die Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift schreibt.

«Koks für 20 Jahre»

«Rekorde sind da, um gebrochen zu werden», sagt der Staatsanwalt vor Gericht. Es seien «unglaubliche» Mengen, die der Beschuldigte verkauft habe. Wenn man davon ausgehe, dass ein Gramm Kokain etwa zwölf Linien – Kokserinnen formen das weisse Pulver zu dünnen «Lines», die sie dann über ein Röhrchen schnupfen – hergibt, hätten die 82 Kilogramm für gut eine Million Linien gereicht. Oder: 1000 Leute hätten während 20 Jahren jedes Wochenende koksen können, so die Rechnung des Staatsanwaltes. Diese Zahlen seien in einem Prozess in Luzern rekordverdächtig.

Der Staatsanwalt glaubt nicht, dass der Beschuldigte lediglich ein kleines Rädchen im Getriebe des albanischen Drogenhandels darstelle. Selbst wenn er nur Befehle ausgeführt habe. Vielmehr sei er für die Drogenbande der Kopf in der Schweiz gewesen. Er habe ein hohes Vertrauen genossen innerhalb des Drogenringes. Schliesslich seien ihm grosse Mengen an Drogen mit hohem Wert anvertraut worden.

Abnehmer waren kleinere Drogenringe

Die Abnehmer seien denn auch nicht direkte Konsumenten gewesen, sondern gut zwei Dutzend Gruppierungen, die ihrerseits kleinere Drogenringe bildeten und das Kokain an die Konsumentinnen brachten. Auch dies zeige, dass es sich um einen grossen Fall handle.

Im März 2021 ging der mutmassliche Drogendealer schliesslich der Polizei ins Netz. Dies, nachdem ein Gehilfe des 37-Jährigen bereits verhaftet und der Beschuldigte während einiger Zeit beschattet und überwacht worden war.

Bei seiner Festnahme fanden die Beamten in der Wohnung im Kanton Luzern gut zweieinhalb Kilogramm Kokain, etwa 40 Gramm Heroin, Bargeld von über 100’000 Franken sowie eine Buchhaltung über den Drogenhandel von Luzern aus. Auf dieser Liste standen alle Drogenlieferungen und Einnahmen. Der Beschuldigte und seine Gehilfen sollen sie auf Anweisung des Bosses aus Albanien geführt haben.

Der Beschuldigte ist geständig. Er befindet sich im vorzeitigen Strafvollzug. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Freiheitsstrafe von 10 Jahren und einen Landesverweis von 15 Jahren. Eigentlich wären dafür zwölf Jahren Gefängnis angemessen, führt der Staatsanwalt aus. Da der Beschuldigte aber geständig war, halte er eine Strafe von zehn Jahren für angemessen.

Verteidiger fordert tiefere Strafe wegen Geständnis

Der Verteidiger sieht dies etwas anders. Der Beschuldigte wäre ein rechtschaffener Bürger, wäre er nicht der Verlockung des Glücksspiels erlegen und in die Fänge eines skrupellosen Drogenbandenchefs geraten, sagt er.  

Den Beschuldigten sieht er denn auch nicht als Schweizer Kopf der Bande, sondern vielmehr an zweitunterster Stelle in der Hierarchie. Er habe auf Druck hin Befehle ausführen müssen.

Er räumt ein, dass es sich wohl um grosse Mengen Drogen handelte, die durch die Finger des 37-Jährigen gingen. Man müsse aber auch berücksichtigen, dass der Beschuldigte und sein Auftraggeber bei weitem nicht die einzigen sind, die die Schweiz mit Kokain beliefern.

Weiter sei der Beschuldigte geständig und kooperativ. So habe er massgeblich dazu beigetragen, dass die Justiz der Chefetage der albanischen Drogenbande näher gekommen sei. Daher fordert die Verteidigung eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren.

Das Urteil ist noch ausstehend. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Verwendete Quellen
  • Anklageschrift der Luzerner Staatsanwaltschaft
  • Besuch an der Verhandlung vom Montag
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