Häftling kämpft nach filmreifer Flucht um Entlassung
Ein 42-Jähriger kämpft für seine frühzeitige Entlassung aus dem Gefängnis. 2010 war er aus jenem geflüchtet und neun Jahre später in Brasilien wieder erwischt worden. Er findet nun, er habe genug Zeit im Gefängnis verbracht.
Der Fall sorgte für Schlagzeilen: 2019 spürte die Luzerner Staatsanwaltschaft in Brasilien einen Drogendealer auf, der 2010 aus einem Gefängnis in Zug geflüchtet war (zentralplus berichtete). Dort sass er, weil er grosse Mengen Heroin in die Schweiz eingeführt und zum Teil verkauft hatte.
Die Luzerner Polizei nahm den Kosovaren Ende 2007 in St. Erhard fest. Das Kantonsgericht verurteilte ihn 2009 wegen Drogenhandels, einfacher Körperverletzung, mehrfacher Tätlichkeiten, Gefährdung des Lebens sowie mehrfacher Drohungen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren, fünf Monaten und 15 Tagen. Doch brav die Strafe absitzen wollte er nicht.
Filmreife Flucht: Er versteckte sich im Kompostcontainer
Zwar sass er die Strafe zunächst in der Strafanstalt in Zug ab. Die Untersuchung der Staatsanwaltschaft Luzern dauerte an – bis dem Beschuldigten am 23. August 2010 die filmreife Flucht aus dem Gefängnis gelang. Der damals 29-Jährige versteckte sich in einem Kompostcontainer, der mit Holz und Sägemehl gefüllt war. Als der Behälter zur Leerung ausserhalb der Strafanstalt abgestellt wurde, nutzte er die Gelegenheit und flüchtete.
Die Behörden suchten daraufhin über Jahre hinweg intensiv nach dem Flüchtigen – unter anderem via soziale Medien. Der Mann wurde international zur Verhaftung ausgeschrieben. 2018 dann stellte die Polizei fest, dass sich der Flüchtige in Brasilien aufhielt.
Ausbrecher verstümmelte sich Fingerkuppen
Dort hätte er unter falschem Namen, mit gefälschten Dokumenten gelebt, wie die Staatsanwaltschaft mitteilt. Und: Nach seiner Flucht aus dem Zuger Gefängnis habe der Beschuldigte seine Fingerkuppen verändert, damit er bei der Einreise in Brasilien nicht erkannt würde. 2019 kam er zurück ins Gefängnis in die Zentralschweiz. Dort sitzt er bis heute. Nach der ersten Haftstrafe wurde er 2020 zu zusätzlichen acht Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Er findet nun aber, dass er eigentlich in Freiheit dürfte. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts hervor.
Seit 2023 kämpft der heute 42-Jährige für seine Entlassung. Er findet, er habe zwei Drittel seiner Haftstrafe abgesessen und dürfe den restlichen Drittel auf Bewährung verbüssen.
Gemäss gängiger Rechtssprechung ist dies möglich, wenn der Inhaftierte die Auflagen erfüllt – keine Fluchtgefahr und gutes Benehmen zum Beispiel.
Er findet, er habe 2023 rausdürfen, Gerichte sehen dies anders
Die Rechnung des Häftlings: Die ersten drei Jahre Haft und die zweiten acht seien zusammenzurechnen. Nach zwei Dritteln, oder acht Jahren, dürfe er in die Freiheit. Das wäre gemäss seiner komplizierten Rechnung im November 2023 der Fall gewesen.
Die Luzerner Gerichte und das Bundesgericht sehen dies aber anders. Die Krux: Eigentlich können Strafen zusammengerechnet werden, aber nur, wenn beide Verfahren zum Zeitpunkt des Haftantritts abgeschlossen und rechtskräftig sind. Dies war hier nicht der Fall. Das zweite Urteil – dasjenige nach der Flucht – wurde im Dezember 2020 rechtskräftig, nachdem die erste Haftstrafe bereits abgesessen war.
Und: Da eine Fluchtgefahr bestehe, erfülle er die Auflagen für die vorzeitige Entlassung sowieso nicht. Schliesslich war der heute 42-Jährige schon einmal getürmt. Damit dürfte er noch einige Jahre im Gefängnis bleiben müssen. Übrigens: Wäre er 2010 nicht abgehauen, wäre er seit über zwölf Jahren bereits ein freier Mann.
Schreibt gerne über harte Fakten und skurrile Aufreger. Seit über zehn Jahren Journalist bei Online, Print und Fernsehen. Für zentralplus schreibt der Wahl-Luzerner seit 2024.